Minderjähriger Erbe kann Erbschaft auch bei Werthaltigkeit ausschlagen

Juni 14, 2025

Minderjähriger Erbe kann Erbschaft auch bei Werthaltigkeit ausschlagen

Zusammenfassung des Beschlusses des Oberlandesgerichts Köln (10 WF 164/18)

RA und Notar Krau


Erbschaft ausschlagen für Minderjährige: Es geht nicht nur ums Geld

Das Oberlandesgericht Köln hat am 13. November 2018 eine wichtige Entscheidung getroffen, die sich mit der Erbausschlagung für Minderjährige befasst. Es ging um ein Mädchen namens U, geboren 2001, deren Großvater 2017 verstorben war. Ihre Mutter wollte die Erbschaft für U ausschlagen, das Amtsgericht Aachen hatte dies aber zunächst abgelehnt.


Der Fall: Eine Erbschaft, die keiner wollte

Der Großvater von U hatte ein Erbe hinterlassen, das aus einem halben Miteigentumsanteil an einem Grundstück bestand. Nach Abzug von Schulden und Beerdigungskosten hätte U etwa 911,01 € geerbt. Das Amtsgericht war der Meinung, dass die Erbschaft nicht überschuldet war und daher angenommen werden sollte.

Doch die Mutter legte Beschwerde ein, weil U selbst die Erbschaft nicht annehmen wollte. Der Grund: Sie hatte sich schon lange von ihrem Großvater entfremdet und wollte nichts von ihm. Hinzu kam, dass auch andere Verwandte, die eigentlich vor U erbberechtigt gewesen wären, die Erbschaft bereits ausgeschlagen hatten.

Minderjähriger Erbe kann Erbschaft auch bei Werthaltigkeit ausschlagen


Die Entscheidung des Oberlandesgerichts: Das Wohl des Kindes zählt

Das Oberlandesgericht Köln hat die Entscheidung des Amtsgerichts aufgehoben und die Erbausschlagung für U genehmigt. Der Kernpunkt der Entscheidung ist, dass es bei der Genehmigung einer Erbausschlagung für Minderjährige nicht nur darum geht, ob der Nachlass überschuldet ist oder ob es einen finanziellen Vorteil gibt. Vielmehr muss das Gericht alle Interessen des Kindes umfassend berücksichtigen.

Dazu gehören:

  • Persönliche Gründe: Im Fall von U war entscheidend, dass sie sich vom Großvater entfremdet hatte und die Erbschaft aus persönlichen Gründen nicht wollte. Das Gericht sah ihren Willen, obwohl sie noch minderjährig war (17 ½ Jahre), als ausreichend gefestigt an.
  • Verhalten anderer Erben: Auch die Tatsache, dass andere, vorrangige Erben die Erbschaft bereits ausgeschlagen hatten, spielte eine Rolle. Das deutet darauf hin, dass die Erbschaft möglicherweise auch für sie keine Bereicherung darstellte oder mit Problemen verbunden war.
  • Geringer Wert des Erbes: Obwohl 911,01 € prinzipiell ein Wert sind, ist dieser Betrag im Vergleich zu dem Schonvermögen (das ist ein Betrag, den man haben darf, ohne dass er auf Sozialleistungen angerechnet wird) sehr gering. Bei Leistungsbezug (z.B. Bürgergeld) ist eine Erbausschlagung normalerweise schwierig, weil der Staat dadurch die Möglichkeit verlöre, Leistungen zu kürzen oder zurückzufordern. Hier war der Betrag aber so klein, dass er unter dem Schonvermögen von 3.100 € lag. In solchen Fällen darf der Erbe selbst entscheiden, was er mit dem Geld macht.

Was bedeutet der Beschluss?

Dieser Beschluss macht deutlich, dass das Familiengericht bei der Genehmigung einer Erbausschlagung für Minderjährige nicht nur auf die finanziellen Aspekte schaut. Es berücksichtigt auch die persönlichen Umstände und Wünsche des Kindes, besonders wenn der potenzielle Gewinn aus der Erbschaft gering ist und keine negativen Auswirkungen auf staatliche Leistungen zu befürchten sind. Das Wohl des Kindes steht dabei immer im Vordergrund.


Haben Sie weitere Fragen zu diesem Beschluss oder möchten Sie mehr über Erbrecht für Minderjährige erfahren?

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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