Mehrfachbeteiligung an einer Personengesellschaft – Erbrecht vor Gesellschaftsrecht?
Aufsatz von Rechtsanwalt Dr. Daniel Kollmeyer, NJW 2018, 3750
Der Beitrag von Dr. Kollmeyer befasst sich mit der komplexen Frage, welche Auswirkungen es hat, wenn ein Erbe, der bereits Gesellschafter einer Personengesellschaft ist, im Wege der Erbfolge einen weiteren,
möglicherweise mit erbrechtlichen Anordnungen wie Vor- und Nacherbschaft oder Dauertestamentsvollstreckung belasteten Gesellschaftsanteil hinzuerwirbt.
Ein erhebliches praktisches Bedürfnis für solche Anordnungen besteht insbesondere dann, wenn Erben minderjährig oder unternehmerisch unerfahren sind
und die familiäre Bindung des Unternehmensvermögens sichergestellt werden soll.
Der Artikel untersucht, ob in solchen Fällen ausnahmsweise eine sogenannte Mehrfachbeteiligung an der Personengesellschaft entstehen kann,
obwohl das Gesellschaftsrecht grundsätzlich von der Einheitlichkeit der Beteiligung ausgeht.
Während im GmbH-Recht gemäß § 15 Abs. 2 GmbHG mehrere Geschäftsanteile eines Gesellschafters selbstständig bleiben, fehlt eine vergleichbare Regelung im Personengesellschaftsrecht.
Der Beitrag analysiert die bisherige Rechtsprechung und Fachliteratur, um die Möglichkeit einer Mehrfachbeteiligung zu beleuchten und alternative Lösungsansätze aufzuzeigen,
die die mit solchen Konstellationen einhergehende Rechtsunsicherheit vermeiden sollen.
Die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) hat sich primär mit Fällen auseinandergesetzt,
in denen ein Gesellschafter durch Erbfall eine mit Testamentsvollstreckung belastete Beteiligung erworben hat.
Der II. Senat, zuständig für Gesellschaftsrecht, ging in einem Fall der Umwandlung einer AG in eine KG davon aus, dass das Verwaltungsrecht eines Testamentsvollstreckers hinsichtlich eines Teils der Aktien
eines Aktionärs insgesamt untergeht, wenn dieser infolge der Umwandlung Kommanditist wird.
Er argumentierte, dass es unmöglich sei, einem Gesellschafter innerhalb einer Personengesellschaft einen unbeschränkten und einen durch Testamentsvollstreckung gebundenen Anteil zuzuweisen, da der
Gesellschaftsanteil notwendigerweise eine Einheit bilde und keiner Aufspaltung oder unterschiedlichen rechtlichen Gestaltung zugänglich sei.
Demgegenüber befasste sich der IV. Senat, zuständig für Erbrecht, mit einem Fall, in dem Ehegatten als alleinige Gesellschafter einer OHG ein gemeinsames Geschäft führten
und die vorverstorbene Ehefrau ihren Mann als Alleinerben und Dauertestamentsvollstrecker einsetzte.
Der IV. Senat stellte klar, dass auch eine durch Sondererbfolge auf mehrere Erben übergegangene und damit geteilte Beteiligung an einer Personengesellschaft zum Nachlass gehört.
Von zentraler Bedeutung sei die Funktion des Nachlasses als Haftungsobjekt für Nachlassverbindlichkeiten.
Die formale Zuordnung zum Eigenvermögen des Erben werde materiell durch die Haftungsordnung überlagert,
wonach Nachlassgläubiger vor den Eigengläubigern des Erben Zugriff auf das Erblasservermögen haben.
Im konkreten Fall eines persönlich haftenden Gesellschafters konnte der Testamentsvollstrecker zwar nicht die mit der Mitgliedschaft verbundenen Verwaltungsrechte ausüben, jedoch verhinderte die
Zuordnung des geerbten Anteils zum Nachlass, dass der Gesellschaftererbe darüber verfügen oder seine Eigengläubiger in diesen vollstrecken konnten.
Dies führte dazu, dass die Gesellschaft trotz der Vereinigung aller Anteile in der Hand des verbleibenden Gesellschafters für das zu entscheidende Rechtsverhältnis als nicht erloschen galt
und der geerbte Anteil weiterhin der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterlag.
Der II. Senat hatte später Gelegenheit, zur Dauertestamentsvollstreckung an einer Kommanditbeteiligung Stellung zu nehmen.
Er stellte fest, dass eine solche Testamentsvollstreckung grundsätzlich mit der Rechtsstellung eines Kommanditisten vereinbar sei,
da die Bedenken hinsichtlich der unbeschränkten Haftung eines persönlich haftenden Gesellschafters hier nicht greifen.
Die Frage der Auswirkungen einer Dauertestamentsvollstreckung bei einem bereits beteiligten Erben ließ der II. Senat jedoch ausdrücklich offen.
In einer weiteren Entscheidung ging der IV. Senat auf die Unterschiede zwischen den beiden Senaten ein und stellte fest, dass auch der II. Senat dem Fortbestand der Testamentsvollstreckung an den
übertragbaren Vermögensrechten des ererbten Anteils nicht entgegenstehe.
Für den konkreten Fall, in dem es um die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses für die Beteiligung eines GbR-Gesellschafters ging, genügte es dem IV. Senat festzustellen, dass auch die
Sichtweise des II. Senats Raum für eine Testamentsvollstreckung lasse, die die Geschäftsführung unberührt lässt und sich auf die Wahrnehmung der Vermögensrechte beschränkt.
Die Grenzen der Befugnisse des Testamentsvollstreckers blieben jedoch ungeklärt.
In der Fachliteratur wird die Einheitlichkeit der Personengesellschaftsbeteiligung nicht uneingeschränkt aufrechterhalten.
Kritiker wie Lüttge und Esch argumentieren, dass die Rechtsprechung des II. Senats keine überzeugende Begründung für die notwendige Einheitlichkeit liefere und dies zu unbilligen Ergebnissen führe, indem
zulässige Belastungen von Gesellschaftsanteilen scheitern, wenn der Erwerber bereits Gesellschafter ist.
Das Fehlen einer § 15 Abs. 2 GmbHG entsprechenden Regelung im Personengesellschaftsrecht bedeute nicht automatisch ein Verbot der Mehrfachbeteiligung.
Zudem basiere das Dogma der Einheitlichkeit auf einem überholten Bild der Personengesellschaften.
Ob eine einheitliche oder mehrfache Beteiligung vorliege, hänge vom Willen der Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag ab.
Eine Mehrfachbeteiligung sei innerhalb der Gesellschaft dokumentierbar, beispielsweise durch Unterkonten in den Kapitalkonten.
Hinsichtlich der Vereinbarkeit von Kommanditisten- und Komplementärstellung wird differenziert:
Im Außenverhältnis bei Haftungsfragen sei eine Mehrfachbeteiligung ausgeschlossen, im Innenverhältnis jedoch unabhängig von der Haftungsstellung zu beurteilen.
Das Deutsche Notarinstitut hält es für denkbar, sogar bei einer eigenen Kommanditistenstellung und einer ererbten Komplementärbeteiligung mit Testamentsvollstreckung ein Nebeneinander zuzulassen.
Die Rechtslage sei jedoch aufgrund der bisherigen Rechtsprechung noch offen.
Teilweise wird angenommen, dass die Testamentsvollstreckung bei einem vereinigten Kommanditanteil zumindest hinsichtlich der Vermögensrechte fiktiv fortbestehe.
Kämper geht davon aus, dass im Fall der Sondererbfolge eines Kommanditanteils unter Testamentsvollstreckung an einen Mitgesellschafter beide Anteile unabhängig bleiben.
Die Kommentarliteratur tendiert ebenfalls zur Annahme eines abspaltbaren Sondervermögens, um den praktischen Bedürfnissen gerecht zu werden.
Dr. Kollmeyer argumentiert, dass die Frage der Zulässigkeit einer Mehrfachbeteiligung nicht primär nach dem Vorrang des Erb- oder Gesellschaftsrechts zu beantworten sei, sondern nach der Systematik des Gläubigerschutzes.
Entscheidend sei, wie der Gesetzgeber die Stellung der verschiedenen Gläubiger (Eigengläubiger des Erben und Nachlassgläubiger) in Bezug auf die bisherige und die geerbte Beteiligung bewerte.
Die Begründung für den Fortbestand einer belastet hinzuerworbenen Beteiligung als Sonderrecht liege bereits im Urteil des IV. Senats (II 2), auch wenn dieser das erbrechtliche Haftungsregime primär zur
Bestätigung der Nachlasszugehörigkeit der durch Singularsukzession übergegangenen Beteiligung herangezogen habe.
Die Testamentsvollstreckung schließt die Verfügungsbefugnis des Erben (§ 2211 BGB) und den Zugriff seiner Eigengläubiger auf den Nachlass (§ 2214 BGB) aus.
Eine Vereinigung des belastet geerbten Anteils mit dem unbelasteten Eigenanteil würde die Haftungsordnung beeinträchtigen,
da entweder Eigengläubiger oder Nachlassgläubiger diesen einheitlichen Anteil zum Gegenstand von Vollstreckungsmaßnahmen machen könnten.
Auch im Falle der Insolvenz des Erben besteht die Testamentsvollstreckung fort, sodass der Insolvenzverwalter nicht über den Nachlass verfügen kann (§ 80 Abs. 1 InsO).
Eine einheitliche Beteiligung könnte nicht gleichzeitig teilweise der Verwaltungsbefugnis des Testamentsvollstreckers und teilweise der des Insolvenzverwalters unterliegen.
Würde eine einheitliche Beteiligung angenommen, die insgesamt der Testamentsvollstreckung unterläge, würde der Haftungsgegenstand „Nachlass“ zulasten der Eigengläubiger erweitert.
Wäre die Testamentsvollstreckung hingegen rechtlich nicht durchführbar, würde der Haftungsgegenstand zulasten der Nachlassgläubiger geschmälert.
Grundsätzlich herrsche jedoch Einigkeit zwischen Erb- und Gesellschaftsrechtssenat des BGH über die Nachlasszugehörigkeit einer durch Singularsukzession erworbenen Personengesellschaftsbeteiligung.
Angesichts der fortbestehenden Rechtsunsicherheit empfiehlt Dr. Kollmeyer verschiedene Ersatzlösungen sowohl für lebzeitige Übertragungen als auch für die Testamentsgestaltung.
Bei Schenkungsverträgen mit Nießbrauchsvorbehalt könnte bereits eine Verpflichtung des Beschenkten aufgenommen werden, die geschenkte Beteiligung im Falle einer Testamentsvollstreckung durch den
Schenker der Verwaltung des Testamentsvollstreckers zu unterstellen und ihm entsprechende Vollmachten zu erteilen.
Eine solche Regelung verhindert jedoch nicht die Entstehung einer Mehrfachbeteiligung, sondern stellt lediglich eine schuldrechtliche Verpflichtung dar und greift nicht dinglich in die Verfügungsbefugnis ein.
Zudem würde unzulässigerweise in die erbrechtliche Haftungsordnung eingegriffen, wenn durch eine schuldrechtliche Verpflichtung ein Vollstreckungsschutz
gegen Eigengläubiger auch für den lebzeitig übertragenen Anteil erreicht werden könnte.
Als Auflagenlösung (§§ 2192 ff. BGB) könnte der Erblasser seine Erben verpflichten, die auf die geerbten Anteile entfallenden entnahmefähigen Gewinne während der Dauer der Testamentsvollstreckung einem
Testamentsvollstrecker zur Verwaltung zur Verfügung zu stellen und ihm die Ausübung der Verwaltungsrechte zu überlassen.
Der Testamentsvollstrecker wäre allein vollziehungsberechtigt.
Die Erfüllung der Auflage könnte durch eine Erbeinsetzung unter auflösender Bedingung der Nichterfüllung gesichert werden.
Bei dieser Lösung soll die Testamentsvollstreckung nicht die Mitgliedschaft selbst erfassen, sondern dem Testamentsvollstrecker
die Überwachung und Durchsetzung der Auflage sowie die Verwaltung der überlassenen Gewinnanteile übertragen.
Die Ausübung der Verwaltungsrechte erfolgt als Bevollmächtigter, nicht kraft des Amtes als Testamentsvollstrecker.
Diese Lösung vermeidet eine Mehrfachbeteiligung, da die Verfügungsbefugnis des Erben und der Zugriff seiner Eigengläubiger
auf die Gesellschaftsbeteiligung als Nachlassgegenstand nicht ausgeschlossen werden.
Die Auflagenlösung bietet zudem den Vorteil, dass sie sich auch auf bereits lebzeitig übertragene Anteile und somit auf die einheitliche Beteiligung des Gesellschaftererben insgesamt beziehen kann und als
Zweckauflage ausgestaltet werden kann, um den rechtlichen Gleichlauf von lebzeitig geschenkten und von Todes wegen erworbenen Anteilen zu gewährleisten.
Alternativ zur Vor- und Nacherbschaft kommt eine Vor- und Nachvermächtnislösung (§ 2191 BGB) in Betracht.
Der Erbe erhält die Gesellschaftsbeteiligung als Erbe mit dinglicher Wirkung und wird mit einem Herausgabevermächtnis zugunsten
der Nachvermächtnisnehmer beschwert, das aufschiebend bedingt durch seinen Tod anfällt.
Der Vorteil dieser Lösung ist, dass der Erbe eine einheitliche Beteiligung ohne unterschiedliche dingliche Belastungen erhält und sich das Vermächtnis als Verschaffungsvermächtnis (§ 2170 BGB) auf die gesamte
– auch nicht zum Nachlass gehörende – Mitgliedschaft beziehen kann, während sich das Recht des Nacherben bei einer Vor- und Nacherbschaft nur auf den geerbten Anteil erstreckt.
Der Beitrag zeigt, dass aufgrund der gesetzlichen Regelungen zum Gläubigerschutz bei erbrechtlichen Anordnungen eine Mehrfachbeteiligung an einer Personengesellschaft entstehen kann,
wenn ein Erbe zu seinem bestehenden Anteil einen unterschiedlich belasteten Anteil hinzuerwirbt.
Da die Rechtsfolgen einer solchen Mehrfachbeteiligung unsicher sind, sollten alternative Gestaltungen in Betracht gezogen werden.
Bereits bei lebzeitigen Übertragungen können schuldrechtliche Verpflichtungen zur einheitlichen Verwaltung im Erbfall vereinbart werden.
Die vorgeschlagenen erbrechtlichen Ersatzlösungen über Auflagen und Vermächtnisse bieten den Vorteil, dass sie sich auch auf bereits lebzeitig übertragene Anteile erstrecken und so den rechtlichen Gleichlauf
der Belastung sicherstellen, wobei gleichzeitig testamentarische Drittbestimmungsmöglichkeiten genutzt werden können.
Die fehlende dingliche Sicherung im Vergleich zur Testamentsvollstreckung und Vor- und Nacherbschaft kann je nach den Zielen des Erblassers in Kauf genommen werden.
Der Artikel gibt die alte Rechtslage wieder.
Die Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG), die am 1. Januar 2024 in Kraft getreten ist, hat tiefgreifende Änderungen für Personengesellschaften gebracht.