Lediglich rechtlicher Vorteil bei Grundstücksübertragung an einen Minderjährigen

November 2, 2025

Lediglich rechtlicher Vorteil bei Grundstücksübertragung an einen Minderjährigen

BGH, Beschluss vom 25.11.2004 – V ZB 13/04

Gerne fasse ich den Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 25. November 2004 (V ZB 13/04) zusammen.


Worum ging es in dem Fall?

Es ging um die Übertragung eines Grundstücks (ein Hausgrundstück) von einer Mutter (Beteiligte zu 1) auf ihre beiden minderjährigen Kinder (Beteiligte zu 2 und 3) im Wege der vorweggenommenen Erbfolge (Schenkung).

  • Die Mutter behielt sich dabei ein lebenslanges Nießbrauchrecht vor (sie darf das Haus weiter nutzen und die Mieteinnahmen behalten).
  • Sie behielt sich auch ein Rücktrittsrecht vom Vertrag vor, falls eines der Kinder das Grundstück ohne ihre Zustimmung verkauft oder belastet oder vor ihr stirbt.
  • Zur Sicherung dieses möglichen Rückübertragungsanspruchs sollte eine Auflassungsvormerkung zugunsten der Mutter ins Grundbuch eingetragen werden.
  • Das Grundstück war zudem mit einer Grundschuld belastet (eine Art Hypothek).

Das Problem: Grundbuchamt und Genehmigung

Das Grundbuchamt (die Behörde, die für die Eintragungen im Grundbuch zuständig ist) weigerte sich, die Eigentumsübertragung und die Vormerkung einzutragen. Es sah einen rechtlichen Nachteil für die minderjährigen Kinder.

Warum sahen sie einen Nachteil?

  • Wegen des möglichen Rücktrittsrechts der Mutter, da die Kinder das Grundstück im Falle eines Rücktritts zurückgeben müssten und eventuell persönlich für Wertersatz oder Schadensersatz haften könnten.
  • Wegen der Belastung des Grundstücks (Grundschuld, Nießbrauch, Vormerkung und öffentliche Lasten wie Grundsteuer), was möglicherweise zu Pflichten der Kinder führen könnte.

Das Grundbuchamt forderte deshalb, dass der Überlassungsvertrag von einem Ergänzungspfleger und zusätzlich vom Vormundschaftsgericht genehmigt werden müsse, da die Eltern ihre Kinder in diesem Fall nicht selbst vertreten durften (Interessenkonflikt).


Die Entscheidung des BGH: Keine Genehmigung nötig!

Der BGH hat die Beschlüsse der Vorinstanzen aufgehoben und das Grundbuchamt angewiesen, die Eintragungen vorzunehmen, ohne die verlangten Genehmigungen zu fordern.

Die zentrale Frage: Erlangen die minderjährigen Kinder durch die Übertragung des Eigentums am Grundstück lediglich einen rechtlichen Vorteil im Sinne des § 107 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch)? Nur wenn dies der Fall ist, benötigen sie für den sogenannten dinglichen Vertrag (die eigentliche Eigentumsübertragung, die „Auflassung“) keine Genehmigung ihrer gesetzlichen Vertreter oder eines Pflegers.

Lediglich rechtlicher Vorteil bei Grundstücksübertragung an einen Minderjährigen

1. Dinglicher Vertrag vs. Schuldrechtlicher Vertrag (Trennungsprinzip)

  • Der BGH betonte das Trennungsprinzip im deutschen Recht: Der dingliche Vertrag (die tatsächliche Übertragung des Eigentums, die Auflassung) ist formal getrennt vom schuldrechtlichen Vertrag (der Schenkungsvertrag mit dem Rücktrittsvorbehalt).
  • Die Auflassung selbst ist für die Kinder lediglich rechtlich vorteilhaft, weil sie Eigentum erwerben – ein Vorteil.
  • Der BGH entschied, dass die rechtlichen Nachteile des Rücktrittsrechts (Rückgabepflicht, möglicher Schadensersatz) ausschließlich Folgen des schuldrechtlichen Schenkungsvertrags sind, der sowieso schwebend unwirksam ist, solange er nicht genehmigt wird. Die Wirksamkeit des dinglichen Vertrages hängt davon nicht ab.

2. Belastungen des Grundstücks sind kein rechtlicher Nachteil (isolierte Betrachtung)

Der BGH stellte fest, dass die Belastungen bei isolierter Betrachtung der Auflassung (nur der Eigentumsübertragung) keinen rechtlichen Nachteil im Sinne des § 107 BGB darstellen:

  • Grundschuld: Die Haftung der Kinder ist auf das Grundstück beschränkt (Duldung der Zwangsvollstreckung). Dies mindert zwar den Vorteil, beseitigt ihn aber nicht. Eine persönliche Haftung mit dem sonstigen Vermögen der Kinder entsteht dadurch nicht, da in diesem Fall bereits ein Vollstreckungstitel gegen den jeweiligen Eigentümer existierte.
  • Nießbrauch und Vormerkung: Sie begründen keine persönlichen Verpflichtungen der Kinder und beseitigen den Vorteil des Eigentumserwerbs nicht, insbesondere da die Nießbraucherin hier die außergewöhnlichen Kosten tragen musste.
  • Laufende öffentliche Lasten (z.B. Grundsteuer): Obwohl diese eine persönliche Haftung der Kinder begründen, sah der BGH darin keinen beachtlichen rechtlichen Nachteil. Diese Kosten seien typischerweise begrenzt, aus den Erträgen des Grundstücks zu decken und stellen wegen ihres geringen Gefährdungspotenzials keine echte Vermögensgefährdung dar, die eine Genehmigung durch einen Pfleger rechtfertigen würde.

Fazit des BGH: Da die Auflassung (Eigentumsübertragung) lediglich rechtlich vorteilhaft ist, bedarf sie keiner Genehmigung durch einen Ergänzungspfleger oder das Gericht.


Kernbotschaft des Urteils

Für Laien bedeutet das Urteil:

Bei einer Schenkung eines belasteten Grundstücks an ein minderjähriges Kind mit Vorbehalten (wie Nießbrauch oder Rücktrittsrecht):

  • Der Akt der Eigentumsübertragung selbst (Auflassung) wird oft als lediglich rechtlich vorteilhaft angesehen, weil die Kinder Eigentum erwerben.
  • Die Belastungen und Rückforderungspflichten sind zwar nachteilig, führen aber nicht automatisch dazu, dass für die Eigentumsübertragung die Zustimmung des Familiengerichts erforderlich ist, solange sie keine persönliche Haftung der Kinder mit ihrem sonstigen Vermögen begründen oder das Risiko als unerheblich eingestuft wird.
RA und Notar Krau

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