Kriterien der Gerichte für die Feststellung von Mobbing im Arbeitsrecht
Ein Mobbing-Fall vor Gericht ist für Laien oft verwirrend, da es kein eigenes Mobbing-Gesetz in Deutschland gibt. Gerichte stützen sich bei der Feststellung von Mobbing im Arbeitsrecht auf allgemeine Gesetze, insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sowie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG).
Die Gerichte haben über die Jahre Kriterien entwickelt, die in einer Gesamtschau des Einzelfalls bewertet werden. Einzelne Konflikte oder Fehler am Arbeitsplatz sind noch kein Mobbing.
1. Das Kernkriterium: Systematik und Dauerhaftigkeit
Das wohl wichtigste Kriterium ist das der Systematik und Dauerhaftigkeit. Mobbing ist nach der Rechtsprechung, insbesondere des Bundesarbeitsgerichts (BAG), ein „systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren“.
- Kein Einzelfall: Ein einmaliger Streit, eine harsche Kritik oder eine unhöfliche Bemerkung, so unangenehm sie auch sein mögen, reichen in der Regel nicht aus, um Mobbing festzustellen.
- Wiederholung und Fortsetzung: Die Handlungen müssen fortgesetzt, aufeinander aufbauend oder ineinander übergreifend sein. Es muss ein „roter Faden“ erkennbar sein, der die einzelnen Vorfälle zu einem feindseligen Gesamtbild verbindet.
- Keine starre Dauer: Es gibt keine festgelegte Mindestdauer (wie z.B. sechs Monate), ab der Gerichte automatisch von Mobbing ausgehen. Vielmehr kommt es auf die Intensität und Häufigkeit der Vorfälle an. Wenige, aber extrem schwere Angriffe können unter Umständen schneller als Mobbing gewertet werden als viele leichte.
2. Die Art der Handlungen: Persönlichkeitsverletzung
Die Handlungen müssen geeignet sein, die Würde, Ehre, Gesundheit oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht der betroffenen Person zu verletzen. Die Gerichte ziehen hier typische Beispiele heran, die in verschiedenen Kategorien zusammengefasst werden können:
- Angriffe auf die Kommunikation: Ständige Unterbrechungen im Gespräch, das Verbot, sich zu äußern, Ignorieren („wie Luft behandeln“), Kontaktverweigerung, Telefonterror.
- Angriffe auf den Ruf und die sozialen Beziehungen: Verbreiten von Gerüchten, Verleumdungen, üble Nachrede, Lächerlichmachen vor Kollegen, Beleidigungen, Imitation von Gang oder Stimme zur Verspottung.
- Angriffe auf die Arbeitsaufgaben und die Arbeitsleistung: Zuweisung von sinn- oder endlosen Aufgaben, Aufgaben weit unter oder über dem Können, ständige, sachlich nicht gerechtfertigte Kritik, Entzug der Arbeit, Vorenthalten arbeitsrelevanter Informationen, Manipulation von Arbeitsergebnissen. Wichtig: Sachliche Kritik oder berechtigte Abmahnungen durch Vorgesetzte sind kein Mobbing, es sei denn, sie dienen nur der Schikane und sind offensichtlich grundlos.
- Angriffe auf die Gesundheit: Androhung oder Anwendung körperlicher Gewalt.
- Angriffe auf die sexuelle Selbstbestimmung und Diskriminierung: Sexuelle Belästigung oder Diskriminierung aufgrund von Merkmalen wie Geschlecht, Alter, Herkunft, Religion, Behinderung oder sexueller Identität (hier greift oft das AGG).
Kriterien der Gerichte für die Feststellung von Mobbing im Arbeitsrecht
3. Die Absicht (Vorsatz) und die Rechtswidrigkeit
Für die Feststellung von Mobbing ist ein vorsätzliches Handeln des Täters oder der Tätergruppe erforderlich.
- Zielgerichtete Schikane: Die Handlungen müssen bewusst darauf abzielen, die betroffene Person psychisch zu zermürben, sozial zu entwürdigen oder aus der beruflichen Position bzw. dem Beschäftigungsverhältnis herauszudrängen.
- Rechtswidrigkeit: Die feindseligen Handlungen müssen rechtswidrig sein. Das bedeutet, es darf keinen rechtlich zulässigen Grund für sie geben. Eine sachlich begründete Anweisung des Vorgesetzten ist zum Beispiel rechtmäßig, auch wenn sie als hart empfunden wird. Eine willkürliche Anweisung zur Schikane ist rechtswidrig.
4. Die Beweislast und die Gesamtwürdigung
Die Beweislast liegt grundsätzlich beim Arbeitnehmer, der sich gemobbt fühlt. Er muss dem Gericht die systematischen und rechtswidrigen Angriffe konkret darlegen (z. B. durch ein Mobbing-Tagebuch mit Datum, Uhrzeit, Ort, Art des Vorfalls und eventuellen Zeugen).
Die Gerichte führen dann eine Gesamtbetrachtung (Gesamtschau) aller Vorfälle durch. Sie prüfen, ob die einzelnen, vielleicht für sich genommen noch hinnehmbaren Handlungen in ihrer Summe und in ihrer Systematik eine erhebliche und rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts darstellen.
Fazit für Laien: Mobbing ist vor Gericht nicht leicht nachzuweisen, da es mehr als nur ein schwieriges Arbeitsverhältnis oder einen Konflikt erfordert. Es muss eine systematische Kampagne der Schikane, Anfeindung oder Diskriminierung sein, die die Persönlichkeit der betroffenen Person verletzt.