KG Berlin 19 W 30/19 Beschl. v. 9.5.2019 – Testierunfähigkeit und Anfechtbarkeit aufgrund Einflussnahme Dritter bei Testamentserrichtung
(AG Wedding, Beschl. v. 17.12.2018 – 60 VI 262/18)
Testierunfähig ist auch derjenige, der nicht in der Lage ist, sich über die für und gegen die sittliche Berechtigung seiner letztwilligen Verfügung sprechenden Gründe ein klares, von krankhaften Einflüssen nicht gestörtes Urteil zu bilden und nach diesem Urteil frei von Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln (iA an KG Beschl. v. 12.1.2018 – 6 W 13/17, ErbR 2018, 461 = juris Rn. 33 mwN).
Für das Kriterium der Freiheit von Einflüssen Dritter ist entscheidend, ob Fremdeinflüsse das Gewicht einer pathologischen Determinante erhalten, demgegenüber kritische Reserve, Abwägen und eigenständige Gegenvorstellungen nicht mehr möglich sind bzw. nicht mehr handelnd verwirklicht werden können (iA an OLG München Urt. v. 17.7.2013 – 3 U 4789/09, juris Rn. 91).
Folgt der Testierende in vollem Vertrauen den Vorschlägen eines Dritten ohne weitere Nachprüfung, aber bewusst und kraft eigenen Entschlusses oder sind die Vorschläge, Forderungen oder Erwartungen des Dritten bloßes Motiv für den Inhalt des Testaments, so fehlt es nicht an einer eigenen Willensentscheidung.
Fast tägliche ärztliche Beobachtungen zur zeitlichen, örtlichen und persönlichen Orientierung (hier: Interesse am Zeitgeschehen, Lesen von Tageszeitungen und Fachbücher über Astrophysik, Lösen von Sudokurätseln) ergibt sich, dass der Erblasser im Testierungszeitraum keinerlei Anzeichen aufwies, die eine Testierunfähigkeit begründen könnten.
Für die Frage der Testierfähigkeit ist es unerheblich, warum der Erblasser sein Testament geändert hat; selbst aus dem Fehlen einer rationalen Erklärung für den Sinneswandel kann nicht auf Testierunfähigkeit geschlossen werden.
Da aufgrund bestehender Testierfreiheit ein Erblasser gar kein Motiv für eine Testamentsänderung braucht, lässt sich aus einem nicht feststellbaren Motiv selbst dann nicht auf eine Anfechtungslage nach § 2078 BGB rückschließen, wenn eine Person komplett enterbt werden würde (iA an KG Beschl. v. 10.7.2018 – 6 W 35/18, ErbR 2019, 50 = juris Rn. Rn. 15).
Gründe: KG Berlin 19 W 30/19
I.
Die Beteiligte Frau A.T. ist die Nichte des Erblassers.
Der den Erbschein beantragende Herr W. S. ist mit dem Erblasser nicht verwandt, jedoch testamentarisch als Miterbe bedacht worden:
Das hier streitgegenständliche, handschriftlich verfasste, dreiseitige Testament des Erblassers vom 26.5.2017 bestimmt auf der ersten Blattseite, dass Frau A.T. und Herr W.S. „Haupterben“ jeweils zur Hälfte sein sollen.
Nachfolgend sind in dem Testament dann noch verschiedene Vermächtnisse vorgesehen, durch die Frau H.E. die „halbe Eigentumswohnung“ in Zweibrücken erhalten soll, ferner sollen fünf weitere Personen verschieden hohe Geldbeträge erhalten, darunter Frau T.S. mit 20.000 EUR.
Mit Beschluss vom 17.12.2018 hat das Amtsgericht angekündigt, einen Erbschein zu erteilen, der W.S. und A.T. als Erben zu je 1/2 ausweist. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass das Testament vom 26.5.2017, auf dem die Erbfolge beruhe, wirksam sei.
Es bestünden keine Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit des Erblassers. Schon der Inhalt und das Schriftbild sprächen nicht dafür.
Nach den schriftlichen Bekundungen des langjährigen Hausarztes Dr. W.R., bestünden gleichfalls keine Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit.
Auch die frühere Sekretärin Frau R.J. habe bekundet, dass der Erblasser orientiert gewesen sei.
Nach den übereinstimmenden Bekundungen sei der Erblasser in der Lage gewesen zu reisen und umfangreiche Kontakte, darunter Geliebte, zu unterhalten.
Aus den vorgelegten Attesten ergebe sich nichts anderes.
Aus welchen Beweggründen der Erblasser sein früheres Testament verändert habe, sei für die Frage der Testierunfähigkeit oder einer Anfechtungslage unerheblich.
Soweit die Beteiligte vortrage, der Zeuge H. habe berichtet, der Erblasser habe ihm mitgeteilt, dass der Antragsteller hinter dem Haus her sei, komme es darauf nicht an, da daraus keine Unwirksamkeit des Testaments folge.
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Dies belege vielmehr, die Richtigkeit unterstellt, dass der Erblasser orientiert gewesen sei. Eine Drohung könne daraus nicht abgeleitet werden.
Der Erblasser hätte das Testament ohne Weiteres ohne Kenntnis des Antragstellers anders fassen können, wenn er nicht gewollt hätte, dass dieser erbe.
Für die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Testierunfähigkeit habe mangels hinreichender Anhaltspunkte kein Anlass bestanden.
Gegen diesen der Beteiligten am 27.12.2018 zugestellten Beschluss hat diese mit Schriftsatz vom 24.1.2019 Beschwerde eingelegt, mit der sie weiterhin geltend macht, Alleinerbin geworden zu sein.
Zur Begründung führt sie im Wesentlichen an, dass sie zu Recht verlange, dass noch weitere Ermittlungen von Amts wegen durchzuführen seien, die zweifelsfrei klärten, ob der Erblasser frei von Einflüssen etwaig interessierter Dritter gewesen sei. Hierbei dürften keine überspannten Anforderungen gestellt werden.
Zur Anfechtung wegen Drohung sei zu bedenken, dass der Zeuge E.Z. ein guter Freund des Erblassers gewesen sei, der den Eindruck gehabt habe, als stehe der Erblasser unter großem Druck, wenn Herr S. anwesend gewesen sei.
Der Erblasser habe erklärt, es sei ihm sehr wichtig, dass das Haus in der Familie bleibe. Im Jahr 2017 habe Herr Z. den Erblasser plötzlich nicht mehr erreichen können.
Nach Eindruck des Zeugen habe Herr S. „außerordentlich viel Macht im Hause“ gehabt.
Das äußere Erscheinungsbild lasse den Rückschluss zu, dass hier nicht lediglich eine Beeinflussung durch beharrliches Bitten vorgelegen habe, sondern dass der Antragsteller den Erblasser aufgrund seines Einflusses sich habe fügig machen können.
Dass der Erblasser wenige Monate vor seinem Ableben mit freiem Willensentschluss seine jahrelang geäußerte Meinung aus freiem Willen und freier Entscheidung aufgegeben haben solle, sei „völlig abwegig“.
Gegenüber dem Zeugen Z. habe der Antragsteller bei einem Besuch nach Februar 2017 erklärt, dass das Haus wahrscheinlich sowieso bald verkauft werde und der Erblasser nach einem Sturz in Rumänien nicht mehr so gut denken könne wie vorher.
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Der Sturz am 3.2.2017 habe den Erblasser offenbar in einen gesundheitlich schlechten Zustand versetzt.
Auch dies sei ein hinreichender Anhaltspunkt für die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen. Für den Sinneswandel des Erblassers, dem Antragsteller plötzlich die Hälfte seines Vermögens zu übergeben, gebe es keine rationale Erklärung. Dies erfordere die Einholung eines Sachverständigengutachtens und die Beiziehung sämtlicher Krankenunterlagen aus Rumänien und aus der Charité.
Zur hinreichenden Ermittlung gehöre es auch, sich einen persönlichen Eindruck von den maßgeblichen Personen zu verschaffen, insbesondere Frau J. und Herr Dr. R. Erst die persönliche Anhörung lasse es zu, ergänzende Fragen zu stellen. Auffällig sei zudem das völlige Abtauchen des Erblassers im Jahr 2017 und seine fehlende Erreichbarkeit für den Zeugen Z. Es bestehe die Möglichkeit, dass der Antragsteller den Erblasser bewusst abgeschirmt habe.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 6.2.2019 nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt. Auf die Ausführungen im Nichtabhilfebeschluss wird Bezug genommen.
Die Beschwerdeführerin hat ihre persönliche Anhörung beantragt. Sie möchte ihre persönlichen Beobachtungen selbst vortragen.
Der Antragsteller verteidigt die amtsgerichtliche Entscheidung.
II.
Die gemäß den §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der Beteiligten hat in der Sache keinen Erfolg.
Die ausführlich und sorgfältig begründete amtsgerichtliche Entscheidung ist aus den dort niedergelegten Gründen nicht zu beanstanden.
Tiefergehende Ermittlungen oder Beweiserhebungen waren aufgrund des hinreichend ausermittelten Sachverhalts weder angezeigt noch erforderlich.
Gründe für eine Unwirksamkeit des Testaments vom 26.5.2017 liegen nicht vor.
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Das Testament ist nicht wegen Testierunfähigkeit des Erblassers nach § 2229 Abs. 4 BGB unwirksam.
a) Testierunfähig ist nach § 2229 Abs. 4 BGB, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörungen nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.
Nach dem Wortlaut des Gesetzes reicht es für die Annahme von Testierunfähigkeit nicht, dass der Erblasser an einer Erkrankung des Geistes oder einer Geistesschwäche leidet, hinzutreten muss vielmehr die Unfähigkeit, die Bedeutung der letztwilligen Verfügung zu erkennen und sich bei seiner Entschließung von normalen Erwägungen leiten zu lassen.
Konkret bedeutet das, dass testierunfähig derjenige ist, dessen Erwägungen und Willensentschlüsse nicht mehr auf einer dem allgemeinen Verkehrsverständnis entsprechenden Würdigung der Außendinge und der Lebensverhältnisse beruhen, sondern durch krankhaftes Empfinden oder krankhafte Vorstellungen und Gedanken derart beeinflusst werden, dass sie tatsächlich nicht mehr frei sind, sondern vielmehr von diesen krankhaften Einwirkungen beherrscht werden.
Diese Unfreiheit der Erwägungen und der Willensbildung braucht nicht darin zutage zu treten, dass der Erblasser sich keine Vorstellung von der Tatsache der Errichtung eines Testaments und von dessen Inhalt oder von der Tragweite seiner letzten Anordnungen, insbesondere von ihrer Auswirkung auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen zu machen vermag; sie kann sich vielmehr darauf beschränken, die Motive für die Errichtung einer letztwilligen Verfügung entscheidend zu beeinflussen.
Testierunfähig ist daher auch derjenige, der nicht in der Lage ist, sich über die für und gegen die sittliche Berechtigung seiner letztwilligen Verfügung sprechenden Gründe ein klares, von krankhaften Einflüssen nicht gestörtes Urteil zu bilden und nach diesem Urteil frei von Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln.
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Dabei geht es nicht darum, den Inhalt der letztwilligen Verfügung auf seine Angemessenheit zu beurteilen, sondern nur darum, ob sie frei von krankheitsbedingten Störungen gefasst werden konnte (vgl. zum Ganzen KG 12.1.2018 – 6 W 13/17, Rn. 33 mwN). Für das genannte Kriterium der Freiheit von Einflüssen von Dritten ist entscheidend, ob die Freiheit des Willensentschlusses gewahrt bleibt oder ob Fremdeinflüsse das Gewicht einer pathologischen Determinante erhalten, der gegenüber kritische Reserve, Abwägen und eigenständige Gegenvorstellungen nicht mehr möglich sind bzw. nicht mehr handelnd verwirklicht werden können (vgl. OLG München 17.7.2013 – 3 U 4789/09, Rn. 91; Staudinger/Baldus, BGB 2018, § 2229 BGB Rn. 35 mwN).
An der freien Willensbestimmung fehlt es, wenn infolge einer Störung der Geistestätigkeit bestimmte Vorstellungen oder Empfindungen oder Einflüsse dritter Personen den Willen des Erklärenden derart übermäßig beherrschen, dass eine Bestimmbarkeit des Willens durch vernünftige Erwägungen ausgeschlossen ist (vgl. Staudinger/Baldus aaO Rn. 42).
Folgt der Testierende hingegen in vollem Vertrauen den Vorschlägen eines Dritten ohne weitere Nachprüfung, aber bewusst und kraft eigenen Entschlusses oder sind die Vorschläge, Forderungen oder Erwartungen des Dritten bloßes Motiv für den Inhalt des Testaments, so fehlt es nicht an einer eigenen Willensentscheidung (vgl. Staudinger/Baldus aaO Rn. 48).
Ob die genannten Voraussetzungen im Einzelfall gegeben sind, hat das Gericht im Rahmen des § 37 Abs. 1 FamFG unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung festzustellen. Da die Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme bildet, ist ein Erblasser so lange als testierfähig anzusehen, als nicht die Testierunfähigkeit zur vollen Gewissheit des Gerichts feststeht; die Beweislast für die fehlende Testierfähigkeit obliegt demjenigen, der sie behauptet (vgl. BGH 23.11.2011 – IV ZR 49/11, Rn. 21).
Bei verbleibenden Zweifeln trotz Ausschöpfung aller Aufklärungsmöglichkeiten trifft die Feststellungslast auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit denjenigen, der sich auf die Unwirksamkeit des Testaments beruft (vgl. KG 7.9.1999 – 1 W 4291/98, Rn. 5).
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Der Grundsatz der Amtsermittlung verpflichtet das Gericht dabei, alle zur Sachverhaltsaufklärung dienlichen Beweise zu erheben.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass es allen denkbaren Möglichkeiten von Amts wegen nachzugehen hätte. Seine Pflicht reicht vielmehr nur so weit, als der Sachverhalt oder das Vorbringen der Beteiligten bei sorgfältiger Überlegung dazu Anlass geben.
Die Ermittlungen sind soweit auszudehnen, bis der Sachverhalt vollständig aufgeklärt ist, und abzuschließen, wenn von weiteren Ermittlungen ein sachdienliches, die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht mehr zu erwarten ist. Zu überflüssigen und nur ergänzenden Beweiserhebungen ist das Gericht nicht verpflichtet (vgl. KG 7.9.1999 – 1 W 4291/98, Rn. 9).
b) Von diesen Grundsätzen ausgehend bestehen vorliegend keine konkreten Anhaltspunkte, dass der Erblasser bei der Errichtung des Testaments am 26.5.2017 testierunfähig war.
Das Amtsgericht hat dabei verfahrensfehlerfrei die wesentlichen Aspekte im angefochtenen Beschluss angeführt. Auf die dortige Begründung wird vollinhaltlich Bezug genommen.
Herauszustellen sind dabei der Verweis auf Inhalt und Schriftbild des Testaments, die bereits auf eine hinreichend klare geistige Verfassung schließen lassen, sowie vor allem die Bekundung des Hausarztes Dr. R. Dieser hat in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 8.10.2018 erklärt, dass er den Erblasser von April bis Juli 2017 fast täglich gesehen habe und der Erblasser stets zeitlich, örtlich und zur Person orientiert gewesen sei, formale oder inhaltliche Denkstörungen hätten nicht bestanden.
Er sei am Zeitgeschehen interessiert gewesen, habe regelmäßig die Tageszeitung gelesen, ferngesehen und Sudokurätsel ausgefüllt, darüber hinaus Fachbücher über Astrophysik gelesen. Aus diesen Beschreibungen des Hausarztes ergibt sich, dass der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung keinerlei Anzeichen aufwies, die eine für die Testierunfähigkeit erforderliche krankhafte Störung der Einsichts- und Handlungsfähigkeit begründen könnten.
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Diese Eindrücke vom Erblasser fügen sich ein in den weiterhin vom Amtsgericht angeführten Umstand, dass der Erblasser im fraglichen Zeitraum auch noch Reisen unternahm und Kontakte unterhielt, ua zu seiner Geliebten Frau S. Seine gesundheitlichen Probleme nach dem Sturz im Februar 2017 bezogen sich, auch nach den Bekundungen der Zeugin J. wie auch den Angaben der Beschwerdeführerin selbst in ihrer Beschwerdeschrift, vor allem auf seinen körperlichen Zustand.
Eine krankhafte geistige Störung hingegen ist weder ersichtlich noch überhaupt, angesichts der oben beschriebenen Feststellungen, wahrscheinlich.
Das Amtsgericht hat sich mit den von der Beschwerdeführerin in erster Instanz angeführten Argumenten ausführlich und zutreffend auseinandergesetzt. Auch darauf kann vollumfänglich Bezug genommen werden. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin vorgelegten ärztlichen Untersuchungsberichte aus 1955 und 2016.
Weder lässt sich aus dem Attest aus 2016 der Beginn von Alzheimer oder einer Demenz ableiten, noch kann – selbst wenn dies so wäre – hieraus dann auf eine Testierunfähigkeit im Mai 2017 geschlossen werden. Denn Anhaltspunkte für eine solche Auswirkung auf den Geisteszustand des Erblassers im Mai 2017 finden sich im Sachverhalt, wie vom Amtsgericht festgestellt, nicht. Es bedurfte deshalb auch nicht der von der Beschwerdeführerin angeregten Einholung eines Sachverständigengutachtens oder der Beiziehung weiterer Krankenunterlagen (vgl. dazu KG 7.9.1999 – 1 W 4291/98).
Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin war eine mündliche Anhörung der Zeugen, insbesondere des Dr. R., nicht erforderlich. Nach § 29 Abs. 1 S. 1 FamFG erhebt das Gericht die Beweise in der geeigneten Form. Nach § 30 FamFG entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen, ob es die entscheidungserheblichen Tatsachen durch eine förmliche Beweisaufnahme entsprechend der Zivilprozessordnung feststellt.
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Das pflichtgemäße Ermessen erfordert dabei eine förmliche Beweisaufnahme immer dann, wenn dies zur Sachaufklärung erforderlich ist und nur so das Recht der Parteien, an der Wahrheitsermittlung mitzuwirken, gewährleistet ist (vgl. OLG Karlsruhe 8.10.2015 – 11 Wx 78/14, Rn. 12).
Ist ein Strengbeweis nicht erforderlich, kann das Nachlassgericht die notwendigen Beweise im Wege des Freibeweises erheben. Dazu gehört auch die Möglichkeit, Zeugen schriftlich zu vernehmen.
Von dieser Möglichkeit hat das Amtsgericht zulässig Gebrauch gemacht.
Gründe, die hier eine mündliche Zeugenvernehmung im Wege des Strengbeweises erforderlich gemacht hätten, sind nicht gegeben. Das von der Beschwerdeführerin ins Feld geführte Fragerecht konnte sie auch schriftlich ausüben. Sie hat davon in erster Instanz auch Gebrauch gemacht; das Amtsgericht hat diese Fragen zutreffend als für die zu klärenden Rechtsfragen unerheblich bewertet.
Soweit die Beschwerdeführerin erklärt, erst mit der mündlichen Anhörung werde der Sachverhalt „in vollem Umfange ausermittelt“ und könnten erst dann Fragen entstehen, ist dies kein im FamFG vorgesehenes Kriterium für den Strengbeweis.
Letztlich würde dieses Argument bedeuten, dass Zeugen immer mündlich anzuhören wären, weil die Möglichkeit, dass in der mündlichen Anhörung neue Aspekte und Fragen auftauchen, theoretisch immer gegeben ist. Dies hat der Gesetzgeber aber so nicht vorgesehen. Entscheidend ist deshalb, ob die schriftliche Vernehmung des Zeugen zu einer hinreichenden Ermittlung der entscheidungserheblichen Tatsachen geführt hat. Davon ist vorliegend mit dem Amtsgericht aus den oben dargestellten Gründen auszugehen.
Das Amtsgericht hat auch zu Recht an mehreren Stellen ausgeführt, dass es vorliegend für die Frage der Testierfähigkeit unerheblich ist, warum der Erblasser sein Testament geändert hat. Selbst wenn es, wie die Beschwerdeführerin meint, keine rationale Erklärung für den Sinneswandel geben würde, kann daraus nicht auf eine fehlende Testierfähigkeit geschlossen werden. Auch besteht aus den oben genannten Gründen kein Anlass zu weiteren Ermittlungen. Warum jemand sein Testament in eine bestimmte Richtung ändert, lässt sich häufig nicht aufklären.
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Aufgrund der bestehenden Testierfreiheit braucht ein Erblasser auch gar kein Motiv für eine Testamentsänderung. Einen Grundsatz oder eine Lebenserfahrung dahin gehend, dass ein fehlendes erkennbares Motiv für eine letztwillige Verfügung auf eine Testierunfähigkeit hindeutet, gibt es nicht. Es bedürfte vielmehr konkreter weiterer Anhaltspunkte, die auf eine Testierunfähigkeit schließen ließen. Daran fehlt es vorliegend.
Dass Herr Z. den Eindruck gehabt habe, der Erblasser habe „unter großem Druck“ gestanden und dass der Antragsteller gesagt habe, der Erblasser könne aufgrund des Unfalls nicht mehr so gut denken wie vorher, stellen keine hinreichenden Anhaltspunkte dar. Die Äußerung des Zeugen Z. lässt schon nicht erkennen, dass dies die Testierfähigkeit betreffen könnte. Die Äußerung des Antragstellers – seine Richtigkeit unterstellt – ließe gleichfalls keine Schlüsse dahin gehend zu, dass die Denkfähigkeit krankhaft in einem Maße eingeschränkt war, dass von Testierunfähigkeit auszugehen wäre. Dagegen sprechen bereits die eingangs angeführten Umstände und ermittelten Tatsachen.
Das Testament ist auch nicht aufgrund der von der Beschwerdeführerin erklärten Anfechtung nach § 2078 BGB unwirksam. Ein Inhalts- oder Erklärungsirrtum nach § 2078 Abs. 1 BGB wird dabei von der Beschwerdeführerin schon nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich. Nach § 2078 Abs. 2 BGB kann ein Testament auch angefochten werden, soweit der Erblasser zu der Verfügung durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstands oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist. Die Beschwerdeführerin macht insbesondere geltend, der Erblasser sei durch Drohung zur Testamentsänderung bestimmt worden, da sie mehrfach anführt, der Erblasser sei abgeschirmt und „unter Druck“ gesetzt worden.
Ob ein Anfechtungsgrund vorliegt, hat das Gericht gleichfalls unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung festzustellen. Die Beweis- und Feststellungslast trägt dabei derjenige, der die Anfechtung erklärt, hier also die Beschwerdeführerin. Anhaltspunkte, die die Feststellung eines solchen Anfechtungsgrundes tragen könnten, liegen jedoch nicht vor. Auch dies hat das Amtsgericht ausführlich und zutreffend festgestellt. Es werden hier von der Beschwerdeführerin überwiegend Mutmaßungen und Verdächtigungen geäußert, die die von ihr begehrte Feststellung nicht zu tragen vermögen und auch nicht zu weiteren Ermittlungen nötigen.
Auch hier ist es nicht ausreichend, dass die Beschwerdeführerin meint, es gebe für die Testamentsänderung keine rationale Erklärung. Auf die amtsgerichtlichen Ausführungen, insbesondere auch im Nichtabhilfebeschluss, wird hierzu Bezug genommen. Der Erblasser braucht für eine Testamentsänderung kein Motiv, und aus einem nicht feststellbaren Motiv lässt sich nicht auf eine Anfechtungslage nach § 2078 BGB rückschließen, selbst dann nicht, wenn eine Person komplett enterbt werden würde (vgl. KG 10.7.2018 – 6 W 35/18 Rn. 15).
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Die Äußerung des Zeugen Z., er habe den Eindruck gehabt, dass der Erblasser bei Anwesenheit des Antragstellers unter großem Druck gestanden habe, genügt auch hier nicht, um auf eine Bestimmung des Erblassers durch Drohung schließen zu können, ebensowenig der Eindruck, der Erblasser sei 2017 „abgetaucht“ und durch den Antragsteller abgeschirmt worden.
Dass dies ohne den Willen des Erblassers geschah und dieser in der Folge durch eine – nicht näher beschriebene – Drohung zur Testamentsänderung bestimmt wurde, ist weder konkret vorgetragen noch lässt sich dies aus den vorgetragenen Behauptungen ableiten. Anknüpfungspunkte, die weitere Ermittlungen erforderlich machen würden, bestehen deshalb entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin nicht.
Aus diesen Gründen war es auch nicht geboten, weitere Zeugen, den Antragsteller oder die Beschwerdeführerin hierzu mündlich anzuhören oder zu vernehmen. Soweit die Beschwerdeführerin ihre Anhörung beantragt hat, hat der Senat deshalb davon abgesehen.
Die Beschwerdeführerin hat sich in erster und zweiter Instanz ausführlich schriftlich geäußert und dadurch ihr rechtliches Gehör wahrgenommen. Darüber hinausgehender Aufklärungsbedarf von Seiten des Gerichts besteht nicht.
Die Voraussetzungen, unter denen nach § 34 FamFG das Gericht zur persönlichen Anhörung verpflichtet ist, liegen demnach nicht vor. Die Durchführung eines Erörterungstermins liegt nach § 32 Abs. 1 FamFG im Ermessen des Nachlassgerichts.
Dies gilt gleichermaßen für das Beschwerdegericht, da sich das Beschwerdeverfahren gemäß § 68 Abs. 3 S. 1 FamFG nach den Vorschriften für das erstinstanzliche Verfahren richtet (vgl. dazu ausführlich OLG Schleswig 14.1.2010 – 3 Wx 92/09).
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