Lebzeitiges Eigeninteresse bei Nießbrauchsgewährung zugunsten der Lebensgefährtin

April 18, 2025

Lebzeitiges Eigeninteresse bei Nießbrauchsgewährung zugunsten der Lebensgefährtin

RA und Notar Krau

Das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 25. November 2022 (14 U 274/21) befasst sich mit der Frage, ob die unentgeltliche Einräumung eines Nießbrauchs an einem Hausgrundstück durch einen

Erblasser zugunsten seiner Lebensgefährtin eine beeinträchtigende Schenkung im Sinne des § 2287 Abs. 1 BGB analog darstellt.

Die Klägerinnen, Töchter aus früheren Ehen des Erblassers und Schlusserbinnen gemäß einem gemeinschaftlichen Testament mit der vorverstorbenen vierten Ehefrau,

klagten auf Rückabwicklung dieser Nießbrauchsbestellung.

Der Erblasser hatte der Beklagten, seiner langjährigen Lebensgefährtin, im Jahr 2007 notariell ein lebenslanges Mitbenutzungsrecht

sowie einen bedingten Nießbrauch an seinem Hausgrundstück eingeräumt.

Die Begründung hierfür lag laut Vertrag in der eingegangenen dauerhaften Haus- und Lebensgemeinschaft und der damit verbundenen Erwartung gegenseitiger Unterstützung im Alter.

Nach dem Tod des Erblassers bestand die Lebensgemeinschaft fort, wodurch der bedingte Nießbrauch zugunsten der Beklagten wirksam wurde.

Das OLG Karlsruhe bestätigte die Entscheidung des Landgerichts Freiburg, das die Klage abgewiesen hatte.

Es führte aus, dass § 2287 BGB analog auf wechselbezügliche letztwillige Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament Anwendung findet,

wenn der überlebende Ehegatte sein Verfügungsrecht missbraucht hat.

Lebzeitiges Eigeninteresse bei Nießbrauchsgewährung zugunsten der Lebensgefährtin

Ein solcher Missbrauch liegt jedoch nicht vor, wenn der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung hatte.

Ein lebzeitiges Eigeninteresse ist anzunehmen, wenn die Verfügung aus der Sicht eines objektiven Beobachters unter Berücksichtigung der erbvertraglichen Bindung als billigenswert und gerechtfertigt erscheint.

Dies ist insbesondere der Fall, wenn es dem Erblasser im Alter um seine Versorgung und gegebenenfalls Pflege geht oder wenn er eine sittliche Verpflichtung erfüllt.

Die Beweislast für das Fehlen eines solchen Eigeninteresses liegt bei den Schlusserben.

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass der Erblasser im vorliegenden Fall ein erhebliches lebzeitiges Eigeninteresse an der Einräumung des Nießbrauchs hatte.

Dieses Interesse lag nicht nur in der Versorgung der Beklagten, sondern auch darin, sich die Unterstützung seiner Lebensgefährtin in alten und kranken Tagen zu sichern.

Die Erwartung einer gegenseitigen Unterstützung beschränkt sich dabei nicht allein auf Pflegeleistungen, sondern umfasst auch alltägliche Hilfeleistungen innerhalb einer Lebensgemeinschaft.

Die Beklagte hatte in erster Instanz glaubhaft geschildert, dass die gegenseitige Unterstützung neben der finanziellen Absicherung ein wesentlicher Beweggrund für die Vereinbarung war.

Sie habe sich um den Haushalt gekümmert und den Erblasser bei Bedarf zu Ärzten und zur Physiotherapie gefahren.

Diese Darstellung deckte sich mit dem Verhalten des Erblassers, der sich in seinen Beziehungen typischerweise stark auf seine jeweilige Partnerin konzentrierte und sich auf sie verließ.

Das OLG Karlsruhe grenzte den vorliegenden Fall von der Rechtsprechung des OLG Celle ab, wonach ein Nießbrauch zugunsten des Lebensgefährten

ohne ein darüber hinausgehendes Eigeninteresse des Erblassers eine beeinträchtigende Schenkung darstellen kann.

Lebzeitiges Eigeninteresse bei Nießbrauchsgewährung zugunsten der Lebensgefährtin

Im Unterschied dazu sah das Gericht hier, dass der Erblasser durch die Nießbrauchsbestellung auch seine eigene Versorgung sicherstellen wollte, solange die Lebensgemeinschaft bestand.

Weitere Argumente des Gerichts für das Vorliegen eines lebzeitigen Eigeninteresses waren:

Die Zuwendung erfolgte im Zuge der Begründung eines gemeinsamen Hausstandes und war an das Fortbestehen der Lebensgemeinschaft geknüpft.

Der Nießbrauch war zeitlich begrenzt, da das Grundstück nach dem Tod der Beklagten an die Schlusserben fallen würde.

Der Wert der Erbschaft war somit nur vorübergehend maßgeblich verringert.

Die Verknüpfung der Zuwendung mit der Möglichkeit der Kündigung bei Scheitern der Lebensgemeinschaft benachteiligte die Klägerinnen nicht unangemessen.

Die von den Klägerinnen angeführten Umstände bezüglich einer Immobilie in Spanien und damit zusammenhängender finanzieller Transaktionen wurden vom Gericht als nach dem maßgeblichen

Zeitpunkt der Nießbrauchsbestellung liegend und daher für die Beurteilung des lebzeitigen Eigeninteresses irrelevant angesehen.

Zusammenfassend kam das OLG Karlsruhe zu dem Ergebnis, dass die Einräumung des Nießbrauchs zugunsten der Lebensgefährtin

im erheblichen lebzeitigen Eigeninteresse des Erblassers lag, da er sich dadurch auch der Unterstützung im Alter versichern wollte.

Somit stellte die Nießbrauchsbestellung keine beeinträchtigende Schenkung im Sinne des § 2287 Abs. 1 BGB analog dar, und die Klage auf Rückabwicklung wurde abgewiesen.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

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