Kollision Erb- und Sachstatut – Behandlung ausländischen Vindikationslegats an deutschem Grundstück als inländisches Damnationslegat

Mai 7, 2020

Kollision Erb- und Sachstatut – Behandlung ausländischen Vindikationslegats an deutschem Grundstück als inländisches Damnationslegat

BGH IV ZR 95/93

RA und Notar Krau

Internationales Privatrecht – Kollision zwischen Erb- und Sachstatut

Ausgangslage

Der Kläger, Erbe eines in Kolumbien verstorbenen Kolumbianers, beansprucht aufgrund eines Testaments das Eigentum an einem in Deutschland gelegenen Grundstück.

Der Erblasser hatte in Kolumbien ein Testament errichtet, das nach kolumbianischem Recht (Vindikationslegat) dem Vermächtnisnehmer unmittelbar dingliche Rechte verleiht.

Der Kläger verlangt daher die Berichtigung des deutschen Grundbuchs.

Der Beklagte, ebenfalls Erbe, argumentiert, dass ein solches Vermächtnis in Deutschland nur schuldrechtliche Wirkungen hat und daher die Klage unzulässig sei.

Prozessverlauf

  1. Erstinstanz: Landgericht Münster gab dem Kläger Recht.
  2. Berufung: Oberlandesgericht Hamm bestätigte die Entscheidung des Landgerichts.
  3. Revision: Der Beklagte legte Revision beim BGH ein.

Kollision Erb- und Sachstatut – Behandlung ausländischen Vindikationslegats an deutschem Grundstück als inländisches Damnationslegat

Entscheidungsgründe des BGH

  1. Internationale Zuständigkeit: Das deutsche Gericht ist zuständig, da es um die Berichtigung des deutschen Grundbuchs geht.
  2. Anwendung deutschen Sachenrechts: Obwohl das kolumbianische Recht dingliche Wirkung eines Vermächtnisses kennt, gilt dies nicht für in Deutschland belegene Grundstücke. Nach deutschem Sachenrecht wird Eigentum an Grundstücken nur durch Eintragung ins Grundbuch erworben.
  3. Unwirksamkeit des Vindikationslegats: Ein ausländisches Vindikationslegat kann in Deutschland keine unmittelbare dingliche Wirkung haben. Es wird hier als Damnationslegat behandelt, das nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf Übereignung begründet.
  4. Formgültigkeit des Testaments: Das Testament ist nach dem Haager Testamentsübereinkommen formwirksam, obwohl Kolumbien nicht Vertragsstaat ist. Entscheidend ist, dass die Form den Anforderungen des Rechts des Ortes entspricht, an dem das Grundstück liegt (Deutschland).
  5. Keine Rückverweisung: Das kolumbianische Kollisionsrecht verweist nicht auf deutsches Recht zurück. Es bleibt bei der Anwendung des kolumbianischen Erbstatuts.
  6. Hilfsantrag auf Auflassung: Der BGH verweist die Sache zur Entscheidung über den Hilfsantrag an das Berufungsgericht zurück, da der Kläger neben der Berichtigung des Grundbuchs auch die Auflassung und Einwilligung in die Grundbuchänderung verlangt.

Rechtliche Erwägungen

  1. Erbstatut vs. Sachstatut: Während das Erbstatut (kolumbianisches Recht) die Rechtsnachfolge regelt, bestimmt das Sachstatut (deutsches Recht) die Modalitäten des Eigentumserwerbs an Grundstücken in Deutschland.
  2. Vorrang der lex rei sitae: Nach deutschem internationalen Privatrecht ist für dingliche Rechte das Recht des Belegenheitsorts der Sache maßgeblich. Ein ausländisches Erbrecht kann daher keine unmittelbare dingliche Wirkung auf in Deutschland belegene Grundstücke entfalten.
  3. Gesamtrechtsnachfolge: Der Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge im deutschen Erbrecht wird durch das kolumbianische Vindikationslegat nicht durchbrochen. Auch wenn das ausländische Recht unmittelbare dingliche Wirkungen vorsieht, bleibt es bei der Anwendung des deutschen Sachenrechts.

Kollision Erb- und Sachstatut – Behandlung ausländischen Vindikationslegats an deutschem Grundstück als inländisches Damnationslegat

Bedeutung der Entscheidung

Dieses Urteil des BGH unterstreicht die strikte Anwendung des deutschen Sachenrechts auf in Deutschland belegene Grundstücke, selbst wenn ausländisches Erbrecht zur Anwendung kommt.

Die Entscheidung zeigt die Grenzen internationaler Erbstatute auf und betont die Unvereinbarkeit eines unmittelbaren dinglichen Erwerbs durch Vindikationslegate mit dem deutschen Rechtssystem.

Es verdeutlicht auch die Notwendigkeit, ausländische Testamente nach den Formvorschriften des Haager Testamentsübereinkommens zu bewerten.

Zusammenfassung des Falls

  • Kläger: Erbe, der durch kolumbianisches Testament ein Grundstück in Deutschland vermacht bekommen hat.
  • Beklagter: Weitere Erbe, der die dingliche Wirkung des Vermächtnisses bestreitet.
  • Streitgegenstand: Berichtigung des Grundbuchs und Auflassung des Grundstücks.
  • Entscheidung: Keine dingliche Wirkung des kolumbianischen Vindikationslegats in Deutschland; Rückverweisung zur Entscheidung über den Hilfsantrag.

Fazit

Das Urteil stellt klar, dass ein ausländisches Vermächtnis, das unmittelbare dingliche Wirkungen entfaltet, in Deutschland nur als schuldrechtlicher Anspruch behandelt wird.

Dies schützt die Integrität des deutschen Sachenrechts und sichert die Rechte der Nachlassgläubiger.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

§ 2270 BGB nur auf gemeinschaftliches Testament und nicht auf Verfügungen in Erbvertrag anwendbar

§ 2270 BGB nur auf gemeinschaftliches Testament und nicht auf Verfügungen in Erbvertrag anwendbar

Mai 12, 2025
§ 2270 BGB nur auf gemeinschaftliches Testament und nicht auf Verfügungen in Erbvertrag anwendbarRA und Notar KrauDas Urteil des Bundesgeric…
Entlassung des Testamentsvollstreckers wegen beleidigender Äußerungen über Erben

Entlassung des Testamentsvollstreckers wegen beleidigender Äußerungen über Erben

Mai 8, 2025
Entlassung des Testamentsvollstreckers wegen beleidigender Äußerungen über ErbenOLG Zweibrücken Beschluss vom 17.2.2025 –&nb…
Kostenentscheidung in einem Nachlassverfahren

Kostenentscheidung in einem Nachlassverfahren

Mai 8, 2025
Kostenentscheidung in einem NachlassverfahrenRA und Notar KrauIn dem vorliegenden Beschluss des Bundesgerichtshofs (IV ZB 18/24) vom 23. Apr…