Merkmale der Gesamtgläubigerschaft

Dezember 10, 2024

Merkmale der Gesamtgläubigerschaft

RA und Notar Krau

Die Gesamtgläubigerschaft, geregelt in § 428 BGB, beschreibt ein Schuldverhältnis, in dem mehrere Gläubiger berechtigt sind,

die gesamte Leistung vom Schuldner zu fordern, obwohl dieser die Leistung nur einmal erbringen muss.

Wesentliche Merkmale:

  • Jeder Gläubiger ist voll forderungsberechtigt: Im Gegensatz zur Gesamthand, bei der die Gläubigergemeinschaft als Ganzes berechtigt ist, kann bei der Gesamtgläubigerschaft jeder Gläubiger die Leistung für sich allein einfordern.
  • Schuldner leistet nur einmal: Der Schuldner erfüllt seine Verpflichtung, indem er die Leistung an einen beliebigen Gläubiger erbringt.
  • Risiko der ungleichen Verteilung: Obwohl die Gläubiger im Innenverhältnis zu gleichen Teilen an der Leistung beteiligt sind (§ 430 BGB), besteht das Risiko, dass ein Gläubiger die gesamte Leistung erhält und die anderen leer ausgehen.

Merkmale der Gesamtgläubigerschaft

Entstehung der Gesamtgläubigerschaft:

Die Gesamtgläubigerschaft kann entweder vertraglich oder gesetzlich begründet sein.

Vertragliche Begründung:

  • Seltenheit: Vertragliche Gesamtgläubigerschaften sind selten, da sie für die Gläubiger Nachteile mit sich bringen können, insbesondere bei teilbaren Leistungen.
  • Oder-Konto: Ein Beispiel für eine modifizierte Gesamtgläubigerschaft ist das Oder-Konto, bei dem jeder Kontoinhaber über das gesamte Guthaben verfügen kann. Hier muss die Bank jedoch an den Gläubiger leisten, der die Leistung zuerst verlangt.
  • Vertrag zugunsten Dritter: Beim echten Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB) kann sowohl der Versprechensempfänger als auch der begünstigte Dritte die Leistung vom Schuldner fordern.
  • Anwaltssozietät: Honorarforderungen an eine Anwaltssozietät stehen den Sozien nicht als Gesamtgläubiger, sondern als Gesamthandsforderung zu.
  • Nachfolge in einen einheitlichen Vertrag: Treten mehrere Personen in einen einheitlichen Vertrag ein, ohne eine Gemeinschaft zu bilden, kann dies ebenfalls zu einer Gesamtgläubigerschaft führen.

Merkmale der Gesamtgläubigerschaft

Gesetzliche Begründung:

  • Beispiele im BGB: Gesamtgläubigerschaft ist in einigen gesetzlichen Bestimmungen vorgesehen, z.B. in § 2151 Abs. 3 BGB (Vermächtnis) und § 525 Abs. 2 BGB (Mietrecht).
  • Sozialversicherungsträger: Mehrere Sozialversicherungsträger, die Leistungen an einen Geschädigten erbringen, sind gemäß § 117 S. 1 SGB X Gesamtgläubiger des Schadensersatzanspruchs gegen den Schädiger.
  • Weitere Beispiele: Gesamtgläubigerschaft besteht auch bei mehreren ausgleichsberechtigten Mitbürgen oder mehreren Kostengläubigern aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss.

Abgrenzung zu anderen Gläubigermehrheiten:

  • Teilgläubigerschaft: Bei der Teilgläubigerschaft hat jeder Gläubiger nur einen Anspruch auf einen Teil der Leistung.
  • Mitgläubigerschaft: Bei der Mitgläubigerschaft müssen die Gläubiger die Leistung gemeinsam fordern.

Problematische Aspekte:

  • Risiko der ungleichen Verteilung: Die Gefahr, dass ein Gläubiger die gesamte Leistung erhält, während die anderen leer ausgehen, stellt einen Nachteil der Gesamtgläubigerschaft dar.
  • Weite Auslegung durch die Rechtsprechung: Die Rechtsprechung tendiert dazu, den Anwendungsbereich des § 428 BGB weit auszulegen, was zu Unsicherheiten führen kann.

Merkmale der Gesamtgläubigerschaft

Fazit:

Die Gesamtgläubigerschaft ist eine komplexe Form der Gläubigermehrheit mit spezifischen Merkmalen und Anwendungsfällen.

Sie bietet dem Schuldner den Vorteil, die Leistung nur einmal erbringen zu müssen, birgt aber für die Gläubiger das Risiko einer ungleichen Verteilung.

Die Abgrenzung zu anderen Formen der Gläubigermehrheit, insbesondere zur Teil- und Mitgläubigerschaft, ist essentiell für die korrekte Anwendung der entsprechenden Rechtsvorschriften.

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