Kosten für Weg – Nutzung durch mehrere Parteien

Juni 12, 2025

Kosten für Weg – Nutzung durch mehrere Parteien

AG Oldenburg, Az.: 10 C 25/17, Urteil vom 07.06.2018

RA und Notar Krau

Es geht um ein Urteil des Amtsgerichts Oldenburg vom 7. Juni 2018. Der Kernpunkt des Streits ist die Frage, wer die Kosten für die Instandhaltung und Pflege eines Zugangswegs tragen muss, der von mehreren Parteien genutzt wird.

Die Ausgangssituation

Die Parteien sind Eigentümer von Wohnungen in einer Anlage in Oldenburg. Diese Anlage liegt auf einem sogenannten „Hinterliegergrundstück“. Das bedeutet, um dorthin zu gelangen, muss man über ein anderes Grundstück, das „Vorderliegergrundstück“, fahren oder gehen. Für diesen Zugangsweg gibt es ein Wegerecht (Grunddienstbarkeit), das im Grundbuch eingetragen ist. Dieses Recht erlaubt es den Eigentümern der Wohnanlage, den Weg zu nutzen.

Ursprünglich gab es eine Vereinbarung zwischen dem Bauträger der Wohnanlage und dem Eigentümer des Vordergrundstücks. Diese Vereinbarung besagte, dass der Bauträger für die ersten fünf Jahre die Kosten für die Instandhaltung des Weges (Winterdienst, Reinigung, Reparaturen) trägt und danach die Kosten im Verhältnis 60% (Wohnanlage) zu 40% (Vordergrundstückseigentümer) aufgeteilt werden.

Das Problem: Diese Kostenregelung wurde nicht in alle Kaufverträge der einzelnen Wohnungseigentümer übernommen. Die Klägerin, die zwei Wohnungen besitzt, hatte diese Regelung zum Beispiel nicht in ihrem Vertrag.

Der Streitpunkt

Die Wohnungseigentümergemeinschaft beschloss in einer Versammlung, eine Firma zu beauftragen, die sich um die Verkehrssicherungspflichten (Räumen, Streuen) und Reinigungsarbeiten auf dem gesamten Gemeinschaftseigentum, einschließlich des Zugangswegs, kümmern sollte. Die Kosten sollten komplett von der Wohnungseigentümergemeinschaft getragen werden.

Die Klägerin war damit nicht einverstanden. Sie argumentierte, dass die Kosten für den Zugangsweg, der ja auch vom Eigentümer des Vordergrundstücks genutzt wird, nicht allein von den Wohnungseigentümern getragen werden sollten. Ihrer Meinung nach müssten sich alle Nutzer des Weges, also auch der Eigentümer des Vordergrundstücks, an den Kosten beteiligen. Sie beantragte daher, die entsprechenden Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung für ungültig zu erklären.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Amtsgericht Oldenburg gab der Klägerin teilweise Recht.

1. Die unwirksamen Beschlüsse: Die Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung wurden für teilweise unwirksam erklärt. Das betraf den Teil, der die Beauftragung einer Firma für die Verkehrssicherungspflichten und Reinigungs- und Wartungsarbeiten auf dem Zugangsweg von der Straße bis zur Grundstücksgrenze (also dem Teil auf dem Vordergrundstück) und die daraus resultierenden Kosten betraf. Der Beschluss, der die Umsetzung dieser Beauftragung regelte, wurde vollständig für unwirksam erklärt.

2. Warum die Beschlüsse teilweise unwirksam sind:

  • Kein Eintritt in die alte Vereinbarung: Das Gericht stellte fest, dass die Wohnungseigentümer nicht automatisch in die ursprüngliche Kostenvereinbarung zwischen dem Bauträger und dem Eigentümer des Vordergrundstücks eingetreten sind. Solche Vereinbarungen sind normalerweise nur zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien gültig, es sei denn, alle neuen Eigentümer stimmen dem zu. Da dies hier nicht der Fall war (die Regelung war nicht in allen Kaufverträgen enthalten), war die alte Vereinbarung unwirksam.
  • Keine neue Vereinbarung: Auch durch frühere Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlungen kam keine neue, alle Wohnungseigentümer bindende Vereinbarung zustande. Entweder fehlte die notwendige Einstimmigkeit, oder das Ergebnis der Abstimmung wurde im Protokoll falsch festgehalten, ohne dass dies fristgerecht angefochten wurde.
  • Gesetzliche Regelung greift: Da keine wirksame vertragliche Regelung bestand, musste das Gericht die gesetzlichen Bestimmungen anwenden. Bei einem Wegerecht, das im Grundbuch eingetragen ist, sind die Nutzer des Weges (hier die Wohnungseigentümer) grundsätzlich verpflichtet, die Anlage in ordnungsgemäßem Zustand zu halten (§ 1020 S. 2 BGB).
  • Beteiligung des Eigentümers des Vordergrundstücks: Das Gericht betonte, dass der Eigentümer des Vordergrundstücks, der den Weg ebenfalls nutzt, sich an den Kosten beteiligen muss. Wenn nichts anderes vereinbart ist, tragen beide Parteien (hier die Wohnungseigentümergemeinschaft und der Eigentümer des Vordergrundstücks) die Kosten im Zweifel zur Hälfte. Dies leitet sich aus den Regeln für eine Gemeinschaft (§§ 748, 742 BGB) ab.
  • Beschlüsse nicht eindeutig: Die beanstandeten Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung sahen vor, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft die Kosten allein trägt und berücksichtigten die Beteiligung des Vordergrundstückseigentümers nicht. Das Gericht befand, dass solche Beschlüsse nicht den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung entsprechen, weil sie nicht eindeutig genug regeln, wie die Kostenbeteiligung des Vordergrundstückseigentümers aussehen soll. Die Wohnungseigentümergemeinschaft trägt dadurch das Risiko, dass sie die gezahlten Kosten nicht vom Vordergrundstückseigentümer zurückerhält, wenn dieser beispielsweise die Firma oder die Kosten als zu hoch empfindet.

Fazit

Das Urteil macht deutlich, dass bei der Nutzung eines fremden Grundstücks durch ein Wegerecht nicht nur die Nutzung selbst, sondern auch die Instandhaltungspflichten klar geregelt sein müssen. Wenn keine klare vertragliche Regelung besteht, muss der Eigentümer des belasteten Grundstücks (hier des Vordergrundstücks) anteilig an den Kosten der Instandhaltung und Verkehrssicherungspflichten beteiligt werden, insbesondere wenn er den Weg ebenfalls nutzt. Beschlüsse einer Wohnungseigentümergemeinschaft, die diese Beteiligung nicht berücksichtigen oder nicht klar regeln, können für unwirksam erklärt werden.


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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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