Keine Leistungsfreiheit nach Selbsttötung bei Restschuldlebensversicherung

Februar 15, 2025

Keine Leistungsfreiheit nach Selbsttötung bei Restschuldlebensversicherung

OLG Schleswig Urteil vom 30.9.2024 – 16 U 126/23

RA und Notar Krau

Leitsatz

Die Feststellung, dass eine vorsätzliche Selbsttötung in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen worden ist

(Nr. 3.3. S. 2 Restschuldlebensversicherung), kann auch ohne die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens getroffen werden,

wenn nach den Umständen des Einzelfalls die Möglichkeit nachvollziehbarer Motive für eine Selbsttötung offensichtlich ausgeschlossen ist

(hier: Suizid in der nur als wahnhaft zu begreifenden Vorstellung des Leidens an einer Leberzirrhose).

Sachverhalt

Die Klägerin verlangt von der Beklagten, einer Versicherung, die Leistung aus einer Restschuldlebensversicherung.

Die Klägerin und ihr Ehemann hatten einen Kreditvertrag abgeschlossen und gleichzeitig eine Restschuldlebensversicherung bei der Beklagten abgeschlossen.

Die Versicherungsbedingungen der Beklagten sehen vor, dass bei Selbsttötung des Versicherten vor Ablauf von drei Jahren seit Vertragsabschluss nur dann Versicherungsschutz besteht, wenn die Tat in

einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder unter dem Druck schwerer körperlicher Leiden begangen wurde.

Der Ehemann der Klägerin beging Selbstmord.

Er hatte zuvor in einem ärztlichen Attest geäußert, unter Oberbauchbeschwerden zu leiden und Angst vor einer alkoholinduzierten Leberzirrhose zu haben.

Diese Vermutung bestätigte sich jedoch nicht.

Stattdessen wurde retrospektiv eine schwere Angststörung mit depressiven Anteilen diagnostiziert.

Keine Leistungsfreiheit nach Selbsttötung bei Restschuldlebensversicherung

Die behandelnde Ärztin berichtete, dass der Ehemann lediglich aufgrund von Alkoholkonsum leicht erhöhte Leberwerte hatte.

Er habe seit etwa einem halben Jahr eine riesige Angst vor einer Leberzirrhose gehabt und sich deshalb fast wöchentlich untersuchen lassen.

Die Beklagte lehnte die Auszahlung der Versicherungssumme ab, da sie nicht davon überzeugt war, dass der Ehemann sich krankheitsbedingt ohne freie Willensbestimmung das Leben genommen habe.

Entscheidung

Das OLG Schleswig gab der Klage der Klägerin überwiegend statt.

Das Gericht war der Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine Leistungspflicht der Beklagten aus der Restschuldlebensversicherung vorlagen.

Das Gericht stellte fest, dass der Ehemann der Klägerin die Selbsttötung in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen hatte.

Es begründete dies damit, dass der Ehemann aufgrund seiner wahnhaften Vorstellung, an einer unheilbaren Krankheit zu leiden, keine freie Entscheidung mehr treffen konnte.

Das Gericht wies darauf hin, dass die Möglichkeit nachvollziehbarer Motive für eine Selbsttötung im vorliegenden Fall offensichtlich ausgeschlossen sei.

Der Ehemann habe sich aufgrund einer objektiv unbegründeten Angst vor einer schweren Krankheit das Leben genommen.

Diese Angst sei als Wahnvorstellung zu qualifizieren, die jede rationale Grundlage entbehrte.

Das Gericht betonte, dass es in solchen Fällen nicht zwingend erforderlich sei, ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen.

Die Feststellung, dass eine freie Willensbestimmung aufgrund einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit ausgeschlossen ist, könne auch aufgrund der Umstände des Einzelfalls getroffen werden.

Keine Leistungsfreiheit nach Selbsttötung bei Restschuldlebensversicherung

Zusammenfassung

Das OLG Schleswig hat entschieden, dass eine Versicherung aus einer Restschuldlebensversicherung auch dann zur Leistung verpflichtet ist, wenn der Versicherungsnehmer Selbstmord begeht, sofern die Tat in

einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen wurde.

Das Gericht betonte, dass die Feststellung einer solchen krankhaften Störung auch ohne medizinisches Sachverständigengutachten getroffen werden kann, wenn die Umstände des Einzelfalls dies zulassen.

Entscheidend sei, ob die Möglichkeit nachvollziehbarer Motive für die Selbsttötung ausgeschlossen werden kann.

Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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