Möglichkeit einer Feststellungsklage anstelle einer Leistungsklage bei Erbauseinandersetzung

Oktober 7, 2025

Möglichkeit einer Feststellungsklage anstelle einer Leistungsklage bei Erbauseinandersetzung

OLG Koblenz, Hinweisbeschluss vom 25.10.2013 – 3 U 577/13

Dieser Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz befasst sich hauptsächlich mit zwei zentralen Fragen im Rahmen eines Erbstreits: der Zulässigkeit einer Feststellungsklage im Gegensatz zur Leistungsklage und der Frage, wann ein Gericht einen Sachverständigen mündlich anhören darf.

Der Ausgangspunkt: Ein Erbstreit um ein Hausgrundstück

Die Parteien streiten über das Erbe einer verstorbenen Frau, insbesondere um die Frage, wer ein Hausgrundstück in Koblenz erben soll. Die Erblasserin hinterließ mehrere Testamente mit unterschiedlichen Verfügungen für dieses Hausgrundstück. Ein älteres Testament (1998, bestätigt 2006) begünstigte den Kläger, während eine spätere Testamentsänderung (2005 oder 2006) vier Personen zu gleichen Teilen bedachte. Der Kern des Streits war, welches Testament gültig ist. Das Landgericht (Vorinstanz) entschied zugunsten des Klägers: Es stellte fest, dass die späteren Testamentsänderungen durch die spätere Bestätigung des ursprünglichen Testaments wieder aufgehoben wurden. Der Beklagte legte Berufung ein.

Die Zulässigkeit der Feststellungsklage (Leistungsklage vs. Feststellungsklage)

Der Beklagte rügte, die Klage des Klägers sei unzulässig, weil der Kläger eine Feststellungsklage erhoben hatte, obwohl er eine Leistungsklage hätte erheben müssen.

Was ist der Unterschied?

Leistungsklage: Der Kläger verlangt vom Beklagten eine konkrete Handlung (Leistung), z. B. die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages oder die Abgabe einer bestimmten Willenserklärung. Sie ist vollstreckbar.

Feststellungsklage:

Der Kläger verlangt vom Gericht die rechtsverbindliche Feststellung eines Rechtsverhältnisses, z. B. dass ein bestimmter Vertrag gültig oder ungültig ist oder dass der Beklagte dem Kläger dem Grunde nach haftet.

Möglichkeit einer Feststellungsklage anstelle einer Leistungsklage bei Erbauseinandersetzung

Normalerweise gilt:

Wenn eine Leistungsklage möglich und zumutbar ist, muss diese erhoben werden (dies nennt man die Subsidiarität der Feststellungsklage).

Die Entscheidung des OLG

Das OLG Koblenz bestätigte jedoch, dass die Feststellungsklage in diesem Fall zulässig ist. Es stellt klar, dass die Feststellungsklage nicht subsidiär gegenüber der Leistungsklage ist, wenn der Kläger seinen Anspruch noch nicht beziffern kann oder dies nur durch eine aufwendige Begutachtung möglich wäre.

Im konkreten Erbauseinandersetzungsstreit hätte der Kläger mit einer Leistungsklage die gesamten Modalitäten der Erbauseinandersetzung vorwegnehmen und die Werte aller Nachlassgegenstände bestimmen müssen. Das hätte die Einholung mehrerer teurer Wertgutachten erfordert. Dies sei dem Kläger unzumutbar. Es genügt dem Kläger daher, nur den entscheidenden Teilaspekt (wer das Hausgrundstück erben soll) klären zu lassen, um die komplizierte Erbauseinandersetzung voranzutreiben.

Die Anhörung des Sachverständigen

Der Beklagte rügte auch, das Landgericht habe den Sachverständigen, der ein schriftliches Gutachten erstellt hatte, zu Unrecht mündlich angehört, da es dafür keinen Antrag des Klägers gegeben habe.

Die Entscheidung des OLG

Das OLG wies diesen Einwand zurück. Die Richter sind nicht zwingend an einen Antrag einer Partei gebunden, um einen Sachverständigen anzuhören.

Das Gericht ist zwar verpflichtet, den Sachverständigen auf Antrag einer Partei zu laden und anzuhören.

Es steht jedoch im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, den Sachverständigen auch von Amts wegen (aus eigener Initiative) zur Erläuterung seines Gutachtens anzuhören, wenn es dies für notwendig hält.

Fazit des Beschlusses

Das OLG Koblenz beabsichtigte, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen (daher ein Hinweisbeschluss). Es hielt das Urteil des Landgerichts für richtig:

Die Feststellungsklage war im komplexen Erbstreit zulässig, da eine Leistungsklage eine unzumutbare Kostenbelastung für den Kläger bedeutet hätte.

Die Anhörung des Sachverständigen durch das Gericht war zulässig und erfolgte im Ermessen des Gerichts, auch ohne Antrag einer Partei.

Damit wurde die Feststellung des Landgerichts bestätigt:

Im Rahmen der künftigen Erbauseinandersetzung sind die Beklagten verpflichtet zuzustimmen, dass das Hausgrundstück allein auf den Kläger übertragen wird.

RA und Notar Krau

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