LG Halle 1 O 45/23 mündlicher Erlassvertrag über Pflichtteil

Dezember 7, 2024

LG Halle 1 O 45/23 mündlicher Erlassvertrag über Pflichtteil

Urteil vom 20.09.2024

RA und Notar Krau

Sachverhalt:

Der Kläger zu 1., ein Nachlassinsolvenzverwalter, und der Kläger zu 2., ein Nachlasspfleger, machten im Wege der Stufenklage Pflichtteilsansprüche gegen die Beklagte als Erbin geltend.

Der Pflichtteilsanspruch entstand aus dem Nachlass des Vaters des Schuldners, der mit der Beklagten ein gemeinschaftliches Testament errichtet hatte.

Der Schuldner selbst hatte den Pflichtteilsanspruch zu Lebzeiten nicht geltend gemacht.

Die Beklagte behauptete, der Schuldner habe zu Lebzeiten mündlich auf seinen Pflichtteil verzichtet.

LG Halle 1 O 45/23 mündlicher Erlassvertrag über Pflichtteil

Entscheidungsgründe:

  1. Zulässigkeit der Klage: Das Gericht stellte fest, dass nur die Klage des Klägers zu 1. als Nachlassinsolvenzverwalter zulässig ist. Der Pflichtteilsanspruch fällt in die Insolvenzmasse und der Nachlassinsolvenzverwalter ist gemäß § 80 InsO allein prozessführungsbefugt.
  2. Begründetheit der Klage: Die Klage des Klägers zu 1. ist jedoch unbegründet. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Schuldner zu Lebzeiten mit der Beklagten einen mündlichen Erlassvertrag geschlossen und auf seinen Pflichtteil verzichtet hatte.
    • Wirksamkeit des Erlassvertrages: Das Gericht stellte fest, dass ein mündlicher Erlassvertrag über den Pflichtteil nach dem Erbfall wirksam ist, da die Formvorschrift des § 2348 BGB nur für Verzichte vor dem Erbfall gilt.
    • Verfügungsverbot: Das Gericht erörterte die Frage, ob das Verfügungsverbot des § 81 Abs. 1 InsO einem wirksamen Erlassvertrag entgegensteht, wenn dieser nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, aber vor Erfüllung der Voraussetzungen des § 852 ZPO abgeschlossen wurde. Das Gericht entschied, dass in diesem Fall § 81 Abs. 1 InsO teleologisch zu reduzieren ist und der Erlassvertrag wirksam ist.
    • Herbeiführung der Voraussetzungen des § 852 ZPO: Das Gericht ließ die Frage offen, ob der Nachlassinsolvenzverwalter kraft Amtes berechtigt ist, die Voraussetzungen des § 852 ZPO herbeizuführen. Im vorliegenden Fall sah das Gericht den Nachlassinsolvenzverwalter durch die gleichzeitige Klageerhebung des Nachlasspflegers als ermächtigt an.
  3. Abweisung der Klage: Da der Pflichtteilsanspruch aufgrund des Erlassvertrages nicht bestand, war die Stufenklage bereits auf der ersten Stufe unbegründet und wurde insgesamt abgewiesen.

LG Halle 1 O 45/23 mündlicher Erlassvertrag über Pflichtteil

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1. und der Kläger zu 2. jeweils hälftig.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Detaillierte Erläuterung des Urteils:

Das Urteil des Landgerichts Halle (Saale) befasst sich mit der komplexen Frage der Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs

durch den Nachlassinsolvenzverwalter, wenn der Schuldner zu Lebzeiten auf diesen verzichtet hat.

Zentrale Punkte des Urteils:

  • Prozessführungsbefugnis: Nur der Nachlassinsolvenzverwalter ist befugt, den Pflichtteilsanspruch geltend zu machen, da dieser zur Insolvenzmasse gehört.
  • Mündlicher Verzicht: Ein mündlicher Verzicht auf den Pflichtteil nach dem Erbfall ist wirksam.
  • Verfügungsverbot: Das Verfügungsverbot des § 81 Abs. 1 InsO steht einem wirksamen Erlassvertrag nicht entgegen, wenn dieser vor Erfüllung der Voraussetzungen des § 852 ZPO abgeschlossen wurde.
  • Ermächtigung zur Herbeiführung der Voraussetzungen des § 852 ZPO: Der Nachlassinsolvenzverwalter kann die Voraussetzungen des § 852 ZPO herbeiführen, wenn er hierzu vom Nachlasspfleger ermächtigt wurde.

LG Halle 1 O 45/23 mündlicher Erlassvertrag über Pflichtteil

Bedeutung des Urteils:

Das Urteil verdeutlicht die rechtlichen Besonderheiten bei der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen im Insolvenzverfahren.

Es zeigt auf, dass ein mündlicher Verzicht auf den Pflichtteil auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam sein kann, solange die Voraussetzungen des § 852 ZPO noch nicht erfüllt sind.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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