KG Berlin 8 U 144/09 – Wohnsitzanspruch eines Mitglieds einer Adelsfamilie

Januar 19, 2018

KG Berlin 8 U 144/09 – Wohnsitzanspruch eines Mitglieds einer Adelsfamilie

RA und Notar Krau

Der 8. Zivilsenat des Kammergerichts Berlin entschied in dem Fall 8 U 144/09 über einen Herausgabeanspruch von Nachlassgegenständen.

Dabei ging es insbesondere um das Haus in Berlin, das von einem Mitglied der Hohenzollernfamilie bewohnt wurde, und um die Rechte des Testamentsvollstreckers.

Der Testamentsvollstrecker kann gemäß § 2205 BGB Nachlassgegenstände in Besitz nehmen, doch dies begründet keinen isolierten Herausgabeanspruch gegenüber Dritten.

Der Testamentsvollstrecker vertritt das Recht des Erben und muss sich daher alle Einwendungen entgegenhalten lassen, die auch gegen den Erben geltend gemacht werden könnten.

Der Kläger, ein Testamentsvollstrecker im Nachlass des verstorbenen Kronprinzen Wilhelm von Preußen, forderte die Herausgabe des Grundstücks.

Die Beklagte, die dritte Ehefrau eines weiteren Familienmitglieds, lebte mit ihrem Mann im Haus und machte ein Zurückbehaltungsrecht geltend.

KG Berlin 8 U 144/09 – Wohnsitzanspruch eines Mitglieds einer Adelsfamilie

Sie argumentierte, dass ihr und ihrem Ehemann ein Anspruch auf eine angemessene Wohnsitzgewährung zustehe,

da dies Teil der Versorgungsverpflichtungen des Hausgesetzes von 1920 und des Hauptvertrags von 1938 sei.

Diese Verträge, die nach der Auflösung des Familienfideikommisses weiterhin Gültigkeit hätten, sahen Versorgungsleistungen wie Apanagen und Wohnsitze vor.

Das Gericht erkannte den Herausgabeanspruch des Testamentsvollstreckers an, entschied aber, dass die Beklagte das Grundstück

nur Zug um Zug gegen die Überlassung einer der angebotenen Wohnungen in Berlin oder Potsdam herauszugeben sei.

Somit wurde der Anspruch teilweise zugunsten der Kläger bestätigt, jedoch unter der Bedingung, dass die Beklagte einen adäquaten Ersatzwohnsitz erhält.

Das Urteil betont, dass durch den Hauptvertrag von 1938 keine unzulässige Umgehung des Erbrechts vorliegt und die Verpflichtungen des Vermögensnachfolgers auch auf dessen Erben übergehen.

Versorgungsansprüche können somit auch nach dem Tod des Erblassers geltend gemacht werden, wenn diese auf vertraglichen Verpflichtungen beruhen.

KG Berlin 8 U 144/09 – Wohnsitzanspruch eines Mitglieds einer Adelsfamilie

Allgemein:

Ein Familienfideikommiss war eine besondere Form der Vermögensbindung, die darauf abzielte, einen bestimmten Nachlass (meist Grundbesitz und Immobilien)

über Generationen hinweg ungeteilt in der Familie zu erhalten.

Funktionsweise:

  • Der Erblasser bestimmte in seinem Testament, dass ein Teil seines Nachlasses als Fideikommissvermögen unveräußerlich und unteilbar innerhalb der Familie vererbt werden sollte.
  • Das Fideikommissvermögen wurde rechtlich in Obereigentum und Nutzungseigentum aufgeteilt.
  • Das Obereigentum stand der Familie als Ganzes zu.
  • Das Nutzungseigentum hatte jeweils nur ein Familienmitglied inne, typischerweise der jeweilige Familiensenior oder der älteste Sohn.
  • Der Nutzungsberechtigte durfte das Fideikommissvermögen nicht veräußern oder belasten, sondern nur die Erträge (z.B. Mieteinnahmen) nutzen.
  • Die Erbfolge innerhalb der Familie wurde im Testament festgelegt, meist nach dem Prinzip der Primogenitur (Vererbung an den ältesten Sohn).

KG Berlin 8 U 144/09 – Wohnsitzanspruch eines Mitglieds einer Adelsfamilie

Zweck:

  • Erhaltung des Familienvermögens: Das Familienfideikommiss sollte verhindern, dass das Familienvermögen durch Erbteilung oder Verschwendung aufgeteilt oder verkleinert wird.
  • Sicherung der wirtschaftlichen Grundlage der Familie: Das Fideikommissvermögen sollte die wirtschaftliche Grundlage der Familie über Generationen hinweg sichern.
  • Stärkung des Familienansehens: Ein großes Fideikommissvermögen trug zum Ansehen und zur Macht der Familie bei.

Auflösung:

  • Gesetzliche Regelungen: In Deutschland wurden Familienfideikommisse durch das Reichsgesetz über das Erlöschen der Familienfideikommisse vom 6. Juli 1938 weitgehend aufgelöst.
  • Freiwillige Auflösung: In einigen Fällen konnten Familienfideikommisse auch durch Vereinbarung der Familienmitglieder aufgelöst werden.

Heutige Bedeutung:

  • Familienfideikommisse spielen heute in Deutschland keine große Rolle mehr, da sie gesetzlich weitgehend abgeschafft wurden.
  • In einigen anderen Ländern, z.B. Österreich, gibt es noch vereinzelt Familienfideikommisse.
  • Die Idee der Vermögensbindung über Generationen hinweg findet sich heute in anderen Rechtsinstituten wieder, z.B. in Stiftungen oder Trusts.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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