Klageerhebung wegen nicht in § 27 ZPO genannter Nachlassverbindlichkeiten im Gerichtsstand der Erbschaft
OLG Naumburg, Beschl. v. 27. 11. 2013 – 1 AR 25/13
Gerne fasse ich das Thema Klageerhebung wegen Nachlassverbindlichkeiten am Gerichtsstand der Erbschaft zusammen.
Wenn jemand stirbt, hinterlässt er oft nicht nur Vermögen, sondern auch Schulden (sogenannte Nachlassverbindlichkeiten). Die Erben treten in diese Verpflichtungen ein. Die zentrale Frage ist dann: Vor welchem Gericht muss man klagen, um diese Schulden einzutreiben oder Ansprüche geltend zu machen?
Grundsätzlich gilt in Deutschland, dass man dort klagt, wo der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (meistens sein Wohnort). Im Erbrecht gibt es aber eine wichtige Ausnahme: den Gerichtsstand der Erbschaft.
Der Gerichtsstand der Erbschaft ist das Gericht, in dessen Bezirk der Erblasser (der Verstorbene) zum Zeitpunkt seines Todes seinen allgemeinen Gerichtsstand (Wohnort) hatte.
Dieser besondere Gerichtsstand soll die Abwicklung des Nachlasses vereinfachen, da alle wichtigen Angelegenheiten (wie die Verteilung des Vermögens, aber auch die Klagen gegen die Erben wegen Nachlassschulden) an einem Ort gebündelt werden können.
Der Paragraph § 27 der Zivilprozessordnung (ZPO) zählt eine Reihe von Klagen auf, die immer am Gerichtsstand der Erbschaft erhoben werden können. Dazu gehören die „klassischen“ Klagen gegen die Erben, die direkt die Verwaltung, Teilung oder die typischen Schulden des Verstorbenen betreffen.
Die Erweiterung des Gerichtsstands
Der Paragraph § 28 ZPO erweitert diesen Gerichtsstand der Erbschaft erheblich. Er besagt, dass auch Klagen wegen Nachlassverbindlichkeiten, die nicht in dem abschließenden Katalog des § 27 ZPO genannt sind, am Gerichtsstand der Erbschaft erhoben werden können.
Fast alle Klagen, die sich gegen die Erben wegen Schulden oder Verpflichtungen aus dem Nachlass richten, können vor diesem einen Gericht geführt werden. Dies ist ein besonderer gemeinschaftlicher Gerichtsstand für alle Erben.
Das Urteil des OLG Naumburg, auf das Sie sich beziehen, ist ein gutes Beispiel dafür, welche Ansprüche unter diese erweiterte Regelung des § 28 ZPO fallen.
Es ging um die Ansprüche eines Lebenspartners (im weitesten Sinne ein nichtehelicher Partner), der während des Zusammenlebens Leistungen (z. B. Geld oder Arbeitskraft) zugunsten des Eigentums des anderen Partners erbracht hatte, etwa um dessen Haus zu bauen oder zu verbessern.
Mit dem Tod des Partners verfehlt diese Leistung ihren Zweck. Der überlebende Partner hatte die Leistung in Erwartung erbracht, dass die Partnerschaft fortbesteht und er dauerhaft von dem verbesserten Eigentum profitieren kann. Durch den Tod fällt dieser Nutzen weg. Der überlebende Partner hat daher einen Anspruch auf Rückzahlung bzw. Ausgleich gegen die Erben des Verstorbenen (Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 S. 2 BGB).
Das Gericht hat entschieden, dass diese Ausgleichsansprüche, obwohl sie vielleicht nicht sofort wie „klassische“ Schulden des Verstorbenen erscheinen, dennoch Nachlassverbindlichkeiten sind.
Diese Verpflichtungen (hier: der Anspruch auf Ausgleich/Rückgabe) sind sogenannte Erblasserschulden. Der Grund für die Verpflichtung wurde bereits vom Erblasser selbst gesetzt (indem er die Leistung annahm). Nur die Pflicht zur Rückgabe (Herausgabepflicht) tritt erst mit dem Erbfall ein.
Da es sich um eine Nachlassverbindlichkeit handelt, kann der überlebende Partner seine Klage gegen die Erben vor dem Gerichtsstand der Erbschaft erheben (§ 28 ZPO).
Wenn Sie als Gläubiger (jemand, dem Geld zusteht) Schulden vom Nachlass eintreiben müssen oder als Erbe verklagt werden, gilt Folgendes:
Sowohl die typischen Erbschaftsstreitigkeiten (§ 27 ZPO) als auch Klagen wegen anderer Schulden oder Verpflichtungen, die der Verstorbene zu Lebzeiten begründet hat (§ 28 ZPO), können am Gerichtsstand der Erbschaft geführt werden.
Dieser Gerichtsstand ist das Gericht, in dessen Bezirk der Verstorbene zuletzt gewohnt hat.
Dies gilt auch für speziellere Ausgleichsansprüche, wie die eines Lebenspartners, der in das Eigentum des Verstorbenen investiert hat. Diese Ansprüche werden als Erblasserschulden angesehen, weil ihr Ursprung noch in der Zeit zu Lebzeiten des Verstorbenen liegt.
Es ist ein einheitlicher Gerichtsstand für alle Erben, was die Rechtsverfolgung zentralisiert und vereinfacht. Man muss nicht herausfinden, wo jeder einzelne Erbe wohnt, um ihn zu verklagen.
Fast alle Klagen, die sich gegen Erben wegen Angelegenheiten rund um den Nachlass richten, können vor dem Gericht am letzten Wohnort des Verstorbenen erhoben werden.
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