Konto eines Juden aus Nazi-Zeit – Erbe geht leer aus
OLG Hamm, Urteil vom 07.05.2025 – 31 U 10/24
In einer bemerkenswerten juristischen Auseinandersetzung hat das Oberlandesgericht Hamm (OLG Hamm) entschieden, dass der Erbe einer jüdischen Familie aus Hagen keine Ansprüche mehr auf ein
Konto geltend machen kann, das seine Vorfahren im Jahr 1932, inmitten der aufkommenden nationalsozialistischen Herrschaft, eingerichtet hatten.
Das Gericht urteilte, dass sämtliche Ansprüche auf dieses Vermögen seit den 1970er Jahren verjährt seien, womit der Erbe trotz des historischen Unrechts
und des mutmaßlichen Verlusts des Vermögens seiner Familie leer ausgeht.
Die Richter des OLG Hamm begründeten ihre Entscheidung damit, dass der Gesetzgeber die Verjährungsfristen bewusst so lange bemessen habe, um den Opfern der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft eine „faire Chance“ einzuräumen, ihre Ansprüche rechtzeitig geltend zu machen.
Diese Frist sei nunmehr abgelaufen, weshalb das Geldinstitut sich rechtmäßig auf die Verjährung berufen könne.
Darüber hinaus wies das Gericht die Argumentation des Erben zurück, wonach sich die Sparkasse aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht auf die Verjährung berufen dürfe.
Die Richter sahen weder das im Grundgesetz verankerte Eigentumsrecht noch den Gleichheitsgrundsatz durch die gesetzlichen Verjährungsfristen verletzt.
Eine Vorlage des Falls an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erachtete das OLG Hamm als nicht notwendig.
Der Fall nimmt seinen Ursprung im Jahr 1932, als ein jüdischer Metzgermeister in Hagen ein großzügiges Geldvermögen auf einem Konto deponierte.
Dieses Kapital war als Mitgift für seine Tochter bestimmt.
Angesichts der zunehmenden Repressionen und Verfolgungen durch das nationalsozialistische Regime emigrierte das junge jüdische Paar bald darauf in die Schweiz.
In den folgenden Jahren unternahmen sie wiederholte, jedoch letztendlich erfolglose Versuche, an das in Deutschland befindliche Geld zu gelangen.
Die Umstände der NS-Zeit und die damit verbundenen Enteignungsmaßnahmen ließen diese Bemühungen scheitern.
Jahrzehnte später, nachdem der Erbe zufällig auf Hinweise zu diesem alten Konto gestoßen war, forderte er von der zuständigen Sparkasse Einsicht in die relevanten Akten.
Sein primäres Ziel war die Auszahlung des mutmaßlichen Vermögens seiner Vorfahren, das seiner Familie während der NS-Zeit auf tragische Weise entgangen war.
Die Sparkasse wies diese Forderung jedoch entschieden zurück und berief sich auf die eingetretene Verjährung der Ansprüche.
Angesichts dieser ablehnenden Haltung seitens des Geldinstituts verfolgte der Nachfahre seinen Anspruch juristisch weiter.
Neben dem primären Antrag auf Auskunft über das Konto und die Auszahlung des Vermögens stellte er hilfsweise einen Antrag auf Schadensersatz.
Er argumentierte, dass die Sparkasse eine moralische und möglicherweise auch eine rechtliche Verpflichtung habe, die historischen Umstände und das erlittene Unrecht angemessen zu berücksichtigen.
Das nun ergangene Urteil des OLG Hamm stellt eine bedeutende Niederlage für den Erben dar.
Es unterstreicht die strikte Anwendung der Verjährungsfristen im deutschen Rechtssystem, selbst in Fällen, die mit den Gräueltaten der NS-Zeit in Verbindung stehen.
Die Entscheidung des Gerichts mag für viele Beobachter und insbesondere für die Nachkommen von NS-Opfern als unbefriedigend erscheinen,
da sie die historische Dimension des Falles und das erlittene Leid der Familie in den Hintergrund zu drängen scheint.
Es ist wichtig zu betonen, dass das Urteil des OLG Hamm noch nicht rechtskräftig ist.
Der zuständige Senat hat zwar die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, dem Erben steht jedoch die Möglichkeit offen, gegen diese Nichtzulassung Beschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) einzulegen.
Sollte der BGH die Beschwerde zulassen, würde der Fall in der nächsten Instanz erneut verhandelt und die rechtliche Bewertung der Verjährungsfrage
sowie der verfassungsrechtlichen Aspekte einer erneuten Prüfung unterzogen.
Die Entscheidung des OLG Hamm wirft erneut die komplexe Frage nach dem Umgang mit Vermögenswerten auf, die jüdischen Familien während der NS-Zeit entzogen wurden.
Während in den Nachkriegsjahrzehnten verschiedene Gesetze und Initiativen geschaffen wurden, um NS-Opfern und ihren Erben eine gewisse Wiedergutmachung zukommen zu lassen,
zeigt dieser Fall die Grenzen dieser Bemühungen auf, insbesondere wenn lange Verjährungsfristen greifen.
Die Argumentation des OLG Hamm, dass die Verjährungsfristen bewusst lang bemessen wurden, um Opfern eine faire Chance zu geben,
ihre Ansprüche geltend zu machen, mag aus juristischer Sicht nachvollziehbar sein.
In der konkreten Situation des Erben, der erst spät von der Existenz des Kontos erfuhr, greift diese Argumentation jedoch möglicherweise zu kurz.
Die Umstände der NS-Zeit, die Vertreibung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung sowie die oft schwierige Beweislage nach Jahrzehnten können es den Nachkommen erschweren oder gar unmöglich
machen, rechtzeitig von solchen Vermögenswerten Kenntnis zu erlangen und ihre Ansprüche geltend zu machen.
Die Entscheidung des OLG Hamm könnte daher eine erneute Debatte über die Angemessenheit und die ethischen Implikationen von Verjährungsfristen
in Fällen von NS-Raubgut und enteignetem Vermögen auslösen.
Während das Rechtsprinzip der Verjährung grundsätzlich der Rechtssicherheit dient, stellt sich in solchen historischen Kontexten die Frage, ob nicht eine differenziertere Betrachtung und möglicherweise eine
Anpassung der Regeln geboten wären, um den besonderen Umständen und der historischen Verantwortung Deutschlands gerecht zu werden.
Es bleibt abzuwarten, ob der Erbe von seinem Recht Gebrauch machen wird, Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision einzulegen,
und wie der Bundesgerichtshof gegebenenfalls in dieser Angelegenheit entscheiden wird.
Der Fall verdeutlicht auf jeden Fall die anhaltende Bedeutung der Auseinandersetzung mit den Folgen der NS-Zeit und die komplexen juristischen und moralischen Fragen,
die sich im Umgang mit dem Vermögen der Opfer stellen.
Die Entscheidung des OLG Hamm mag juristisch fundiert sein, sie hinterlässt jedoch ein Gefühl der Ungerechtigkeit angesichts des historischen Unrechts,
das der jüdischen Familie widerfahren ist und dessen materielle Folgen nunmehr endgültig zu verjähren scheinen.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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