Keine Vorfälligkeitsentschädigung bei Kündigung wegen Zahlungsverzugs
Zusammenfassung des BGH-Urteils vom 19.01.2016 (XI ZR 103/15)
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit diesem Urteil eine wichtige Entscheidung im Verbraucherdarlehensrecht getroffen. Es geht um die Frage, welche Kosten eine Bank oder Sparkasse von einem Kreditnehmer verlangen darf, wenn sie den Kredit wegen Zahlungsverzugs des Kunden kündigt.
Normalerweise muss ein Kreditnehmer eine sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung zahlen, wenn er einen Kredit vorzeitig selbst kündigt (zum Beispiel, weil er eine Immobilie verkauft oder umschulden will). Diese Entschädigung soll den Zinsschaden ausgleichen, der der Bank entsteht, weil sie die vereinbarten Zinsen bis zum regulären Ende der Zinsbindung nicht mehr bekommt.
In diesem Fall hat die Sparkasse die Darlehensverträge aber selbst gekündigt, weil die Kreditnehmer mit den Raten in Verzug geraten waren. Trotzdem verlangte die Sparkasse eine Vorfälligkeitsentschädigung von über 86.000 € (neben der Restschuld, Verzugszinsen und Kosten).
Ein Darlehensnehmer-Ehepaar hatte 2004 bei der beklagten Sparkasse zwei Immobiliendarlehen aufgenommen. Als die Darlehensnehmer in Zahlungsverzug gerieten, kündigte die Sparkasse die Verträge im Jahr 2010 bzw. 2011 fristlos. Sie forderte die gesamte Restschuld, einschließlich einer berechneten Vorfälligkeitsentschädigung.
Ein dritter Gesellschafter (der Kläger) übernahm zur Abwendung einer drohenden Zwangsversteigerung des Grundstücks die Forderungen und zahlte unter Vorbehalt einen Teil der geltend gemachten Restschulden, darunter auch etwa 24.569 € der umstrittenen Vorfälligkeitsentschädigung. Er klagte später auf Rückzahlung dieses Betrages.
Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Sie meinten, die Sparkasse habe trotz der Kündigung wegen Verzugs einen Anspruch auf die Vorfälligkeitsentschädigung als Ersatz für den Nichterfüllungsschaden.
Der BGH hob das Urteil der Vorinstanzen auf und gab dem Kläger im Wesentlichen recht: Die Sparkasse darf keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen, wenn sie den Verbraucherdarlehensvertrag wegen Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers kündigt.
Der BGH stellte klar, dass für solche Fälle die damalige spezielle gesetzliche Regelung in § 497 Abs. 1 BGB a.F. (in der bis 10. Juni 2010 geltenden Fassung) gilt. Diese Vorschrift regelt abschließend, welchen Schaden die Bank bei einem notleidenden Kredit (also einem, der wegen Zahlungsverzugs gekündigt wird) ersetzt bekommt.
Nach dieser Regelung kann die Bank für die Zeit nach der Kündigung keinen vertraglichen Zinsanspruch mehr geltend machen. Stattdessen steht ihr nur ein Anspruch auf Verzugszinsen zu, die über dem Basiszinssatz liegen.
Die Vorschrift schließt die Geltendmachung einer Vorfälligkeitsentschädigung als Ersatz des sogenannten Nichterfüllungsschadens (den entgangenen Gewinnen/Zinsen) aus.
Die Vorgängervorschrift des § 497 Abs. 1 BGB (§ 11 VerbrKrG) sollte die Schadensberechnung bei notleidenden Verbraucherkrediten vereinfachen und einen Rückgriff auf den Vertragszins grundsätzlich ausschließen.
Würde man eine Vorfälligkeitsentschädigung zulassen, wäre dies sehr kompliziert zu berechnen und würde das gesetzgeberische Ziel der Prozessvereinfachung verfehlen.
Das Argument der Sparkasse, der Kunde würde durch seinen Vertragsbruch besser gestellt, weil er die Vorfälligkeitsentschädigung vermeidet, lässt der BGH nicht gelten. Der Gesetzgeber habe diesen möglichen Effekt bewusst in Kauf genommen, um die Verbraucher zu schützen und die Berechnung zu vereinfachen.
Der BGH entschied, dass die von der Sparkasse geltend gemachte Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 24.569,18 € rechtsgrundlos erfolgte, da der Anspruch der Bank auf Vorfälligkeitsentschädigung aus Rechtsgründen nicht bestand. Der Kläger hat einen Anspruch auf Rückzahlung dieses Betrages aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB).
Bei der Kündigung eines Immobiliendarlehens durch die Bank wegen Zahlungsverzugs des Verbrauchers ist der Schaden der Bank durch die gesetzlichen Verzugszinsen abschließend geregelt. Eine zusätzliche Vorfälligkeitsentschädigung darf die Bank nicht verlangen.
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