Maßgebliche Personen für die Kenntniserlangung bei Auslösung der Ausschlagungsfrist
Manchmal steht man vor der Frage, ob man eine Erbschaft annehmen oder ausschlagen soll. Gerade wenn ein Erblasser Schulden hinterlässt, kann das Erbe schnell zur Last werden. Doch was passiert, wenn der potenzielle Erbe nicht selbst entscheiden kann, weil er noch minderjährig ist, unter Betreuung steht oder es sich um eine Firma handelt?
Als Rechtsanwalt und Notar Krau möchte ich Ihnen in diesem Blogbeitrag verständlich erklären, welche Besonderheiten es beim Beginn der Frist zur Ausschlagung einer Erbschaft gibt, wenn der Erbe nicht voll geschäftsfähig ist oder eine andere Vertretung benötigt.
Wenn kleine Erben groß rauskommen: Wer entscheidet bei Kindern?
Stellen Sie sich vor, Ihr Kind soll erben, ist aber noch viel zu jung, um die Tragweite dieser Entscheidung zu verstehen. In solchen Fällen sind die gesetzlichen Vertreter gefragt, also in der Regel die Eltern. Die wichtige Frage ist: Wann beginnt die Frist für die Ausschlagung der Erbschaft zu laufen?
- Ein Elternteil allein sorgeberechtigt: Hat ein Elternteil das alleinige Sorgerecht, dann ist dessen Wissen über die Erbschaft entscheidend. Sobald dieser Elternteil Bescheid weiß, beginnt die Frist zu laufen.
- Beide Eltern gemeinsam sorgeberechtigt: Hier wird es etwas kniffliger. Es reicht nicht aus, wenn nur ein Elternteil von der Erbschaft erfährt. Die Frist beginnt erst, wenn beide Elternteile Kenntnis erlangt haben. Das ist wichtig, da beide gemeinsam die Entscheidung für das Kind treffen müssen.
- Das ungeborene Kind (Nasciturus): Auch ein ungeborenes Kind kann Erbe werden. Die Ausschlagungsfrist beginnt aber erst, wenn die gesetzlichen Vertreter wissen, dass das Kind lebend geboren wurde. Auch wenn die Eltern schon vorher von der Erbschaft wussten, zählt hier der Zeitpunkt der Geburt. Eine Ausschlagung ist aber auch schon vor der Geburt möglich, sobald der Erbfall eingetreten ist.
Wenn der Betreuer die Zügel in der Hand hält: Erben unter Betreuung
Was ist, wenn der Erbe volljährig ist, aber aufgrund einer Krankheit oder Behinderung unter Betreuung steht?
- Volljährige, die nicht selbst entscheiden können: Wenn der Betreute nicht geschäftsfähig ist und der Aufgabenkreis des Betreuers auch die Vermögenssorge umfasst, dann zählt allein das Wissen des Betreuers. Sobald dieser Kenntnis hat, beginnt die Frist.
- Volljährige, die noch selbst entscheiden können: Ist der Betreute trotz Betreuung geschäftsfähig und kann er die Situation einschätzen, reicht sein eigenes Wissen aus. Aber Achtung: Auch das Wissen seines vermögenssorgeberechtigten Betreuers wird ihm zugerechnet. Es kommt dann darauf an, wer zuerst Bescheid wusste.
Maßgebliche Personen für die Kenntniserlangung bei Auslösung der Ausschlagungsfrist
Der Bevollmächtigte als verlängerter Arm: Wann zählt dessen Wissen?
Manchmal gibt man jemandem eine Vollmacht, um sich um die eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Doch wann zählt das Wissen des Bevollmächtigten für den Beginn der Ausschlagungsfrist?
Grundsätzlich gilt: Das Wissen Ihres Bevollmächtigten kann Ihnen zugerechnet werden, wenn die Vollmacht auch die Regelung des Erbfalls umfasst. Allerdings muss der Bevollmächtigte auch wirklich in der Lage sein, die Erbschaft für Sie auszuschlagen.
- Spezialvollmacht ist König: Eine einfache Generalvollmacht reicht hier oft nicht aus. Der Bevollmächtigte muss eine spezielle Vollmacht haben, die ihn ausdrücklich zur Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft ermächtigt, oder die Ausschlagung muss explizit in einer Generalvollmacht erwähnt sein. Nur dann ist das Vertrauen im Rechtsverkehr gerechtfertigt, dass das Wissen des Bevollmächtigten auch Ihnen zugerechnet wird.
- Gemeinsam handeln ist Trumpf: Wenn mehrere Bevollmächtigte nur gemeinsam handeln dürfen, reicht das Wissen eines Einzelnen nicht aus. Die Frist beginnt erst, wenn alle gemeinsam handlungsberechtigten Personen Kenntnis haben.
- Ihr eigenes Wissen bleibt wichtig: Auch wenn Sie einen Bevollmächtigten haben, können Sie sich nicht von Ihrer eigenen Verantwortung „freikaufen“. Wenn Sie selbst von der Erbschaft und dem Grund Ihrer Berufung wissen, läuft die Frist für Sie, selbst wenn Ihr Bevollmächtigter noch keine Kenntnis davon hat.
Wenn Unternehmen erben: Der Blick auf juristische Personen
Auch Firmen, Vereine oder Stiftungen können Erbe werden. Hier kommt es auf das Wissen der Vertretungsorgane an, also beispielsweise der Geschäftsführer, Vorstände oder Gesellschafter.
- Gesamtvertretung: Ähnlich wie bei den Eltern oder Bevollmächtigten: Wenn ein Unternehmen nur durch mehrere Personen gemeinsam vertreten werden kann, reicht das Wissen eines Einzelnen nicht aus, um die Frist zu starten. Es muss die Kenntnis der Personen vorliegen, die gemeinsam die Vertretung wahrnehmen können.
- Prokuristen: Ein Prokurist, der das Unternehmen umfassend vertreten darf, dessen Wissen wird der Firma zugerechnet. Das ist sinnvoll, da ein Einzelprokurist die Erbschaft auch alleine ausschlagen könnte. Bei einer Gesamtprokura, bei der mehrere Prokuristen zusammen handeln müssen, gilt auch hier: Nur das gemeinsame Wissen der zur Ausschlagung berechtigten Prokuristen ist maßgeblich.
Weitere wichtige Konstellationen: Miterben, Ersatzerben und Nacherben
- Miterben: Das Wissen eines Miterben wird den anderen Miterben nicht zugerechnet. Jeder Miterbe muss selbst Kenntnis von der Erbschaft erlangen, damit seine individuelle Ausschlagungsfrist beginnt.
- Ersatzerbe: Ein Ersatzerbe tritt an die Stelle eines ursprünglich vorgesehenen Erben, wenn dieser die Erbschaft nicht annimmt. Der Ersatzerbe kann die Erbschaft zwar schon ausschlagen, sobald der Erbfall eingetreten ist. Seine eigene Ausschlagungsfrist beginnt aber erst, wenn er selbst weiß, dass er nun Erbe geworden ist.
- Nacherbe: Ein Nacherbe wird erst nach einem Vorerben Erbe. Die Nacherbschaft kann zwar schon ab dem Erbfall ausgeschlagen werden. Die Ausschlagungsfrist für den Nacherben beginnt jedoch erst, wenn er weiß, dass der Nacherbfall eingetreten ist.
Maßgebliche Personen für die Kenntniserlangung bei Auslösung der Ausschlagungsfrist
Der Zeitpunkt ist entscheidend: Wann läuft die Frist wirklich los?
Der Startpunkt der Frist hängt vom einfachen Wissen über den Erbfall und den Grund der Erbenstellung ab. Sollten Sie während der laufenden Frist begründete Zweifel an Ihrer Erbenstellung haben, zum Beispiel weil ein später aufgefundenes Testament dies in Frage stellt, beginnt die Frist erst wieder zu laufen, wenn Sie wissen, dass diese Verfügung unwirksam ist oder die ursprüngliche Erbfolge doch gilt.
Ich hoffe, diese Ausführungen von Rechtsanwalt und Notar Krau konnten Ihnen einen verständlichen Einblick in ein komplexes Thema geben. Wenn Sie unsicher sind, ob und wann Ihre Ausschlagungsfrist beginnt, empfehle ich Ihnen immer, sich juristischen Rat einzuholen. Eine rechtzeitige Beratung kann Ihnen viel Ärger ersparen.