Keine teilweise Annahme oder Ausschlagung – Rechtsfolgen und Sonderfälle

Juni 7, 2025

Keine teilweise Annahme oder Ausschlagung – Rechtsfolgen und Sonderfälle

Erbe werden: Ganz oder gar nicht – Warum Sie nicht „Rosinen picken“ können

Ein Erbe anzutreten oder auszuschlagen, ist eine wichtige Entscheidung. Doch wussten Sie, dass man dabei nicht einfach nur die „Filetstücke“ auswählen kann? Im deutschen Erbrecht gilt der Grundsatz: Entweder Sie nehmen das gesamte Erbe an, oder Sie lehnen es komplett ab. Das ist wie ein Paket, das Sie entweder ganz annehmen oder ganz ablehnen können – Sie können nicht einfach nur ein paar Dinge daraus nehmen.

Ich bin Rechtsanwalt und Notar Krau, und in diesem Beitrag erkläre ich Ihnen, was es mit diesem „Ganz-oder-gar-nicht“-Prinzip auf sich hat und wann es Ausnahmen gibt.


Warum geht das nicht: Nur ein Haus oder ein Geschäft erben?

Viele Menschen denken, sie könnten nur bestimmte Gegenstände aus einem Nachlass erben, zum Beispiel das Haus des Verstorbenen oder sein Unternehmen. Das ist leider ein Irrtum. Der Grundsatz der sogenannten Gesamtrechtsnachfolge besagt, dass ein Erbe in die gesamte rechtliche Stellung des Verstorbenen eintritt – mit allen Rechten und Pflichten. Das bedeutet, Sie erben nicht nur das Vermögen, sondern auch die Schulden. Stellen Sie sich vor, Sie treten in die Fußstapfen des Verstorbenen und übernehmen sein gesamtes „Vermögens-Paket“.

Wenn Sie also versuchen, nur einen Teil der Erbschaft anzunehmen oder auszuschlagen, ist diese Erklärung ungültig. Das Gesetz sagt hier ganz klar: So etwas funktioniert nicht. Was Sie aber sehr wohl tun können, ist, das gesamte Erbe anzunehmen und dann einzelne Gegenstände daraus, wie das Haus oder ein Unternehmen, an jemand anderen weiterzugeben oder zu verkaufen.


Ausnahmen von der Regel: Wann ist eine Teilung möglich?

Wie so oft gibt es auch im Erbrecht Ausnahmen, bei denen eine „Teilung“ der Erbschaft unter bestimmten Umständen doch möglich ist:

Wenn es mehrere Gründe für Ihr Erbe gibt

Stellen Sie sich vor, Sie werden aus verschiedenen Gründen Erbe. Das kann passieren, wenn Sie zum Beispiel in einem Testament bedacht wurden und gleichzeitig auch gesetzlicher Erbe sind (weil Sie zum Beispiel ein Kind des Verstorbenen sind). In solchen Fällen kann es sein, dass Sie die Erbschaft aus einem dieser Gründe annehmen und aus einem anderen Grund ausschlagen können. Das ist ein bisschen so, als gäbe es zwei getrennte „Erbe-Pakete“, die Sie unterschiedlich behandeln können.

Wenn Ihnen mehrere Erbteile zustehen

Manchmal fällt einer Person nicht nur ein, sondern mehrere Erbteile zu. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn Sie mehrfach mit dem Verstorbenen verwandt sind oder wenn Sie in einem Testament für verschiedene Anteile eingesetzt wurden. Hier erlaubt das Gesetz unter bestimmten Bedingungen eine teilweise Annahme oder Ausschlagung:

  • Wenn die Erbteile aus unterschiedlichen Gründen entstanden sind: Ähnlich wie oben beschrieben, können Sie hier die Erbteile separat behandeln.
  • Wenn der Verstorbene die Teilung erlaubt hat: Der Verstorbene kann in seinem Testament ausdrücklich festlegen, dass einzelne Erbteile getrennt behandelt werden dürfen. Das ist wie eine Erlaubnis, die „Pakete“ zu teilen.

Beruhen die Erbteile hingegen auf demselben Grund und hat der Verstorbene keine Teilung erlaubt, bleibt es beim „Ganz-oder-gar-nicht“-Prinzip.

Keine teilweise Annahme oder Ausschlagung – Rechtsfolgen und Sonderfälle

Wenn mehrere Erben einen Anteil teilen

Sind mehrere Erben gemeinsam auf einen bestimmten Teil der Erbschaft eingesetzt (z.B. ein Drittel der Erbschaft soll von zwei Geschwistern geteilt werden), dann handelt es sich immer noch um eigenständige Erbteile für jeden einzelnen Erben. Das bedeutet, jeder dieser Erben kann über seinen eigenen Anteil entscheiden und ihn ganz annehmen oder ganz ausschlagen. Eine gemeinsame Entscheidung über den gesamten Anteil bleibt aber erforderlich.

Erbschaft über Landesgrenzen hinweg (Nachlassspaltung)

Manchmal hat ein Verstorbener Vermögen in verschiedenen Ländern, und jedes Land hat eigene Erbrechtsregeln. In solchen Fällen kann eine Nachlassspaltung eintreten. Das bedeutet, für den Teil des Vermögens, der im Ausland liegt, gelten die dortigen Gesetze. Sie könnten dann zum Beispiel das Immobilienvermögen im Ausland annehmen und das Vermögen in Deutschland ausschlagen. Wichtig ist aber: Für den deutschen Teil des Erbes gilt weiterhin unser „Ganz-oder-gar-nicht“-Prinzip.


Was ist mit dem Pflichtteil oder Vermächtnissen?

Ausschlagung unter Vorbehalt des Pflichtteils

Manche denken, sie könnten eine Erbschaft ausschlagen und gleichzeitig ihren Pflichtteil behalten. Das ist so nicht möglich. Der Pflichtteil ist kein Teil der Erbschaft, sondern ein eigener Anspruch auf Geld, der Ihnen zusteht, wenn Sie enterbt wurden. Wenn Sie eine Erbschaft ausschlagen und dabei den Pflichtteil „vorbehalten“, ist diese Erklärung rechtlich unwirksam, weil der Pflichtteil eben kein Bestandteil des Erbes ist.

Annahme oder Ausschlagung eines Vorausvermächtnisses

Ein Vorausvermächtnis ist etwas Besonderes: Der Verstorbene kann Ihnen zusätzlich zu Ihrem Erbe einen bestimmten Gegenstand oder Geldbetrag vermachen. Sie können ein solches Vermächtnis annehmen, auch wenn Sie die eigentliche Erbschaft ausschlagen, oder umgekehrt. Hier dürfen Sie also tatsächlich „wählen“. Allerdings kann der Verstorbene in seinem Testament auch festlegen, dass beides nur zusammen angenommen werden kann.


Was passiert, wenn ich versuche, nur einen Teil zu erben?

Wenn Sie versuchen, nur einen Teil einer Erbschaft anzunehmen oder auszuschlagen, ist diese Erklärung ungültig. Das bedeutet, sie hat keinerlei rechtliche Wirkung. Es wird so getan, als hätten Sie nie eine Erklärung abgegeben. Im schlimmsten Fall kann das dazu führen, dass Sie automatisch zum Erben werden, wenn die gesetzliche Frist für die Ausschlagung abgelaufen ist.

Um solche Missverständnisse zu vermeiden, ist es ratsam, sich professionell beraten zu lassen. So können Sie sicherstellen, dass Ihre Erklärung die gewünschte rechtliche Wirkung entfaltet.


Sonderfälle: Unternehmensanteile und Sozialleistungen

Anteile an Personengesellschaften

Wenn es um Anteile an einer Personengesellschaft (wie einer OHG oder KG) geht, gibt es eine Besonderheit. Hier spricht man von einer Sonderrechtsnachfolge. Das bedeutet, der Erbe tritt direkt in die Stellung des Gesellschafters ein. Trotzdem kann der Erbe die Beteiligung an der Gesellschaft nicht isoliert annehmen oder ausschlagen. Auch hier gilt: Die Annahme oder Ausschlagung der gesamten Erbschaft entscheidet darüber, ob man auch die Unternehmensanteile erhält.

Laufende Sozialleistungen

Bei fälligen, laufenden Geldleistungen aus dem Sozialrecht (z.B. Renten oder Sozialhilfe) gibt es ebenfalls eine Sonderregelung. Hier kann man innerhalb einer bestimmten Frist schriftlich auf diese Ansprüche verzichten. Das hat dann zur Folge, dass diese Leistungen nicht auf den Erben übergehen, sondern an die Personen ausgezahlt werden, denen sie ohne den Verzicht zugestanden hätten.


Ich hoffe, diese Erklärungen haben Ihnen geholfen, das komplexe Thema der Annahme und Ausschlagung einer Erbschaft besser zu verstehen. Wenn Sie Fragen zu Ihrem speziellen Fall haben, stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt und Notar Krau gerne zur Verfügung.


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