Musterfeststellungsklage wegen Ansprüchen von Verbrauchern auf weitere Zinsbeträge aus Prämiensparverträgen
RA und Notar Krau
Dieses Urteil (Az. 4 MK 2/21) des Oberlandesgerichts Brandenburg vom 26. März 2025 befasst sich mit Prämiensparverträgen der „S-Prämiensparen flexibel“-Reihe, die in den 1990er Jahren von der damaligen Ostdeutschen Sparkasse (heute: [Bank 02]) an Verbraucher ausgegeben wurden.
Im Kern ging es darum, dass die Zinsklauseln in diesen Verträgen unwirksam waren, weil sie keine klaren Regeln zur Zinsanpassung enthielten. Dies führte dazu, dass viele Sparer möglicherweise zu wenig Zinsen erhalten haben.
Ein Verbraucherschutzverband reichte eine sogenannte Musterfeststellungsklage ein. Ziel dieser Klage ist es, wichtige Fragen zu klären, die viele Verbraucher betreffen, ohne dass jeder Einzelne klagen muss. Hier sollten die Voraussetzungen für mögliche Nachzahlungen von Zinsen geklärt werden.
Fehlende klare Zinsanpassung: Die Verträge sahen eine variable Verzinsung vor, aber es gab keine genaue Regelung, wie sich dieser Zins ändern sollte. Formulierungen wie „wird variabel, z.Zt. mit … % verzinst“ waren zu unbestimmt und daher unwirksam.
Prämienstaffelung: Neben dem variablen Zins gab es eine Prämie, die ab dem dritten Sparjahr anstieg und nach 15 Jahren bis zu 50 % der jährlichen Spareinlage betragen konnte. Dies sollte ein Anreiz für langfristiges Sparen sein.
Was das Gericht entschieden hat (und was nicht)
Das Gericht hat mehrere Punkte geklärt:
Das Gericht stellte fest, dass die Zinsanpassung auf Basis der Svensson-Methode erfolgen muss. Das bedeutet, es wird auf die Renditen von siebenjährigen Bundesanleihen zurückgegriffen, die von der Deutschen Bundesbank veröffentlicht werden. Dieser Zins gilt als besonders transparent und bildet die tatsächliche Marktlage am besten ab.
Kein „Gleitzins“: Das Gericht lehnte es ab, einen gleitenden Durchschnitt des Referenzzinses zu verwenden. Ein solcher „Gleitzins“ würde Zinsänderungen nur verzögert an die Sparer weitergeben und wäre für Laien schwer nachvollziehbar.
Laufzeit und Einzahlungen: Das Gericht berücksichtigte, dass die Sparverträge auf eine Langfristigkeit von bis zu 15 Jahren ausgelegt waren, aber die Einzahlungen monatlich erfolgten. Die durchschnittliche Kapitalbindung beträgt daher eher 7,5 Jahre, weshalb siebenjährige Bundesanleihen am besten passen.
Keine Hypothekenpfandbriefe: Hypothekenpfandbriefe wurden als Referenzzinssatz abgelehnt, da sie – wenn auch geringe – Ausfallrisiken bergen und somit nicht mit der Risikolosigkeit von Spareinlagen vergleichbar sind.
Das Gericht entschied, dass die Bank den Zinssatz monatlich und ohne Berücksichtigung einer Zinsschwelle anpassen muss. Die Bank hatte dies bereits anerkannt.
Das Gericht legte fest, dass die Verhältnismethode anzuwenden ist. Das bedeutet, dass das Verhältnis zwischen dem ursprünglich vereinbarten variablen Zinssatz und dem Referenzzinssatz gleich bleiben muss. Steigt der Referenzzins, steigt der Sparzins proportional; sinkt er, sinkt der Sparzins ebenfalls proportional. Negative Zinsen für den Sparer sind dabei ausgeschlossen.
Das Gericht begründete dies damit, dass Chancen und Risiken fair zwischen Sparer und Bank aufgeteilt werden sollten. Die alternative „Differenzmethode“ (fester Zinsabstand) würde die Bank bei steigenden Zinsen zu sehr bevorteilen und bei sinkenden Zinsen den Sparer zu stark benachteiligen.
Die Klage in Bezug auf die Fälligkeit des Anspruchs auf Zinsnachzahlung wurde als unzulässig abgewiesen, da diese Frage in der Rechtsprechung bereits geklärt ist. Der Anspruch entsteht frühestens mit der Beendigung des Sparvertrags.
Die Frage, wann die Verjährungsfrist (3 Jahre) beginnt, wurde ebenfalls behandelt. Das Gericht stellte klar, dass für den Beginn der Verjährung die Kenntnis der tatsächlichen Umstände (unwirksame Klausel, fehlende Anpassung) ausreicht. Es ist nicht erforderlich, dass der Sparer auch die korrekte rechtliche Bewertung dieser Umstände kennt oder die genauen Zinsanpassungsparameter. Auch hier wurde die Klage abgewiesen, da das Gericht keine Unsicherheit in der Rechtslage sah.
Das Gericht wies den Antrag des Klägers ab, dass Verbraucher ein Wahlrecht haben sollten, ob ihr Vertrag aufgrund der unwirksamen Zinsklausel insgesamt unwirksam sein oder durch ergänzende Vertragsauslegung fortgeführt werden soll.
Das deutsche Recht sieht ein solches Wahlrecht nicht vor. Wenn eine Klausel unwirksam ist, wird die Lücke im Vertrag in der Regel durch eine sogenannte ergänzende Vertragsauslegung geschlossen. Nur wenn das Festhalten am so ergänzten Vertrag für eine Partei unzumutbar wäre, käme eine vollständige Unwirksamkeit des Vertrages in Betracht. Auch aus europäischem Recht lässt sich ein solches Wahlrecht nach Ansicht des Gerichts nicht ableiten.
Die Klage in Bezug auf die Feststellung, dass die Bank aus den Spareinlagen Nutzungen in Höhe des gesetzlichen Verzugszinses gezogen hat, wurde als unzulässig abgewiesen. Das Gericht begründete dies damit, dass diese Frage individuell für jeden Einzelfall entschieden werden muss, da die Bank die Möglichkeit hat, nachzuweisen, dass sie geringere Nutzungen erzielt hat.
Für betroffene Sparer bedeutet dieses Urteil:
Es gibt jetzt eine klare Berechnungsgrundlage für die Zinsanpassung ihrer „S-Prämiensparen flexibel“-Verträge.
Die Bank muss die Zinsen monatlich und ohne Schwellenwert anpassen und dabei die Verhältnismethode anwenden, wobei negative Zinsen ausgeschlossen sind.
Die Verjährungsregeln bleiben bestehen; die Kenntnis der rechtlichen Details ist für den Beginn der Verjährung nicht entscheidend.
Es gibt kein generelles Wahlrecht, den Vertrag bei unwirksamen Zinsklauseln vollständig rückabzuwickeln, wenn eine ergänzende Vertragsauslegung möglich ist.
Dieses Urteil schafft mehr Klarheit für die vielen Sparer, die solche Verträge abgeschlossen haben, und könnte die Grundlage für mögliche Nachzahlungen bilden.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.