Laufender Zivilprozess – Keine Löschung der Firma nach § 74 I GmbHG
KG, Beschluss vom 7.9.2021 – 22 W 51/21
Gerne fasse ich den Sachverhalt und die Entscheidung des Kammergerichts (KG) vom 7. September 2021 zusammen.
Der Kernpunkt dieses Gerichtsentscheids ist, dass eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung {GmbH), die sich in Auflösung befindet (Liquidation), nicht aus dem Handelsregister gelöscht werden darf, solange sie noch Partei in einem laufenden Gerichtsverfahren ist.
Solange noch solche „Abwicklungsmaßnahmen“ erforderlich sind, ist die Liquidation der GmbH noch nicht beendet.
Eine GmbH wurde in Liquidation versetzt, nachdem ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels ausreichender Masse zur Deckung der Kosten abgewiesen worden war.
Die Auflösung der GmbH wurde im Mai 2018 im Handelsregister eingetragen. Zu diesem Zeitpunkt war bekannt, dass die GmbH in einen Zivilprozess vor dem Landgericht Berlin verwickelt war. Sie war beklagte Partei (Passivprozess). Sie hatte zudem eine Widerklage auf Zahlung von rund 750.000 EURO eingereicht.
Der Liquidator der GmbH beantragte im Mai 2020 die Eintragung der Beendigung der Liquidation und der Löschung der GmbH (der sogenannten „Firma“) aus dem Handelsregister.
Er argumentierte, dass der laufende Prozess der Löschung nicht entgegenstehe, insbesondere weil die Widerklage als „nicht werthaltig“ eingeschätzt wurde.
Das zuständige Registergericht (Amtsgericht Berlin-Charlottenburg) war anderer Meinung. Es wies darauf hin, dass der anhängige Passivprozess (die Klage gegen die GmbH der Löschung entgegenstehe und die Beendigung des Rechtsstreits abgewartet werden müsse.
Es erließ eine sogenannte Zwischenverfügung, mit der es an dieser Rechtsauffassung festhielt und die $\text{GmbH}$ zur Behebung des Hindernisses aufforderte.
Der Liquidator legte Beschwerde gegen diese Zwischenverfügung ein. Er wollte erreichen, dass die $\text{GmbH}$ trotz des laufenden Prozesses gelöscht wird.
Das Kammergericht (KG) gab der Beschwerde formal statt, allerdings mit einer Begründung, die der GmbH in der Sache nicht half.
Das KG stellte fest, dass die Beschwerde zulässig sei und erfolgreich, aber nur aus formellen Gründen. Der laufende Zivilprozess war nach Ansicht des KG ein unbehebbares Hindernis für die Löschung.
Bei einem unbehebbaren Hindernis darf das Registergericht keine Zwischenverfügung erlassen, die die GmbH zur Behebung auffordert.
Das Gericht hätte stattdessen den Antrag auf Löschung sofort ablehnen müssen
Endentscheidung
Daher musste das KG die fehlerhafte Zwischenverfügung aufheben (Formal-Sieg für die GmbH).
In der Sache selbst bestätigte das KG jedoch die Rechtsauffassung des Amtsgerichts (AG), wenn auch ohne Bindungswirkung für das AG:
Eine Löschung der GmbH nach § 74 Abs. 1 GmbHG kommt nicht in Betracht, wenn noch weitere Abwicklungsmaßnahmen erforderlich sind.
Die Teilnahme als beklagte Partei in einem laufenden Zivilprozess (Passivprozess) stellt eine solche notwendige Abwicklungsmaßnahme dar.
Würde die GmbH gelöscht, verlöre sie ihre Rechts- und Parteifähigkeit in diesem Prozess. Sie könnte sich nicht mehr verteidigen oder ihre Rechte wahrnehmen.
Es ist unerheblich, ob die Klage gegen die GmbH erfolgreich sein wird oder ob die GmbH noch Vermögen hat. Der bloße fortdauernde Abwicklungsbedarf durch den Prozess schließt die Löschung aus.
Die Argumentation der GmbH bezüglich einer späteren Nachtragsliquidation greift nicht. Eine Nachtragsliquidation ist nur für Fälle gedacht, in denen sich nachträglich Vermögen oder Abwicklungsbedarf herausstellt – nicht, wenn der Abwicklungsbedarf wie hier bereits bekannt ist.
Nach der Aufhebung der fehlerhaften Zwischenverfügung muss das Amtsgericht den Antrag der GmbH auf Löschung nun ablehnen (Zurückweisung}$ der Anmeldung).
Die GmbH kann erst gelöscht werden, wenn der laufende Prozess rechtskräftig beendet ist.
Die Entscheidung bekräftigt, dass die Löschung einer GmbH aus dem Handelsregister (§ 74 GmbHG) das finale Ende der Gesellschaft markiert.
Dieses Ende darf nicht vorzeitig eintreten, solange die GmbH noch aktiv ihre Rechte und Pflichten, insbesondere in laufenden Gerichtsverfahren, wahrnehmen muss.
Ein laufender Prozess (Passivprozess) wird als ein unüberwindbares Hindernis für die Löschung angesehen, da die GmbH sonst ihre Parteifähigkeit verlöre und Gläubigerrechte gefährdet wären.
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