Klarheit im Erbfall: Ihr Recht auf ein vollständiges Nachlassverzeichnis
Als Rechtsanwalt und Notar Krau möchte ich Ihnen heute ein wichtiges Thema näherbringen: das notarielle Nachlassverzeichnis.
Wenn Sie pflichtteilsberechtigt sind, haben Sie das Recht, vom Erben genaue Auskunft über den Nachlass zu erhalten.
Dies geschieht oft über ein solches Verzeichnis. Doch wann ist dieses Verzeichnis wirklich „vollständig“ und wann können Sie eine Ergänzung verlangen? Das klären wir jetzt.
Stellen Sie sich vor, Sie sind pflichtteilsberechtigt. Das bedeutet, Sie haben einen gesetzliches Recht in Form eines Zahlungsanspruches auf die Hälfte des Wertes Ihres gesetzlichen Erbes.
Sie haben nur den Zahlungsanspruch. An das Erbe selbst kommen Sie nicht heran.
Um diesen Anspruch zu berechnen, brauchen Sie natürlich eine genaue Übersicht über das Vermögen des Verstorbenen.
Hier kommt der Erbe ins Spiel: Er muss Ihnen auf Verlangen ein notarielles Nachlassverzeichnis vorlegen. Das ist wie eine Inventur des gesamten Nachlasses, erstellt von einem Notar.
Ein Nachlassverzeichnis gilt als „fertig“, wenn der Erbe und der Notar der Meinung sind, dass sie alle erforderlichen Informationen sorgfältig gesammelt und übersichtlich aufgeschrieben haben.
Es ist wichtig zu verstehen: Es geht hier zunächst um die Form, nicht unbedingt um die absolute Richtigkeit jedes einzelnen Details.
Das bedeutet:
Der Notar muss das Verzeichnis unterschreiben.
Er muss seine eigenen Nachforschungen und die Angaben des Erben darin festhalten.
Das Verzeichnis muss klar und übersichtlich sein, mit allen Vermögenswerten und Schulden.
Ein Notar darf die Aufnahme eines Verzeichnisses nicht verweigern, nur weil noch Unsicherheiten bestehen. Er muss diese Unsicherheiten im Verzeichnis festhalten und seine Zweifel offenlegen.
Manchmal ist ein vorgelegtes Verzeichnis leider unvollständig. Hier unterscheiden wir:
Offensichtliche Lücken: Ganze Bereiche fehlen
Fehlen im Verzeichnis ganze Vermögensgruppen, wie zum Beispiel:
Der komplette Hausrat
Vermögen im Ausland
Sogenannter „fiktiver Nachlass“ (Schenkungen des Erblassers zu Lebzeiten, die den Pflichtteil beeinflussen können)
Dann ist das Verzeichnis formal unvollständig. Sie können vom Erben eine Ergänzung verlangen. Das ist wie das Nachfordern fehlender Kapitel in einem Buch.
Wenn das Verzeichnis zwar alle Bereiche umfasst, aber in Details fehlerhaft oder ungenau ist (z.B. eine Uhr oder ein Gemälde fehlt, aber der Hausrat insgesamt aufgeführt ist),
haben Sie nicht automatisch einen Anspruch auf eine Ergänzung oder Berichtigung des Verzeichnisses.
In solchen Fällen bleibt Ihnen meist nur die Möglichkeit, eine sogenannte eidesstattliche Versicherung zu verlangen.
Das bedeutet, der Erbe muss vor Gericht versichern, dass seine Angaben nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig sind.
Eine falsche eidesstattliche Versicherung kann ernsthafte strafrechtliche Folgen haben.
In der Praxis zeigt sich oft, dass die eidesstattliche Versicherung allein nicht immer ausreicht, um alle Informationen zu erhalten.
Deswegen hat der Bundesgerichtshof (BGH) in bestimmten Fällen einen Anspruch auf Ergänzung zugelassen.
Sie können eine Ergänzung verlangen, wenn:
Der Notar sich nur auf die Angaben des Erben verlassen und nicht selbst ermittelt hat.
Der Erbe sich nicht ausreichend Wissen beschafft hat, obwohl es ihm möglich gewesen wäre.
Im Verzeichnis eine unbestimmte Mehrheit von Nachlassgegenständen fehlt (z.B. weil der Erbe diese irrtümlich nicht zum Nachlass zählte, wie Schenkungen oder den fiktiven Nachlass).
In diesen Situationen können Sie darauf bestehen, dass das Verzeichnis vervollständigt wird.
Um Missverständnissen und Streitigkeiten vorzubeugen, empfehle ich Erben und Notaren, dem Nachlassverzeichnis eine Dokumentation der Recherchemaßnahmen beizufügen.
So sehen Sie als Pflichtteilsberechtigter genau, welche Schritte unternommen wurden.
Haben Sie Fragen zu Ihrem Pflichtteil oder einem Nachlassverzeichnis? Zögern Sie nicht, sich beraten zu lassen.
Ihr RA und Notar Krau