Mit Papas Kreditkarte im Playstore: Vater bekommt 30.000 Euro nicht zurückerstattet

Oktober 19, 2025

Mit Papas Kreditkarte im Playstore: Vater bekommt 30.000 Euro nicht zurückerstattet

Zusammenfassung des Urteils des Landgerichts Karlsruhe (Az.: 2 O 64/23) vom 24.09.2025 zur Anscheinsvollmacht bei unautorisierten In-App-Käufen eines Minderjährigen

Urteil des LG Karlsruhe: Eltern haften für hohe In-App-Käufe des Sohnes

Das Landgericht (LG) Karlsruhe hat entschieden, dass ein Vater keinen Anspruch auf Rückerstattung von über 33.000 Euro hat, die sein minderjähriger Sohn über 20 Monate hinweg unautorisiert durch In-App-Käufe auf einer digitalen Vertriebsplattform (Play Store) ausgegeben hat. Das Gericht stützte seine Entscheidung auf die Rechtsfigur der Anscheinsvollmacht.

Der Fall: Über 33.000 Euro in 20 Monaten

Ein Vater, der beruflich im Softwarebereich tätig ist, hatte für sein eigenes Geschäft ein Nutzerkonto auf einer Vertriebsplattform für digitale Inhalte eingerichtet und seine private Kreditkarte dort als Zahlungsmittel hinterlegt. Dieses Konto und das dazugehörige Tablet überließ er später seinem Sohn (im fraglichen Zeitraum zwischen sieben und achteinhalb Jahre alt).

Obwohl der Vater angab, dem Sohn die unautorisierten Käufe verboten zu haben und von den Transaktionen nichts gewusst zu haben, tätigte der Sohn über einen ungewöhnlich langen Zeitraum von rund 20 Monaten über 1.200 Einzelkäufe in Höhe von mindestens 33.748 Euro. Die Käufe führten monatlich zu Belastungen von teils mehreren tausend Euro. Der Vater bemerkte dies erst nach fast zwei Jahren bei der Überprüfung seiner Kreditkartenabrechnung und forderte das Geld von dem Plattformbetreiber zurück.

Die Entscheidung: Haftung durch Anscheinsvollmacht

Das LG Karlsruhe wies die Klage des Vaters ab. Es entschied, dass die zwischen dem Sohn und dem Plattformbetreiber geschlossenen Kaufverträge über die In-App-Käufe trotzdem wirksam sind. Dies geschieht durch die Anwendung der sogenannten Anscheinsvollmacht auf den volljährigen Vater.

Mit Papas Kreditkarte im Playstore: Vater bekommt 30.000 Euro nicht zurückerstattet

Was ist die Anscheinsvollmacht?

Normalerweise kann ein Kind zwischen 7 und 18 Jahren ohne Zustimmung der Eltern keine wirksamen Verträge abschließen. Der Kauf ist zunächst „schwebend unwirksam“. Die Anscheinsvollmacht ist eine Ausnahme:

Sie liegt vor, wenn:

Jemand (der Scheinvertreter, hier der Sohn) im Namen eines anderen (des Vertretenen, hier der Vater) handelt, ohne tatsächlich bevollmächtigt zu sein.

Der Vertretene dieses Handeln hätte erkennen und verhindern können, wenn er seine Sorgfaltspflicht beachtet hätte.

Der Geschäftspartner (die Plattform) annehmen durfte, der Vertretene würde das Handeln kennen und billigen. Dies setzt in der Regel eine gewisse Dauer und Häufigkeit des Handelns voraus.

Die Zurechnung an den Vater

Das Gericht sah diese Voraussetzungen als erfüllt an und rechnete die Käufe dem Vater zu:

Rechtsschein gesetzt:

Der Vater hatte das Konto mit hinterlegter Kreditkarte eingerichtet und selbst die ersten Käufe mit dem Sohn getätigt. Zudem blieb die Nutzung des Kontos für fast zwei Jahre unbeanstandet.

Dauer und Häufigkeit:

Die 1.210 Käufe über 20 Monate mit einem derart hohen Gesamtvolumen begründen einen Rechtsschein, der über eine bloß kurzzeitige unautorisierte Nutzung hinausgeht.

Schuldhafte Verursachung:

Der Vater war als Software-Unternehmer mit der Materie vertraut, unterließ es aber, elementare Sicherheitsmaßnahmen zu treffen. Er hätte die Käufe bei pflichtgemäßer Sorgfalt erkennen und verhindern können, indem er:

Die hinterlegte E-Mail-Adresse für die Quittungen überprüfte (was er über Jahre nicht tat).

Seine Kreditkartenabrechnungen regelmäßig prüfte.

Verfügbare Sicherheitsfunktionen (wie die Einrichtung eines Kinderkontos oder eines Kauf-Budgets) aktivierte.

Minderjährigkeit unerheblich:

Die Tatsache, dass der Handelnde der Sohn (und damit beschränkt geschäftsfähig) war, stand der Anscheinsvollmacht nicht entgegen, da diese Regeln den volljährigen Kontoinhaber belasten.

Fazit und Lehren

Das Urteil macht deutlich, dass Eltern eine erhebliche eigene Verantwortung bei der Überlassung von Geräten mit hinterlegten Zahlungsmitteln an Kinder tragen:

Bei einer hohen Anzahl und Dauer der unautorisierten Käufe können die Eltern haften.

Die Plattformbetreiber dürfen auf die Autorisierung durch den Kontoinhaber vertrauen, wenn die Käufe nicht unverzüglich beanstandet werden.

Eltern müssen alle zumutbaren Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen (E-Mail-Quittungen prüfen, Kreditkartenabrechnungen kontrollieren, Kindersicherungen/Budgets einrichten) ergreifen. Eine bloße mündliche Absprache mit dem Kind reicht bei einem derart langen Zeitraum nicht aus.

RA und Notar Krau

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein konstenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

Apartmenthaus Wohnungseigentum

Formelle Anforderungen an die Betriebskostenabrechnung bei Gebäuden mit mehreren Wohneinheiten

November 14, 2025
Formelle Anforderungen an die Betriebskostenabrechnung bei Gebäuden mit mehreren WohneinheitenDies ist eine Zusammenfassung eines wichtigen Geri…
Apartmenthaus Wohnungseigentum

Unwirksame Schönheitsreparaturklausel

November 14, 2025
Unwirksame SchönheitsreparaturklauselGericht: AG Hamburg Entscheidungsdatum: 24.10.2025 Rechtskraft: ja Aktenzeichen: 49 C 518/24 Dokumenttyp: U…
paragraph

Von Aktionären der Wirecard AG angemeldete Ansprüche sind keine einfachen Insolvenzforderungen

November 14, 2025
Von Aktionären der Wirecard AG angemeldete Ansprüche sind keine einfachen InsolvenzforderungenBGH Urteil vom 13. November 2025 – IX ZR 127/24…