KG 6 W 25/17
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin vom 05. April 2017 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wedding –Nachlassgericht– vom 15. März 2017 wird auf ihre Kosten bei einem Beschwerdewert von 25.000,00 € zurückgewiesen.
Gründe
I.
1
Die Antragstellerin ist die eheliche Tochter des Erblassers, der am 07. Juli 2014 verwitwet verstorben ist, seine testamentarisch als Alleinerbin eingesetzte Lebensgefährtin ist vorverstorben. Weitere letztwillige Verfügungen hat er nicht hinterlassen.
2
Der Beteiligte zu 2. wurde am 19. Oktober 1955 als unehelicher Sohn der damals ledigen E… F… in Berlin geboren. Im Jahr 1959 wurde er von seiner Großmutter E… F… an Kindes statt angenommen. Unter dem 29. März 1962 erkannte der Erblasser vor dem Notar W… F… zur Urk-R-Nr. 32/1962 an, der Erzeuger des Beteiligten zu 2. zu sein (Bl. 20 d.A.).
3
Anfang 1966 wurde das Kindschaftsverhältnis zwischen dem Beteiligten zu 2. und seiner Großmutter wieder aufgehoben. Anschließend wurde der Beteiligte zu 2. von seiner Mutter, die zwischenzeitlich Herrn M… R… geheiratet hatte, und ihrem Ehemann gemeinschaftlich an Kindes statt angenommen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Geburtsurkunde des Beteiligten zu 2. (Bl. 16 d.A.), insbesondere auf die dortigen Randvermerke (Bl. 16 d.A.) Bezug genommen.
4
Mit notarieller Erbscheinverhandlung vom 04. Dezember 2014 hatte die Antragstellerin zunächst beantragt, ihr einen Erbschein als alleinige gesetzliche Erbin zu erteilen. Mit notarieller Erbscheinverhandlung vom 02. Juli 2015 nahm sie diesen Antrag zurück mit dem Antrag, einen Erbschein zu erteilen, der sie und den Beteiligten zu 2. je zur Hälfte als gesetzliche Erben ausweist. Auf einen Hinweis des Nachlassgerichts hat die Antragstellerin beim Standesamt St… -Z… von Berlin beantragt, die Vaterschaft des Erblassers auf der Geburtsurkunde des Beteiligten zu 2. beizuschreiben, was das Standesamt jedoch mit Schreiben vom 03. Dezember 2015, auf das wegen seiner Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 56 d.A.), ablehnte.
5
Unter dem 17. Oktober 2016 hat das Nachlassgericht einen 1. Teilerbschein erlassen, der die Antragstellerin als Erbin zu ½ des Nachlasses ausweist (Bl. 67 d.A.).
6
Mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2016 hat die Antragstellerin beantragt, wegen der zweiten Hälfte einen weiteren Teilerbschein zu ihren Gunsten zu erlassen. Diesen Antrag hat das Nachlassgericht mit Beschluss vom 15. März 2017 zurückgewiesen mit der Begründung, ein Erbrecht der Antragstellerin zu 1/1 sei nicht belegt. Zwar fehle ein urkundlicher Abstammungsnachweis des Beteiligten zu 2. zum Erblasser, solange die Beischreibung auf der Geburtsurkunde nicht erfolgt sei, andererseits sei ein Wegfall des Beteiligten zu 2. jedoch noch nicht nachgewiesen, weil eine gerichtliche Entscheidung gemäß § 49 PStG noch beantragt werden könne. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Begründung des den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin am 24. März 2017 zugestellten Beschlusses (Bl. 81 – 83 d.A.) verwiesen.
7
Die Antragstellerin hat am 05. April 2017 beim Nachlassgericht Beschwerde eingelegt, der das Nachlassgericht mit Beschluss vom 10. Mai 2017 aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht abgeholfen hat.
8
Die Antragstellerin ist der Ansicht, sie sei Alleinerbin geworden. Der Beteiligte zu 2. scheide als Miterbe aus, weil eine wirksame Vaterschaftsanerkennung des Erblassers nicht vorliege und auch keine Geburtsurkunde vorgelegt werden könne, in der der Erblasser beigeschrieben worden sei.
II.
9
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den ihren Antrag zurückweisenden Beschluss des Nachlassgerichts ist gemäß §§ 58 ff FamFG zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht beim Nachlassgericht eingegangen.
10
In der Sache bleibt die Beschwerde jedoch ohne Erfolg, denn die Antragstellerin ist nicht Alleinerbin nach dem Erblasser geworden, weshalb das Nachlassgericht den Antrag auf Erlass eines 2. Teilerbscheins zu ihren Gunsten zu Recht zurückgewiesen hat.
11
Gemäß § 1924 Abs. 1 BGB sind die – ehelichen und nichtehelichen – Abkömmlinge des Erblassers zu gleichen Teilen als Erben erster Ordnung berufen. Die Frage, ob ein Beteiligter Abkömmling des Erblassers und damit (Mit–)Erbe erster Ordnung ist, ist anhand der Rechtslage im Zeitpunkt des Erbfalls zu entscheiden (Groll, Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung, 4. Auflage, Kommentierung zu I. Die gesetzliche Erbfolge, dort Rdnr. 8; vgl. auch OLG Frankfurt FamRZ 1995, 1087, zitiert nach juris, dort Rdz. 7). Danach kommt neben der Beteiligten zu 1. als Tochter des Erblassers aus erster Ehe auch der Beteiligte zu 2. als gesetzlicher (Mit-)Erbe in Betracht, weil auch er ein Abkömmling des Erblassers ist.
12
Allerdings wurde der Beteiligte zu 2. nichtehelich geboren, weshalb – da § 1924 Abs. 1 BGB nicht auf die rein biologische sondern auf die formelle Vaterschaft abstellt – eine den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Vaterschaftsfeststellung notwendig ist (Weidlich in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 76. Auflage § 1924 Rdnr. 8 m.w.N.). Diese könnte indes auch noch nachträglich, notfalls unter Exhumierung des Erblasserleichnams (BGH FamRZ 2015, 39 – 42, zitiert nach juris, dort LS. und Rdz. 21 ff) erfolgen.
13
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin kann vorliegend von einer förmlich festgestellten Vaterschaft des Erblassers zu dem Beteiligten ausgegangen werden.
14
Zwar galt der Beteiligte zu 2., als er im Jahr 1955 als nichteheliches Kind einer ledigen Mutter geboren wurde, auf der Basis der damaligen Rechtslage zunächst als nicht mit seinem Erzeuger, sondern nur mit seiner Mutter verwandt (§§ 1589 Abs.2, 1705 BGB a. F.). An diesem Status änderte auch das im März 1962 abgegebene notarielle Anerkenntnis des Erblassers, den Beteiligten zu 2. erzeugt zu haben, nichts. Denn nach der damaligen Rechtslage hatte das Vaterschaftsanerkenntnis nur die Wirkung, dass sich der Anerkennende nicht mehr darauf berufen konnte, ein anderer habe der Mutter innerhalb der Empfängniszeit beigewohnt (§ 1718 BGB a.F.). Außerdem begründete es die gesetzliche Vermutung, dass er der Mutter innerhalb der Empfängniszeit beigewohnt hat (§ 1720 Abs. 2 BGB a. F.). Hierdurch wurde die sogenannte Zahlvatervaterschaft gemäß § 1717 Abs. 1 BGB a.F. begründet, wobei auch dieses Anerkenntnis nach damaliger Rechtslage dem Geburtseintrag nach § 29 PStG beizuschreiben war (Lauterbach in Palandt, BGB, 26. Auflage, 1967, § 1718 Rdnr. 1 und 2). Erst nach Inkrafttreten des Nichtehelichengesetzes (NEhelG) zum 01. Juli 1970 galt ein nichteheliches Kind auch als mit seinem Erzeuger verwandt, wenn die Vaterschaft entweder förmlich anerkannt oder gerichtlich festgestellt worden war. Durch das NEhelG ist die Vorschrift des § 1589 Abs. 2 BGB a. F. aufgehoben worden und das nichteheliche Kind nach seinem Vater und dessen Verwandten erbberechtigt geworden. Auf der Basis der Überleitungsvorschriften in Art. 12 §§ 1 und 2 i. V. m. § 3 Abs. 1 S. 1 NEhelG galt dies auch für bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes unehelich geborene Kinder (so genannte Altfälle), wenn der (biologische) Vater seine Vaterschaft vor Inkrafttreten des NEhelG in einer öffentlichen Urkunde anerkannt hatte. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt, denn der Erblasser hatte bereits im März 1962 in einer notariellen – und damit öffentlichen– Urkunde anerkannt, den im Jahr 1955 geborenen Beteiligten zu 2. erzeugt zu haben. Damit gilt der Beteiligte zu 2. seit dem 01. Juli 1970 formell als Abkömmling des Erblassers.
15
Die in dem Schreiben des Standesamtes St… -Z… von Berlin vom 03. Dezember 2015 geäußerte Rechtsansicht, die Wirkungen des Art 12 § 3 Abs. 1 S. 1 NEhelG hätten nicht zu Gunsten des Beteiligten zu 2. eintreten können, weil dieser vor dem 01. Juli 1970 von seiner Mutter und ihrem Ehemann M… R… an Kindes statt angenommen worden war, ist nicht zutreffend. Zwar erlangte das minderjährige Kind nach den vor Inkrafttreten des Adoptionsgesetzes (AdoptG) am 01. Januar 1977 geltenden Vorschriften der §§ 1741 ff BGB a.F. durch die Annahme an Kindes statt die rechtliche Stellung eines gemeinschaftliche ehelichen Kindes der Annehmenden (§ 1757 Abs. 2 BGB a.F.). Gemäß § 1764 BGB a.F. berührte dies jedoch nicht die Rechte und Pflichten, die sich aus dem Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Kind und seinen Verwandten ergaben (vgl. zum gesetzlichen Erbrecht nach den leiblichen Eltern: Gutachten des Deutschen Notarinstituts DNotI–Report 1999, 11, 12; Gutachten des Deutschen Notarinstituts DNotI 2016, 119 – 120; OLG Köln MDR 2014, 1264 – 1265, zitiert nach juris, dort Rdz. 7; OLG Schleswig ZEV 2012, 315 – 318, zitiert nach juris, dort Rdz. 23; OLG Frankfurt FamRZ 1995, 1087, zitiert nach juris, dort Rdz. 7).
16
Auch durch das Inkrafttreten des Adoptionsgesetzes am 01. Januar 1977 änderte sich an dieser Rechtslage nichts. Zwar regelte dieses die Adoption Minderjähriger nunmehr als so genannte Volladoption (vgl. § 1755 Abs. 1 und 2 BGB in der ab dem 01.01.1977 geltenden Fassung), nach den maßgeblichen Übergangsvorschriften kam so genannten Altfällen –Annahme an Kindes nach den vor Inkrafttreten des Adoptionsgesetzes geltenden Vorschriften– diese Wirkung (rückwirkend) jedoch nur zu, wenn das angenommene Kind im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Adoptionsgesetzes noch minderjährig war (Art 12 § 2 Abs. 1 AdoptG), während auf Altfälle, in denen das an Kindes statt angenommene Kind – wie der Beteiligte zu 2.– am 01. Januar 1977 bereits volljährig war, “nur” die Vorschriften über die Annahme Volljähriger Anwendung finden sollten (Art 12 § 3 Abs. 1 AdoptG). Diese Trennung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (OLG Schleswig a.a.O. Rdz. 20 ff; OLG Düsseldorf MDR 2017, 37 – 38, zitiert nach juris, dort Rdz. 14). Die Wirkungen der Adoption Volljähriger nach dem Adoptionsgesetz von 1977 entsprachen damit in etwa denjenigen der Annahme an Kindes statt nach altem Recht, denn auch gemäß § 1770 Abs. 2 BGB n.F. wurden durch die Adoption Volljähriger die Rechte und Pflichten aus dem Verwandtschaftsverhältnis des angenommenen Kindes und seiner Abkömmlinge zu ihren leiblichen Verwandten nicht berührt (vgl. zu allem Gutachten des Deutschen Notarinstituts, DNotI–Report 2016 a.a.O.; vgl. auch OLG Frankfurt a.a.O. Rdz. 7 m.w.N.; OLG Köln a.a.O.).
17
Konnte damit trotz der gemeinschaftlichen Annahme des Beteiligten zu 2. an Kindes statt durch seine Mutter und deren Ehemann im Jahr 1966 auf der Basis des notariellen Anerkenntnisses des Erblassers vom 29. März 1962 und des Art 12 § 3 Abs. 1 NEhelG zum 01. Juli 1970 eine verwandtschaftliche Beziehung zwischen dem Erblasser und dem Beteiligten zu 2. bewirkt werden, steht aus der Sicht des Senats zugleich auch förmlich die Vaterschaft des Erblasser fest, denn hierzu reichte ein Vaterschaftsanerkenntnis nach altem Recht aus (vgl. Gutachten des Notarinstituts a.a.O. S. 120). Die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens gemäß § 49 PStG sieht der Senat deshalb – insbesondere unter dem Blickwinkel des Art 12 § 3 Abs. 1 NEhelG – vorliegend als verzichtbar an (vgl. dazu auch OLG München FamRZ 2011, 1337, zitiert nach juris, dort LS und Rdz. 3).
18
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
19
Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 61 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 40 GNotKG und den Wertangaben der Antragstellerin.
20
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) liegen nicht vor.