Legitimationswirkung der Gesellschafterliste gegenüber der Gesellschaft (§ 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG)
Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 2. Juli 2019 – II ZR 406/17
Der Kernpunkt des Urteils betrifft die Legitimationswirkung der Gesellschafterliste gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes
betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) im Verhältnis zur Gesellschaft selbst.
Grundsätzlich gilt, dass im Verhältnis zur GmbH nur derjenige als Inhaber eines Geschäftsanteils angesehen wird, der in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist.
Diese formelle Legitimationswirkung dient der Rechtssicherheit und Klarheit über die Gesellschafterstruktur.
Der BGH betont jedoch, dass sich die Gesellschaft nach Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) nicht auf diese formelle Legitimationswirkung berufen kann,
wenn sie selbst in unredlicher Weise die Eintragung einer unrichtigen Gesellschafterliste im Handelsregister herbeigeführt hat.
Im konkreten Fall hatte das Landgericht Berlin (LG) der GmbH durch einstweilige Verfügung untersagt, eine neue Gesellschafterliste einzureichen,
die einen zuvor von einer Einziehung betroffenen Gesellschafter (FS) nicht mehr auswies.
Trotz dieser gerichtlichen Anordnung reichte der beurkundende Notar dennoch eine solche geänderte Liste ein, die im Handelsregister aufgenommen wurde.
Der BGH entschied, dass die GmbH in dieser Situation nach Treu und Glauben gehindert ist, sich gegenüber FS auf die formelle Richtigkeit dieser Liste zu berufen.
Die Gesellschaft durfte die gerichtliche Untersagung nicht dadurch unterlaufen, dass sie die Einreichung der Liste durch den Notar geschehen ließ und es unterließ, die Liste zu korrigieren.
Der Senat führte aus, dass einem Gesellschafter, der von einer möglicherweise fehlerhaften Einziehung seines Geschäftsanteils betroffen ist,
ein effektiver Rechtsschutz zur Verfügung stehen muss, um seine Gesellschafterrechte während eines Rechtsstreits über die Einziehung zu wahren.
Die Möglichkeit, gegen die Einreichung einer ihn nicht mehr ausweisenden Gesellschafterliste eine einstweilige Verfügung zu erwirken, ist ein solches Mittel.
Diese einstweilige Verfügung würde jedoch ihren Zweck verfehlen, wenn sich die Gesellschaft über das Verbot hinwegsetzen und sich
anschließend auf die formelle Legitimationswirkung der verbotswidrig eingereichten Liste berufen könnte.
Die Pflicht der Gesellschaft zur Beachtung des gerichtlichen Verbots umfasst auch die Information des Notars, damit dieser keine verbotswidrige Liste einreicht.
Wird dennoch eine solche Liste eingereicht und eingetragen, ist der Geschäftsführer verpflichtet, für deren Korrektur zu sorgen.
Bis zur Korrektur handelt die Gesellschaft treuwidrig, wenn sie den betroffenen Gesellschafter unter Berufung auf die unrichtige Liste von der Beschlussfassung ausschließt.
Der zweite wesentliche Aspekt des Urteils betrifft die Zulässigkeit der Einrichtung eines Aufsichtsrats in einer GmbH auf der Grundlage einer Öffnungsklausel im Gesellschaftsvertrag gemäß § 52 GmbHG.
Der BGH stellte klar, dass die Einrichtung eines solchen fakultativen Aufsichtsrats keine Satzungsänderung darstellt und daher
ohne Beachtung der für Satzungsänderungen geltenden Vorschriften (insbesondere notarielle Beurkundung) zulässig ist, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind:
Die Öffnungsklausel im Gesellschaftsvertrag muss ausreichend bestimmt sein und die wesentlichen Grundlagen
für die Errichtung eines Aufsichtsrats festlegen, wie beispielsweise die Möglichkeit der Einrichtung und die Übertragung der Überwachung der Geschäftsführung.
Die nähere Ausgestaltung kann den Gesellschaftern überlassen bleiben.
Der Beschluss der Gesellschafterversammlung zur Einrichtung des Aufsichtsrats darf nicht gegen zwingendes Recht oder den Gesellschaftsvertrag verstoßen.
Der BGH begründete dies damit, dass die Gründer einer GmbH ein anerkennenswertes Interesse an einer flexiblen Satzungsgestaltung haben können,
die es ihnen ermöglicht, die Möglichkeit der Aufsichtsratsbildung vorzusehen, ohne sich sofort festlegen zu müssen.
Die tatsächliche Einrichtung des Aufsichtsrats auf dieser Grundlage stellt lediglich die Verwirklichung einer bereits im Gesellschaftsvertrag
angelegten Organisationsstruktur dar und erfordert daher keine erneute Satzungsänderung.
Im vorliegenden Fall befand der BGH die Öffnungsklausel im Gesellschaftsvertrag der Beklagten als ausreichend bestimmt.
Die Anfechtung der Beschlüsse zur Aufsichtsratsbildung hatte somit keine Auswirkung auf die Wirksamkeit der Abberufung des Klägers als Geschäftsführer durch den Aufsichtsrat,
solange über die Anfechtungsklage nicht entschieden war.
Die vom Geschäftsführer WS genehmigte Berufung der Beklagten wurde als zulässig erachtet.
Die Abberufung des WS als Geschäftsführer in der Gesellschafterversammlung vom 13. Oktober 2014 war vorläufig wirksam,
da der Versammlungsleiter die Ablehnung des Abberufungsantrags festgestellt hatte und eine Anfechtungsklage noch ausstand.
Die im Umlaufverfahren gefassten Gesellschafterbeschlüsse vom 6./7. August 2015 und 12. Oktober 2017, an denen FS nicht beteiligt wurde,
waren nichtig, da die Beklagte sich aufgrund der einstweiligen Verfügung nicht auf die unrichtige Gesellschafterliste berufen konnte.
Die Bestellung des besonderen Vertreters KT für die Beklagte war nichtig, da die zugrundeliegenden Umlaufbeschlüsse unwirksam waren.
Insgesamt hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Klage hinsichtlich der Feststellung der Nichtigkeit der Abberufung des Klägers ab.
Im Übrigen wurde die Sache zur weiteren Prüfung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der besondere Vertreter KT wurde aus dem Rechtsstreit verwiesen.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.