Kompetenzkonflikt zwischen Spruchkörpern desselben Gerichts
BGH X ARZ 3/22
Der Bundesgerichtshof hat in einem Beschluss vom 26. Juli 2022 entschieden, dass bei einem negativen Kompetenzkonflikt zwischen Spruchkörpern desselben Gerichts der zuständige Spruchkörper
in analoger Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu bestimmen ist, wenn die Zuständigkeit zumindest eines an dem Kompetenzkonflikt beteiligten Spruchkörpers auf einer gesetzlichen Zuständigkeitsregelung
beruht und die Entscheidung des Konflikts von deren Reichweite und nicht von der Auslegung des Geschäftsverteilungsplans abhängt.
Hintergrund des Falls:
Im vorliegenden Fall ging es um die Bestimmung des zuständigen Zivilsenats zur Entscheidung über eine Berufung.
Der Kläger hatte die Beklagte auf Rückabwicklung eines Vertrags über den Erwerb von Bäumen in Brasilien in Anspruch genommen.
Die Beklagte war eine Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts mit Sitz in Zürich.
Das Landgericht hatte die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 10.244,88 Euro nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückübertragung des Eigentums an den Bäumen verurteilt.
Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten war in den Turnus für allgemeine Zivilsachen eingetragen und dem 19. Zivilsenat des Berufungsgerichts zugeteilt worden.
Dieser hatte sich durch Beschluss für unzuständig erklärt und die Sache dem 13. Zivilsenat zur Übernahme vorgelegt, dem nach dem Geschäftsverteilungsplan
die Zuständigkeit für Streitigkeiten aus Bank- und Finanzgeschäften im Sinne von § 119a Abs. 1 Nr. 1 GVG zugewiesen ist.
Der 13. Zivilsenat hatte seine Zuständigkeit ebenfalls verneint und den nach dem Geschäftsverteilungsplan
für Gerichtsstandbestimmungsverfahren zuständigen 8. Zivilsenat um Entscheidung über die Zuständigkeit ersucht.
Der 8. Zivilsenat wollte den 13. Zivilsenat für zuständig erklären, sah sich hieran jedoch durch ein Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz gehindert.
Deshalb hatte er das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 36 Abs. 3 und Abs. 1 Nr. 6 ZPO dem Bundesgerichtshof vorgelegt.
Entscheidung des BGH:
Der BGH hat entschieden, dass die Vorlage zulässig ist und der 13. Zivilsenat zuständig ist.
Zur Begründung hat der BGH ausgeführt, dass § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zwar nach seinem Wortlaut voraussetze, dass sich verschiedene Gerichte rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.
Streitigkeiten unter verschiedenen Spruchkörpern desselben Gerichts über ihre Zuständigkeit fielen grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift.
§ 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sei jedoch entsprechend anwendbar, wenn mehrere Spruchkörper desselben Gerichts um ihre Zuständigkeit streiten
und die Entscheidung des Kompetenzkonflikts nicht von der Auslegung des Geschäftsverteilungsplans abhänge, sondern auf der Grundlage einer gesetzlichen Zuständigkeitsregelung zu treffen sei.
Im vorliegenden Fall sei die Regelung in § 119a Abs. 1 GVG eine gesetzlich geregelte Zuständigkeitsverteilung.
Deshalb sei ein Konflikt über eine durch diese Vorschrift begründete Zuständigkeit nicht vom Präsidium zu entscheiden. Vielmehr sei § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO entsprechend anzuwenden.
Ein negativer Kompetenzkonflikt im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liege im Streitfall vor.
Die beiden mit der Sache befassten Zivilsenate des Berufungsgerichts hätten sich jeweils durch einen den Parteien bekannt gegebenen Beschluss für unzuständig erklärt.
Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidungen sehe das Gesetz nicht vor.
Die Entscheidung, mit der sich der 19. Zivilsenat für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit dem 13. Zivilsenat vorgelegt habe, sei für diesen entsprechend § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO bindend.
Fazit:
Der BGH hat in seinem Beschluss klargestellt, dass bei einem negativen Kompetenzkonflikt zwischen Spruchkörpern desselben Gerichts § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO analog anzuwenden ist,
wenn die Zuständigkeit zumindest eines an dem Kompetenzkonflikt beteiligten Spruchkörpers auf einer gesetzlichen Zuständigkeitsregelung beruht.
In einem solchen Fall ist die Entscheidung des Spruchkörpers, der sich zuerst für unzuständig erklärt hat, für den anderen Spruchkörper bindend.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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