Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung in Kaskoversicherung

Oktober 26, 2025

Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung in Kaskoversicherung

OLG Dresden Hinweisbeschluss vom 18.4.2024 – 4 U 67/24

Eine Kaskoversicherung kann die Zahlung verweigern, wenn der Versicherungsnehmer gegen eine seiner vertraglichen Pflichten verstößt. Dies nennt man Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung.

Der vorliegende Fall des OLG Dresden verdeutlicht, wann eine Versicherung, hier in der Kaskoversicherung für ein Quad, die Leistung wegen der Verletzung einer sogenannten Obliegenheit (eine vertraglich festgelegte Verhaltenspflicht) verweigern darf.

Die Grundlage: Obliegenheiten im Versicherungsvertrag

Versicherungsverträge, wie die Kaskoversicherung, enthalten sogenannte Obliegenheiten. Das sind Pflichten des Versicherungsnehmers, die er nach Eintritt eines Schadensfalls (hier: Diebstahl des Quads) erfüllen muss. Eine zentrale Obliegenheit ist die Pflicht, Fragen der Versicherung zu den Umständen des Schadensfalls wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten (§ 28 Abs. 2 VVG).

Der Sachverhalt:

Die Falschaussage zur Vermögensauskunft

Im konkreten Fall ging es um den behaupteten Diebstahl eines Quads, das vollkaskoversichert war.

Die Frage der Versicherung:

Ein von der Versicherung beauftragter Ermittler befragte den Versicherungsnehmer (Kläger). Auf die Frage, ob er „allgemeine finanzielle Schwierigkeiten, eine eidesstattliche Versicherung oder die Vermögensauskunft“ abgegeben habe oder eine Nichtabgabe der Vermögensauskunft vermerkt sei, antwortete der Kläger mit „Nein. So etwas habe ich nicht“.

Die wahre Situation:

Tatsächlich war der Kläger im Schuldnerverzeichnis wegen der Nichtabgabe einer Vermögensauskunft (früher eidesstattliche Versicherung) eingetragen. Er hatte die Auskunft also bewusst oder unbewusst falsch beantwortet.

Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung in Kaskoversicherung

Die Rechtsfolge: Leistungsfreiheit der Versicherung

Wegen dieser falschen Auskunft zur finanziellen Situation hat das Gericht die Klage des Versicherungsnehmers abgewiesen und die Versicherung für leistungsfrei erklärt.

Vorsätzliche Obliegenheitsverletzung

Das Gericht sah in der falschen Beantwortung eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung.

Beweislast:

Zwar muss die Versicherung beweisen, dass die Angabe falsch war und vorsätzlich erfolgte.

Sekundäre Darlegungslast:

Da objektiv falsche Angaben vorlagen, musste der Kläger plausibel erklären, warum er falsch geantwortet hatte. Das gelang ihm nicht.

Unerheblichkeit als Ausrede zählt nicht:

Der Kläger konnte sich nicht damit herausreden, er hätte die Frage oder seine finanzielle Situation für unerheblich gehalten. Eine zulässige und eindeutige Frage muss wahrheitsgemäß beantwortet werden, unabhängig davon, ob der Versicherungsnehmer den erfragten Umstand für wichtig hält oder nicht.

Arglistiges Verhalten

Das Gericht ging sogar von einem arglistigen Verhalten des Versicherungsnehmers aus.

Arglist-Definition:

Arglist liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer bewusst und willentlich gegen die Interessen des Versicherers verstößt, um dessen Entscheidung zu beeinflussen. Er muss wissen, dass sein Verhalten die Schadensregulierung beeinflussen kann. Eine Absicht zur Bereicherung ist nicht nötig.

Ziel:

Im vorliegenden Fall ging es dem Kläger darum, die Regulierung zu beschleunigen und weitere Nachforschungen hinsichtlich seiner bereits angespannten finanziellen Situation (das Quad musste von einer anderen Person finanziert werden, weil er selbst keinen Kredit bekam) zu vermeiden.

Folge der Arglist:

Bei Arglist kann die Versicherung die Leistung immer verweigern, selbst wenn die falsche Angabe für den Diebstahl selbst oder dessen Feststellung nicht ursächlich war.

Kein Verstoß gegen Treu und Glauben

Eine Verweigerung der Leistung durch die Versicherung könnte nur dann rechtsmissbräuchlich sein, wenn der Verlust des Versicherungsschutzes für den Versicherungsnehmer eine übermäßige Härte darstellen würde (Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB).

Diese Ausnahme kommt laut OLG Dresden nur unter ganz besonderen Umständen in Betracht:

Wenn die Täuschung nur einen geringen Teil des versicherten Schadens betrifft.

UND wenn weitere Billigkeitsmomente zugunsten des Versicherungsnehmers vorliegen.

Solche Umstände sah das Gericht in diesem Fall nicht. Die harte Sanktion der Leistungsfreiheit dient dazu, das gegenseitige Vertrauen bei der Schadensermittlung zu schützen.

Fazit

Wer eine Versicherungsleistung nach einem Schaden fordert, muss die Fragen der Versicherung immer wahrheitsgemäß und vollständig beantworten. Tut er dies vorsätzlich falsch – auch wenn er die Frage für unwichtig hält –, riskiert er den vollständigen Verlust des Versicherungsschutzes. Bei arglistigem (betrügerischem) Verhalten ist die Leistungsfreiheit der Versicherung fast immer die Folge, selbst wenn die Falschangabe für das Zustandekommen des Schadens selbst keine Rolle spielte.

RA und Notar Krau

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