Mobbing – materieller Schaden – Gesundheitsverletzung – Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

November 1, 2025

Mobbing – materieller Schaden – Gesundheitsverletzung – Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

Zusammenfassung des Urteils des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 15. September 2016 – 8 AZR 351/15,


BAG-Urteil zu Schadensersatz wegen „Mobbings“ (8 AZR 351/15)

Worum ging es in diesem Fall?

Eine ehemalige Mitarbeiterin (Klägerin) verklagte ihren früheren Arbeitgeber (Beklagte), eine Einrichtung der Caritas, auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 Euro. Sie war der Ansicht, sie sei am Arbeitsplatz über einen längeren Zeitraum hinweg „Mobbing“ ausgesetzt gewesen, was zu einer psychischen Erkrankung (Depressionen) geführt habe.

Die Klägerin führte als angebliche Mobbing-Handlungen unter anderem folgende Punkte an:

  • Entzug einer geplanten sonderpädagogischen Zusatzausbildung durch ihren Vorgesetzten.
  • Eine kurzfristige Versetzung in einen anderen Bereich mit angeblich zu schweren körperlichen Aufgaben.
  • Mehrere Abmahnungen und eine fristlose Kündigung (die später im Rahmen eines Vergleichs zurückgenommen wurde).
  • Systematische Anfeindungen und Störung des Betriebsklimas durch den Vorgesetzten.

Die Arbeitgeberin wies die Vorwürfe zurück und sah die Ursache in betrieblichen Konflikten, der mangelnden Eignung der Klägerin für die Gruppenleitung und ihrem eigenen störenden Verhalten (z. B. Nichteinhalten des Dienstwegs bei Beschwerden, negatives Äußern über Kollegen). Außerdem machte die Arbeitgeberin geltend, eventuelle Ansprüche seien wegen einer Ausschlussfrist (sechs Monate nach Fälligkeit) verfallen.

Mobbing – materieller Schaden – Gesundheitsverletzung – Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts


Wie haben die Gerichte entschieden?

Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht (LAG) wiesen die Klage der Mitarbeiterin ab. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) bestätigte diese Entscheidung und wies die Revision (die Berufung in die letzte Instanz) der Klägerin zurück.

Das BAG urteilte, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen Mobbing hat.


Die wichtigsten Argumente des BAG

Das Gericht betonte, dass nicht jeder Streit, jede Meinungsverschiedenheit oder jede (auch ungerechtfertigte) Maßnahme des Arbeitgebers (wie eine Abmahnung oder Kündigung) automatisch eine Verletzung der Pflichten oder Rechte des Arbeitnehmers darstellt, die einen Schadensersatzanspruch auslöst. Normale Konfliktsituationen im Arbeitsleben begründen in der Regel kein Mobbing.

Die Richter prüften alle von der Klägerin vorgetragenen Vorfälle einzeln und in ihrer Gesamtheit und kamen zu dem Schluss:

  1. Keine Feststellung von Mobbing: Das Gericht konnte keine systematische Schikane oder einen rechtswidrigen und vorwerfbaren Angriff auf die Gesundheit der Klägerin feststellen.
  2. Berechtigtes Handeln:
    • Die Entscheidung, die Klägerin nicht zur Gruppenleiterin zu machen und die Fortbildung abzubrechen, lag im Beurteilungsspielraum der Arbeitgeberin, da sie die Eignung der Klägerin (nach internen Konflikten und Beanstandungen) anzweifelte. Die Vereinbarung sah zudem eine Kündigungsmöglichkeit vor.
    • Die Abmahnungen wurden nicht als Mittel der Schikane eingesetzt, sondern reagierten auf ein als störend empfundenes Verhalten der Klägerin (z. B. Störung des Betriebsfriedens, Nichteinhalten des Beschwerdewegs, verspätete Krankmeldung). Es kommt bei Mobbing nicht auf die formelle Richtigkeit jeder Abmahnung an, sondern darauf, ob sie zur Schikane eingesetzt wurde.
    • Die kurzfristige Versetzung in den Fahrdienst war nicht ohne Anlass erfolgt, dauerte nur kurz (eine Woche war geplant) und wurde sofort abgebrochen, als die Klägerin sich über die Schwere der Arbeit beschwerte. Sie stellte deshalb keinen rechtswidrigen Angriff auf die Gesundheit dar.
  3. Fehlende Begründung für Gesamtschau: Die Vorfälle stellten weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit ein Verhalten dar, das eine einheitliche, rechtsverletzende Schikane darstellt. Die Konflikte waren vielmehr auf ein gescheitertes Arbeitsverhältnis zurückzuführen, das von beiden Seiten eskaliert wurde.

Fazit des Urteils: Obwohl es im Arbeitsverhältnis erhebliche Konflikte gab, reichten die vorgetragenen Ereignisse nicht aus, um die Schwelle zum rechtswidrigen Mobbing zu überschreiten. Die Handlungen der Arbeitgeberin (oder ihrer Vorgesetzten) wurden als Reaktion auf Konflikte und in Ausübung von Direktions- oder Beurteilungsrechten gewertet, nicht als vorsätzliche Schikane, die die Rechtsgüter der Klägerin verletzt hätte.


Was bedeutet das Urteil allgemein?

Das Urteil unterstreicht die wichtige Unterscheidung zwischen Mobbing und „normalen“ (wenn auch unangenehmen) Konflikten oder Fehlentscheidungen am Arbeitsplatz:

  • Mobbing ist ein systematisches, feindseliges, schikanöses oder diskriminierendes Verhalten, das darauf abzielt, die Würde oder Gesundheit des Arbeitnehmers zu verletzen. Es muss eine klare Systematik und Zielrichtung zur Herabwürdigung erkennbar sein.
  • Konflikte oder das Ausüben des Direktionsrechts (Weisungsbefugnis) durch den Arbeitgeber (auch wenn es falsch oder ungerechtfertigt erscheint, wie eine unberechtigte Abmahnung) führen allein noch nicht zu einem Schadensersatzanspruch wegen Mobbing.

Um einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Mobbing zu begründen, muss der Arbeitnehmer konkret darlegen, dass die Handlungen des Arbeitgebers oder der Kollegen die Schwelle zur rechtswidrigen Schikane überschritten haben.

RA und Notar Krau

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