Mehrere Testamente – Fragliche Testierfähigkeit – OLG Hamm 15 W 453/17

September 20, 2020

Mehrere Testamente – Fragliche Testierfähigkeit – OLG Hamm 15 W 453/17

Inhaltsverzeichnis RA und Notar Krau

  1. Einleitung
    • Hintergrund des Falls
    • Relevante Rechtsnormen
  2. Sachverhalt und Beteiligte
    • Überblick über die Erblasserin und ihre Verwandtschaftsverhältnisse
    • Darstellung der Beteiligten und ihrer Ansprüche
  3. Historie der Testamente
    • Gemeinschaftliche Ehegattentestamente (1961, 1982)
    • Einzeltestament der Erblasserin (2004)
  4. Betreuung und Gesundheitszustand der Erblasserin
    • Anordnung und Umfang der Betreuung
    • Diagnosen und ärztliche Einschätzungen
    • Auswirkungen auf die Testierfähigkeit
  5. Rechtliche Fragen und Beweisaufnahme
    • Streit um die Testierfähigkeit der Erblasserin
    • Durchführung der Beweisaufnahme durch das Amtsgericht
    • Einholung und Bewertung des Sachverständigengutachtens
  6. Entscheidung des Amtsgerichts
    • Zurückweisung des Erbscheinsantrags des Beteiligten zu 1
    • Begründung der Entscheidung
  7. Beschwerde und weitere Beweiserhebung
    • Inhalt und Begründung der Beschwerde des Beteiligten zu 1
    • Maßnahmen des Oberlandesgerichts zur weiteren Sachaufklärung
  8. Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm
    • Zurückweisung der Beschwerde
    • Begründung der Entscheidung
    • Bewertung der Testierfähigkeit der Erblasserin
  9. Kostenentscheidung
    • Aufteilung der Gerichtskosten
    • Regelung der außergerichtlichen Kosten
  10. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
    • Wesentliche Erkenntnisse aus dem Beschluss
    • Praktische Implikationen für die Nachlassverwaltung
    • Ausblick auf mögliche zukünftige Entwicklungen

Mehrere Testamente – Fragliche Testierfähigkeit – OLG Hamm 15 W 453/17

Der Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm vom 5. Februar 2020 (Az. 15 W 453/17) befasst sich mit der komplexen Frage der Testierfähigkeit einer Erblasserin,

die unter Betreuung stand und mehrere Testamente errichtet hatte.

Hintergrund des Falls:

Die Erblasserin hatte im Laufe ihres Lebens mehrere Testamente verfasst.

Zunächst errichtete sie zusammen mit ihrem Ehemann zwei gemeinschaftliche Testamente (1961 und 1982).

Im zweiten Testament setzten sie sich gegenseitig als Alleinerben ein und bestimmten die Neffen des Ehemanns als Schlusserben.

Nach dem Tod ihres Mannes verfasste die Erblasserin ein Einzeltestament (2004), in dem sie die Schlusserbeneinsetzung widerrief und die Beteiligte zu 3. als Alleinerbin einsetzte.

Die Erblasserin stand seit 1998 unter Betreuung, da bei ihr eine Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis diagnostiziert worden war.

Mehrere Testamente – Fragliche Testierfähigkeit – OLG Hamm 15 W 453/17

Der Beteiligte zu 1., einer der Schlusserben aus dem gemeinschaftlichen Testament, focht das Einzeltestament von 2004 an und argumentierte,

die Erblasserin sei zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierunfähig gewesen.

Kernaussagen des Beschlusses:

  1. Testierfähigkeit: Das OLG Hamm bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts und stellte fest, dass die Erblasserin trotz ihrer Erkrankung und der Betreuung zum Zeitpunkt der Errichtung des Einzeltestaments im Jahr 2004 testierfähig war.

  2. Beweisaufnahme: Das Gericht führte eine umfangreiche Beweisaufnahme durch, die die Einholung eines Sachverständigengutachtens, die Anforderung von ärztlichen Unterlagen und die Vernehmung von Zeugen umfasste.

  3. Bedeutung des Sachverständigengutachtens: Das Gutachten des Sachverständigen Dr. med. U, der als Experte für Neurologie, Psychiatrie und Geriatrie überzeugend darlegte, dass die psychischen Beeinträchtigungen der Erblasserin im Jahr 2004 nicht ausreichten, um ihre Testierfähigkeit zu beeinträchtigen, spielte eine entscheidende Rolle bei der Urteilsfindung.

Mehrere Testamente – Fragliche Testierfähigkeit – OLG Hamm 15 W 453/17

Detaillierte Analyse der einzelnen Aspekte:

1. Testierfähigkeit:

Gemäß § 2229 Abs. 4 BGB ist testierunfähig, wer aufgrund einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit, Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung

nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.   

Das OLG Hamm kam nach eingehender Prüfung aller Beweise zu dem Schluss, dass dies nicht der Fall war.

2. Beweisaufnahme:

Um die Frage der Testierfähigkeit zu klären, führte das Gericht eine umfassende Beweisaufnahme durch.

Neben der Einholung eines Sachverständigengutachtens wurden auch ärztliche Behandlungsunterlagen angefordert und Zeugen, darunter der beurkundende Notar und der Betreuer der Erblasserin, vernommen.

Mehrere Testamente – Fragliche Testierfähigkeit – OLG Hamm 15 W 453/17

Besonders hervorzuheben ist die sorgfältige Analyse der medizinischen Unterlagen und die Berücksichtigung der Aussagen des Sachverständigen,

der die Entwicklung des Krankheitsbildes der Erblasserin detailliert nachvollzog und die Auswirkungen der Medikation auf ihre Testierfähigkeit beurteilte.

3. Bedeutung des Sachverständigengutachtens:

Das Sachverständigengutachten von Dr. med. U war von entscheidender Bedeutung für die Feststellung der Testierfähigkeit.

Der Sachverständige analysierte die Krankengeschichte der Erblasserin und kam zu dem Schluss, dass ihre psychischen Beeinträchtigungen im Jahr 2004 nicht so schwerwiegend waren,

dass sie ihre Fähigkeit zur freien Willensbildung und zur Beurteilung der Tragweite ihrer testamentarischen Verfügung aufgehoben hätten.

Das Gericht folgte den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen und würdigte insbesondere seine Expertise in den relevanten medizinischen Fachgebieten.

Mehrere Testamente – Fragliche Testierfähigkeit – OLG Hamm 15 W 453/17

Fazit und praktische Implikationen:

Der Beschluss des OLG Hamm unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Beweisaufnahme bei der Beurteilung der Testierfähigkeit,

insbesondere wenn der Erblasser unter Betreuung stand oder an einer psychischen Erkrankung litt.

Die Einholung eines fundierten Sachverständigengutachtens ist in solchen Fällen unerlässlich.

Der Beschluss zeigt auch, dass eine Betreuung oder eine psychische Erkrankung nicht automatisch zur Testierunfähigkeit führt.

Es kommt vielmehr auf den individuellen Einzelfall und den konkreten Gesundheitszustand des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung an.

Für die Praxis bedeutet dies, dass bei Zweifeln an der Testierfähigkeit eine umfassende medizinische Dokumentation und

gegebenenfalls eine notarielle Beratung hilfreich sein können, um die Wirksamkeit des Testaments zu gewährleisten.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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