Mehrere widersprechende Erbscheine – Richtigkeitsvermutung – Öffentlicher Glaube

Juli 1, 2019

Mehrere widersprechende Erbscheine – Richtigkeitsvermutung – Öffentlicher Glaube

BGH V ZR 142/59

RA und Notar Krau

Der Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 28.10.1959 behandelt die Rechtsfolgen des Vorhandenseins mehrerer widersprüchlicher Erbscheine,

insbesondere im Hinblick auf die Richtigkeitsvermutung und den öffentlichen Glauben des Erbscheins.

Sachverhalt:

Die Eltern der Parteien hatten ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig zu Vorerben und ihre drei Kinder zu Nacherben einsetzten.

Nach dem Tod des Vaters wurden zunächst mehrere Erbscheine mit unterschiedlichem Inhalt erteilt.

Während der Gültigkeit eines Erbscheins, der die Mutter als Alleinerbin auswies, übertrug diese den gesamten Nachlassgrundbesitz auf den Beklagten, einen der Söhne.

Später wurde dieser Erbschein eingezogen und ein neuer Erbschein erteilt, der die Mutter als Vorerbin und die drei Kinder als Nacherben auswies.

Mehrere widersprechende Erbscheine – Richtigkeitsvermutung – Öffentlicher Glaube

Der Kläger, ein weiterer Sohn, verlangte die Berichtigung des Grundbuchs, da die Übertragung des Grundbesitzes an den Beklagten eine unentgeltliche und damit unwirksame Verfügung der Vorerbin gewesen sei.

Entscheidung des BGH:

Der BGH wies die Revision des Beklagten zurück und bestätigte die Entscheidung des Berufungsgerichts, die die Klage des Klägers auf Grundbuchberichtigung zugab.

Wesentliche Punkte der Begründung:

  • Widersprüchliche Erbscheine: Bei mehreren einander widersprechenden Erbscheinen entfällt für jeden Erbschein, soweit ein Widerspruch besteht, nicht nur die Vermutung für seine Richtigkeit, sondern auch die Wirkung des öffentlichen Glaubens.   
  • Kein Schutz des § 2366 BGB: Der Erwerber eines Nachlassgegenstandes kann sich in diesem Fall nicht auf den öffentlichen Glauben des Erbscheins berufen, selbst wenn er die Unrichtigkeit des Erbscheins nicht kannte.
  • Unentgeltliche Verfügung: Die Übertragung des Grundbesitzes an den Beklagten stellte eine unentgeltliche Verfügung der Vorerbin dar und war daher nach § 2113 Abs. 2 BGB unwirksam, da sie das Recht der Nacherben beeinträchtigte.
  • Bewertung des Grundbesitzes: Der BGH bestätigte die Bewertung des Grundbesitzes durch das Berufungsgericht und wies die Einwände des Beklagten zurück.

Mehrere widersprechende Erbscheine – Richtigkeitsvermutung – Öffentlicher Glaube

Fazit:

Der Beschluss des BGH verdeutlicht die Rechtsfolgen widersprüchlicher Erbscheine.

Der öffentliche Glaube des Erbscheins entfällt in diesem Fall, so dass sich der Erwerber eines Nachlassgegenstandes nicht auf die Richtigkeit des Erbscheins verlassen kann.

Die Entscheidung zeigt auch die Bedeutung der Vorschrift des § 2113 Abs. 2 BGB zum Schutz der Nacherben vor unentgeltlichen Verfügungen des Vorerben.

Zusätzliche Hinweise:

  • Die Entscheidung des BGH ist weiterhin relevant für die Praxis des Erbrechts und des Grundbuchverkehrs.
  • Sie zeigt die Bedeutung der sorgfältigen Prüfung von Erbscheinen und Grundbucheintragungen, insbesondere bei komplexen erbrechtlichen Verhältnissen.
  • Im Einzelfall ist eine anwaltliche Beratung sinnvoll, um die rechtlichen Konsequenzen von Erbscheinen und Grundstücksübertragungen zu klären.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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