Mit Papas Kreditkarte im Playstore: Vater bekommt 30.000 Euro nicht zurückerstattet
Zusammenfassung des Urteils des Landgerichts Karlsruhe (Az.: 2 O 64/23) vom 24.09.2025 zur Anscheinsvollmacht bei unautorisierten In-App-Käufen eines Minderjährigen
Das Landgericht (LG) Karlsruhe hat entschieden, dass ein Vater keinen Anspruch auf Rückerstattung von über 33.000 Euro hat, die sein minderjähriger Sohn über 20 Monate hinweg unautorisiert durch In-App-Käufe auf einer digitalen Vertriebsplattform (Play Store) ausgegeben hat. Das Gericht stützte seine Entscheidung auf die Rechtsfigur der Anscheinsvollmacht.
Ein Vater, der beruflich im Softwarebereich tätig ist, hatte für sein eigenes Geschäft ein Nutzerkonto auf einer Vertriebsplattform für digitale Inhalte eingerichtet und seine private Kreditkarte dort als Zahlungsmittel hinterlegt. Dieses Konto und das dazugehörige Tablet überließ er später seinem Sohn (im fraglichen Zeitraum zwischen sieben und achteinhalb Jahre alt).
Obwohl der Vater angab, dem Sohn die unautorisierten Käufe verboten zu haben und von den Transaktionen nichts gewusst zu haben, tätigte der Sohn über einen ungewöhnlich langen Zeitraum von rund 20 Monaten über 1.200 Einzelkäufe in Höhe von mindestens 33.748 Euro. Die Käufe führten monatlich zu Belastungen von teils mehreren tausend Euro. Der Vater bemerkte dies erst nach fast zwei Jahren bei der Überprüfung seiner Kreditkartenabrechnung und forderte das Geld von dem Plattformbetreiber zurück.
Das LG Karlsruhe wies die Klage des Vaters ab. Es entschied, dass die zwischen dem Sohn und dem Plattformbetreiber geschlossenen Kaufverträge über die In-App-Käufe trotzdem wirksam sind. Dies geschieht durch die Anwendung der sogenannten Anscheinsvollmacht auf den volljährigen Vater.
Normalerweise kann ein Kind zwischen 7 und 18 Jahren ohne Zustimmung der Eltern keine wirksamen Verträge abschließen. Der Kauf ist zunächst „schwebend unwirksam“. Die Anscheinsvollmacht ist eine Ausnahme:
Sie liegt vor, wenn:
Jemand (der Scheinvertreter, hier der Sohn) im Namen eines anderen (des Vertretenen, hier der Vater) handelt, ohne tatsächlich bevollmächtigt zu sein.
Der Vertretene dieses Handeln hätte erkennen und verhindern können, wenn er seine Sorgfaltspflicht beachtet hätte.
Der Geschäftspartner (die Plattform) annehmen durfte, der Vertretene würde das Handeln kennen und billigen. Dies setzt in der Regel eine gewisse Dauer und Häufigkeit des Handelns voraus.
Das Gericht sah diese Voraussetzungen als erfüllt an und rechnete die Käufe dem Vater zu:
Der Vater hatte das Konto mit hinterlegter Kreditkarte eingerichtet und selbst die ersten Käufe mit dem Sohn getätigt. Zudem blieb die Nutzung des Kontos für fast zwei Jahre unbeanstandet.
Die 1.210 Käufe über 20 Monate mit einem derart hohen Gesamtvolumen begründen einen Rechtsschein, der über eine bloß kurzzeitige unautorisierte Nutzung hinausgeht.
Der Vater war als Software-Unternehmer mit der Materie vertraut, unterließ es aber, elementare Sicherheitsmaßnahmen zu treffen. Er hätte die Käufe bei pflichtgemäßer Sorgfalt erkennen und verhindern können, indem er:
Die hinterlegte E-Mail-Adresse für die Quittungen überprüfte (was er über Jahre nicht tat).
Seine Kreditkartenabrechnungen regelmäßig prüfte.
Verfügbare Sicherheitsfunktionen (wie die Einrichtung eines Kinderkontos oder eines Kauf-Budgets) aktivierte.
Die Tatsache, dass der Handelnde der Sohn (und damit beschränkt geschäftsfähig) war, stand der Anscheinsvollmacht nicht entgegen, da diese Regeln den volljährigen Kontoinhaber belasten.
Das Urteil macht deutlich, dass Eltern eine erhebliche eigene Verantwortung bei der Überlassung von Geräten mit hinterlegten Zahlungsmitteln an Kinder tragen:
Bei einer hohen Anzahl und Dauer der unautorisierten Käufe können die Eltern haften.
Die Plattformbetreiber dürfen auf die Autorisierung durch den Kontoinhaber vertrauen, wenn die Käufe nicht unverzüglich beanstandet werden.
Eltern müssen alle zumutbaren Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen (E-Mail-Quittungen prüfen, Kreditkartenabrechnungen kontrollieren, Kindersicherungen/Budgets einrichten) ergreifen. Eine bloße mündliche Absprache mit dem Kind reicht bei einem derart langen Zeitraum nicht aus.
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