Kündigung vor Ablauf der Wartezeit gegenüber einem schwerbehinderten Menschen – keine Verpflichtung zum Präventionsverfahren
Das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 4. Juni 2024 (Az. 1 Sa 201/23) behandelt die Frage, ob ein Arbeitgeber vor Ausspruch
einer Kündigung gegenüber einem schwerbehinderten Menschen innerhalb der Wartezeit ein Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX durchführen muss.
Der Kläger, ein schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 80, wurde von der Beklagten als Leiter für die Haus- und Betriebstechnik eingestellt.
Im Arbeitsvertrag wurde eine Probezeit von sechs Monaten vereinbart.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis während der Probezeit.
Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage und berief sich auf einen Sonderkündigungsschutz nach dem SGB IX sowie auf europarechtliche Vorgaben.
Das Landesarbeitsgericht wies die Berufung des Klägers zurück und bestätigte die Wirksamkeit der Probezeitkündigung.
Die zentralen Argumente des Gerichts lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Das Gericht stellte fest, dass der Arbeitgeber in den ersten sechs Monaten eines Arbeitsverhältnisses nicht verpflichtet ist,
vor Ausspruch einer Kündigung gegenüber einem schwerbehinderten Menschen ein Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX durchzuführen.
Es hielt an der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts fest, wonach das Präventionsverfahren keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung darstellt
und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz außerhalb des Geltungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes keine Anwendung findet.
Das Gericht setzte sich mit der Entscheidung des EuGH vom 10. Februar 2022 (C-485/20) auseinander, wonach Art. 5 RL 2000/78/EG angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderung impliziert.
Es kam jedoch zu dem Schluss, dass aus dieser Entscheidung keine generelle Pflicht zur Prüfung sämtlicher Einsatzmöglichkeiten auf unbesetzten oder besetzten Arbeitsplätzen folgt.
Vielmehr sei eine solche Pflicht auf Fälle beschränkt, in denen die Maßnahme den Arbeitgeber „nicht unverhältnismäßig“ belaste.
Das Gericht wies darauf hin, dass im falle einer solchen Abwägung, das Erprobungsinteresse des Arbeitgebers in der Wartezeit des Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen sei.
Das Gericht verneinte eine Diskriminierung des Klägers durch die Probezeitkündigung.
Das Gericht stellte klar, das eine Prüfpflicht des Arbeitgebers, bezüglich
Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten, sich nur auf freie Arbeitsplätze bezieht.
Das Gericht entschied, dass der Kläger das Vorhandensein geeigneter freier Arbeitsplätze, nicht dargelegt hat.
Das Gericht stellte fest, dass die Wartezeit des § 173 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX, die den besonderen Kündigungsschutz schwerbehinderter Menschen regelt, noch nicht abgelaufen war.
Die Entscheidung des Thüringer Landesarbeitsgerichts bestätigt die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts,
wonach Arbeitgeber während der Probezeit nicht verpflichtet sind, ein Präventionsverfahren durchzuführen.
Sie verdeutlicht jedoch auch die Notwendigkeit, europarechtliche Vorgaben bei der Auslegung des deutschen Kündigungsschutzrechts zu berücksichtigen.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen, da die Frage der Auswirkungen der
EuGH-Entscheidung auf das deutsche Kündigungsrecht gegenüber schwerbehinderten Menschen von grundsätzlicher Bedeutung ist.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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