Keine Schenkungsanfechtung bei Erfüllung eines Vermächtnisanspruchs
Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21. November 2024 – 12 U 14/24
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat entschieden, dass die Erfüllung eines Vermächtnisanspruchs durch den Erben keine unentgeltliche Leistung
im Sinne des § 134 Absatz 1 der Insolvenzordnung (InsO) darstellt und somit nicht der insolvenzrechtlichen Anfechtung unterliegt.
Diese Entscheidung widerspricht der Ansicht des Landgerichts, das der Klage des Insolvenzverwalters teilweise stattgegeben hatte.
Der zugrunde liegende Sachverhalt betrifft einen Insolvenzverwalter, der Ansprüche aus Insolvenzanfechtung gegen die Enkelkinder des Erblassers geltend macht.
Die Erblasserin hatte ihren Sohn, den späteren Nachlassinsolvenzschuldner, zum Alleinerben eingesetzt und gleichzeitig
ihren Enkelkindern durch Testament einen hälftigen Miteigentumsanteil an einem Grundstück vermacht.
Zur Erfüllung dieses Vermächtnisses übertrug der Nachlassinsolvenzschuldner diesen Miteigentumsanteil notariell an die Beklagten, seine Kinder.
Nach Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens sah der Insolvenzverwalter in dieser Übertragung eine unentgeltliche Leistung,
die gemäß § 134 InsO anfechtbar sei, und forderte Auskunft und Zahlung von Wertersatz.
Das Landgericht hatte dem Auskunftsanspruch stattgegeben und einen Zahlungsanspruch in Höhe eines Viertels des Werts des Wohnungseigentums gegen jeden der Beklagten zugesprochen.
Es argumentierte, die Erfüllung des Vermächtnisses sei eine unentgeltliche Leistung des Nachlassinsolvenzschuldners, da die Beklagten keine unmittelbare Gegenleistung erbracht hätten.
Der Verlust ihrer Vermächtnisansprüche stelle keine werthaltige Gegenleistung dar, da sie diese Ansprüche gegenüber der Erblasserin unentgeltlich erworben hätten.
Das Oberlandesgericht hob dieses Urteil auf und wies die Klage ab.
Zur Begründung führte es aus, dass es sich bei der Erfüllung des Vermächtnisses nicht um eine unentgeltliche Leistung im Sinne des § 134 Absatz 1 InsO handele.
Das Gericht stellte zunächst fest, dass im vorliegenden Fall ein Zwei-Personen-Verhältnis zwischen dem Nachlassinsolvenzschuldner als Leistendem und den Beklagten als Empfängern vorliege.
Entscheidend hierfür sei, dass die angefochtene Rechtshandlung auf einer eigenen Verbindlichkeit des Nachlassinsolvenzschuldners beruhte.
Gemäß § 2174 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) begründet ein Vermächtnis für den Bedachten das Recht, von dem Beschwerten die Leistung des vermachten Gegenstands zu fordern.
Dieses Recht entsteht gemäß § 2176 BGB mit dem Erbfall und begründet ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen dem Erben (hier der Nachlassinsolvenzschuldner) und dem Vermächtnisnehmer (hier die Beklagten).
Die Pflicht des Erben zur Erfüllung des Vermächtnisses stellt gemäß § 1967 Absatz 2 BGB eine Nachlassverbindlichkeit dar.
Durch die Erfüllung des Vermächtnisses verliert der Vermächtnisnehmer seinen entsprechenden gesetzlichen Anspruch, und der Erbe erhält als Gegenleistung die Befreiung von seiner Schuld.
Das Oberlandesgericht betonte, dass die Grundsätze der Schenkungsanfechtung im Drei-Personen-Verhältnis nicht gelten, wenn den Leistenden gegenüber dem Empfänger eine eigene Verbindlichkeit trifft.
Weiter führte das Gericht aus, dass der Begriff der Unentgeltlichkeit im Sinne des § 134 Absatz 1 InsO weit auszulegen sei, um den Schutzzweck der Norm zu gewährleisten.
Eine Leistung sei jedoch dann entgeltlich, wenn der Leistung des Schuldners eine ausgleichende Gegenleistung gegenüberstehe und Leistung und Zuwendung voneinander abhingen.
Dies sei nicht auf synallagmatische Verträge beschränkt, sondern umfasse auch die Erfüllung einer gesetzlichen Verbindlichkeit.
Im vorliegenden Fall liege die Gegenleistung für die Übertragung des Miteigentumsanteils an die Beklagten
in der Schuldbefreiung des Nachlassinsolvenzschuldners von seiner Verpflichtung aus § 2174 BGB.
Andernfalls wäre jede Leistung auf eine gesetzliche Verbindlichkeit mit erheblichen Unsicherheiten behaftet.
Das Oberlandesgericht wies auch das Argument des Klägers zurück, die Wertung des § 322 InsO führe zu einer anderen Beurteilung.
Nachlassinsolvenz des Erblassers und Eigeninsolvenz des Erben seien strikt zu trennende Verfahren.
Zusammenfassend urteilte das Oberlandesgericht Düsseldorf, dass die Erfüllung eines Vermächtnisanspruchs eine entgeltliche Leistung darstellt, da der Erbe durch die Übertragung des
vermachten Gegenstands von seiner gesetzlichen Verpflichtung gegenüber dem Vermächtnisnehmer befreit wird.
Folglich greift der Anfechtungsgrund der unentgeltlichen Leistung gemäß § 134 Absatz 1 InsO nicht ein, und die Klage des Insolvenzverwalters war abzuweisen.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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