Leistungszulage – Tarifvertrag – Leistungsbeurteilung

Mai 20, 2020

Leistungszulage – Tarifvertrag – Leistungsbeurteilung

BAG Urteil vom 19.2.2020 10 AZR 19/19

Zusammenfassung RA und Notar Krau

Wenn ein Tarifvertrag vorsieht, dass eine vom Arbeitnehmer beanstandete Leistungsbeurteilung durch paritätische Gremien auf betrieblicher und tariflicher Ebene

überprüft werden muss, handelt es sich in der Regel um die Vereinbarung eines Schiedsgutachtens im engeren Sinne.

Damit ist eine Stillhalteabrede (pactum de non petendo) verbunden.

Die Vereinbarung eines solchen Schiedsgutachtens führt normalerweise dazu, dass eine Klage auf ein höheres Leistungsentgelt,

die vor Abschluss des außergerichtlichen Verfahrens erhoben wurde, verfrüht ist und als derzeit unbegründet abgewiesen werden muss.

Tenor:

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. Juli 2018 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über höhere Leistungszulagen für den Zeitraum von Juli 2016 bis März 2017.

Der Kläger arbeitet seit 1992 bei der Beklagten als Fertigungsentwicklungsingenieur und ist Mitglied des Tarifvertrags der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg.

Der relevante Tarifvertrag (ERA-TV) sieht Leistungszulagen vor, die auf einer jährlichen Leistungsbeurteilung basieren.

Leistungszulage – Tarifvertrag – Leistungsbeurteilung

Sachverhalt:

Der Kläger erhielt am 26. März 2015 eine Leistungsbeurteilung von 64,5 Punkten, was zu einer Leistungszulage von 606,30 Euro brutto monatlich führte.

Am 15. April 2016 erhielt der Kläger eine neue Leistungsbeurteilung von 54 Punkten, woraufhin die Beklagte die Leistungszulage ab Juli 2016 um 102,58 Euro brutto monatlich reduzierte.

Der Kläger widersprach dieser Beurteilung und forderte eine Überprüfung durch die betriebliche Entgeltkommission, die jedoch keine Entscheidung traf.

Ein Verfahren vor der tariflichen Gütestelle wurde nicht eingeleitet.

Der Kläger erhob daraufhin Klage, da er die außergerichtliche Geltendmachung für ausreichend hielt, um den Rechtsweg zu beschreiten.

Entscheidungsgründe:

Zulässigkeit der Klage:

Die Klage ist zulässig, obwohl die tarifliche Gütestelle nicht angerufen wurde.

Das vorgeschriebene Einspruchsverfahren stellt keine Prozessvoraussetzung dar.

Das Schiedsgutachten im engeren Sinne dient der Bewertung von Leistungen durch sachkundige Personen und sieht eine Stillhalteabrede vor, bis eine abschließende Entscheidung vorliegt.

Leistungszulage – Tarifvertrag – Leistungsbeurteilung

Schiedsgutachten und Stillhalteabrede:

Ein Schiedsgutachten enthält in der Regel eine stillschweigende Vereinbarung, dass der Gläubiger gegen den Schuldner aus der Forderung während der Erstattung des Gutachtens nicht vorgehen wird.

Ein Verstoß gegen diese Abrede macht eine Klage verfrüht und daher unbegründet.

Durchführung des Einspruchsverfahrens:

Das Einspruchsverfahren ist ein Schiedsgutachten im engeren Sinne, da es die Feststellung von Tatsachen betrifft, nicht die Entscheidung über Rechtsfragen.

Die Durchführung des Verfahrens liegt primär in der Verantwortung des Arbeitgebers.

Der Arbeitnehmer kann jedoch selbst tätig werden, wenn der Arbeitgeber seinen Pflichten nicht nachkommt.

Fehlen einer weiteren Leistungsbeurteilung:

Sollte eine weitere Leistungsbeurteilung nach der ersten, schlechten Bewertung nicht erfolgt sein, bleibt die Klage begründet, da der Kläger Anspruch auf die ursprüngliche Leistungszulage hat.

Eine neue Beurteilung ist notwendig, wenn eine Leistungsbeurteilung eine Leistungsminderung feststellt. Andernfalls gilt weiterhin die zuvor wirksam erstellte Beurteilung.

Leistungszulage – Tarifvertrag – Leistungsbeurteilung

Überprüfung durch die Gerichte:

Wenn eine abschließende Entscheidung der paritätischen Gremien fehlt oder das Verfahren nicht rechtzeitig abgeschlossen wurde,

müssen die Gerichte in analoger Anwendung von § 319 Abs. 1 Satz 2 BGB entscheiden.

Einhaltung der tariflichen Ausschlussfristen:

Das Landesarbeitsgericht muss prüfen, ob der Kläger die tariflichen Ausschlussfristen gewahrt hat.

Dies ist insbesondere relevant, wenn die Beklagte den Zugang der außergerichtlichen Schreiben bestreitet.

Fazit:

Das Urteil betont die Bedeutung der Einhaltung vorgerichtlicher Schiedsgutachtenverfahren und Stillhalteabreden bei Leistungsbeurteilungen im Tarifrecht.

Es stellt klar, dass diese Verfahren materielle Rechtsvoraussetzungen schaffen, deren Nichtbeachtung zur Unbegründetheit von Klagen führen kann.

Zugleich wird die Verantwortung des Arbeitgebers hervorgehoben, solche Verfahren ordnungsgemäß durchzuführen,

während dem Arbeitnehmer Handlungsalternativen offenstehen, um seinen Anspruch dennoch durchzusetzen.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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