KG Berlin 19 W 25/23 Anwachsung nach französischem Güterrecht

Dezember 29, 2024

KG Berlin 19 W 25/23 Anwachsung nach französischem Güterrecht

Kein Fremdrechtszeugnis für den Alleinerwerb des überlebenden Ehegatten aufgrund der Anwachsungsklausel nach französischem Güterrecht

RA und Notar Krau

Das Kammergericht hat mit Beschluss vom 3. August 2023 entschieden, dass ein deutsches Nachlassgericht kein Fremdrechtszeugnis ausstellen darf,

welches den Alleinerwerb des überlebenden Ehegatten aufgrund der Anwachsungsklausel nach französischem Güterrecht (clause d’attribution au survivant) bestätigt.

Der Fall:

Ein französisches Ehepaar hatte in einem Ehevertrag den Güterstand der Gütergemeinschaft vereinbart und für den Todesfall eine Anwachsungsklausel vorgesehen,

nach der das gesamte Vermögen dem überlebenden Ehegatten zufällt.

Nach dem Tod der Ehefrau beantragte der überlebende Ehemann beim Amtsgericht (AG) Schöneberg die Erteilung eines Fremdrechtszeugnisses,

um seinen Alleinerwerb an den in Deutschland befindlichen Grundstücken nachzuweisen.

Kammergericht Berlin 19 W 25/23

Das AG lehnte den Antrag ab, da die Anwachsungsklausel im deutschen Recht nicht existiert und somit keine Vergleichbarkeit gegeben sei.

Die Beschwerde des Ehemanns gegen diese Entscheidung blieb erfolglos.

Die Begründung des Gerichts:

  • Güterrechtliche Qualifikation: Das KG qualifizierte die Anwachsungsklausel als güterrechtliche Regelung und nicht als erbrechtliche. Daher sei die EuErbVO nicht anwendbar, sondern die §§ 105, 343 FamFG.
  • Keine Analogie: Das KG lehnte eine analoge Anwendung von § 1507 S. 2 BGB i.V.m. § 352c Abs. 1, § 354 Abs. 1 FamFG ab. Zwar sei die Ausstellung eines Fremdrechtszeugnisses über die Fortsetzung der Gütergemeinschaft nach ausländischem Recht grundsätzlich möglich, jedoch nur, wenn die ausländische Rechtsfigur mit dem deutschen Recht vergleichbar ist. Dies sei bei der Anwachsungsklausel nicht der Fall, da das deutsche Recht dieses Institut nicht kennt.
  • Kein Nachweisproblem: Das KG sah auch kein Problem im Nachweis der Rechtsnachfolge gegenüber dem Grundbuchamt. Dem Ehemann stehe die Möglichkeit offen, ein Europäisches Nachlasszeugnis (ENZ) zu beantragen, welches auch Angaben zum Güterstand enthält.

Kammergericht Berlin 19 W 25/23

Kritik an der Entscheidung:

Die Entscheidung des KG wurde in der Fachliteratur kritisiert.

Es wird bemängelt, dass das Gericht die Möglichkeit verpasst hat, eine jahrzehntelange Praxis der deutschen Nachlassgerichte zu bestätigen, Fremdrechtszeugnisse in vergleichbaren Fällen auszustellen.

Die vom KG geforderte Vergleichbarkeitsprüfung sei bei der Anwachsungsklausel nicht erforderlich, da die Anwachsung als solche dem deutschen Recht bekannt ist.

Auch die Argumentation des Gerichts, dem Ehemann stehe der Weg über das ENZ offen, überzeugt nicht, da das ENZ nicht die gleiche Beweiskraft wie ein Fremdrechtszeugnis hat.

Auswirkungen der Entscheidung:

Die Entscheidung des KG hat erhebliche Auswirkungen auf die Praxis. Grenzüberschreitende Erbfälle mit Anwachsungsklauseln werden dadurch erschwert.

Es bleibt abzuwarten, ob der BGH die Entscheidung des KG aufhebt und die bisherige Praxis bestätigt.

Empfehlung:

Bis zu einer Klärung durch den BGH sollten in vergleichbaren Fällen weiterhin Fremdrechtszeugnisse beantragt werden.

Sollten Nachlassgerichte die Ausstellung mit Verweis auf die Entscheidung des KG ablehnen, ist Beschwerde einzulegen.

Kammergericht Berlin 19 W 25/23

Zusätzliche Informationen:

  • Die Anwachsungsklausel ist nicht nur in Frankreich, sondern auch in Luxemburg und Belgien weit verbreitet.
  • Die güterrechtliche Qualifikation der Anwachsungsklausel hat auch materiell-rechtliche Bedeutung, insbesondere im Hinblick auf das Pflichtteilsrecht.
  • Die Anwachsungsklausel kann eine interessante Alternative zur gegenseitigen Alleinerbeinsetzung sein, insbesondere für binationale Eheleute oder Ehepaare, die ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen wollen.

Fazit:

Die Entscheidung des KG ist bedauerlich und schafft Unsicherheit im Rechtsverkehr.

Es bleibt zu hoffen, dass der BGH die Entscheidung aufhebt und die bisherige Praxis bestätigt.

Bis dahin sollten Nachlassgerichte und Rechtsanwälte an der bisherigen Praxis festhalten und Fremdrechtszeugnisse in vergleichbaren Fällen beantragen.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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