Nachlassabwicklung mit Vollmachten über den Tod hinaus – Chancen und Risiken
Von Notar Prof. Dr. Christopher Keim, Ingelheim am Rhein, MittBayNot 2021, 207
Die Abwicklung eines Nachlasses mit Vollmachten, die über den Tod hinaus gelten, birgt sowohl Chancen als auch Risiken.
Der folgende Text fasst die zentralen Aspekte des Themas zusammen.
Transmortale und postmortale Vollmachten:
Transmortale Vollmachten gelten bereits zu Lebzeiten und wirken über den Tod hinaus.
Postmortale Vollmachten werden erst mit dem Tod des Vollmachtgebers wirksam.
Funktionen:
Übergangsregelung:
Bis zur Klärung der Erbfolge ermöglicht die Vollmacht eine handlungsfähige Nachlassverwaltung.
Verstärkung einer Testamentsvollstreckung:
Sie füllt Lücken in der Zeit vor Antritt des Testamentsvollstreckeramtes.
Internationale Nachlässe:
Bei Nachlassgegenständen in verschiedenen Ländern vereinfacht sie die Abwicklung.
Erteilung:
Grundsätzlich durch Rechtsgeschäft unter Lebenden.
Eine Erteilung durch Verfügung von Todes wegen ist möglich, aber in der Regel nicht empfehlenswert.
Formfragen:
Grundsätzlich formfrei, jedoch sind öffentlich beglaubigte Vollmachten für Grundbuch- und Handelsregistereintragungen notwendig.
Ausnahmen gelten für Vollmachten im Zusammenhang mit lebensgefährdenden Operationen oder Grundstücksgeschäften.
Eine notarielle Beurkundung hat den Vorteil das die Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers durch den Notar geprüft wird.
Die Beglaubigung durch die Betreuungsbehörde ist inzwischen durch eine Entscheidung des BGH als Grundbuchtauglich bestätigt worden.
Vertretung des Erben:
Der Bevollmächtigte handelt nach dem Tod des Vollmachtgebers als Vertreter des Erben.
Die herrschende Meinung legt den Fokus auf die Wahrung der Interessen des Erblassers.
Es empfiehlt sich, das Innenverhältnis klar zu regeln, um Konflikte zu vermeiden.
Vollmacht an den Alleinerben:
Grundsätzlich möglich, jedoch sind klare Handlungsanweisungen nötig.
Vollmacht über den Tod hinaus zugunsten des Vorerben:
Die Vollmacht kann auch Nacherbenrechte umfassen, jedoch sind Verfügungsbeschränkungen zu beachten.
Vollmacht und/oder Testamentsvollstreckung:
Unterschiedliche Funktionen und Befugnisse.
Kombination beider Instrumente möglich und in bestimmten Fällen sinnvoll.
Vollmacht und Nachlasspflegschaft:
Nachlasspflegschaft ist subsidiär, eine ausreichende Vollmacht kann sie überflüssig machen.
Postmortale Schenkungen am Pflichtteilsrecht vorbei:
Pflichtteilsergänzungsansprüche können entstehen.
Grundbuchrechtliche Grenzen:
Voreintragungsprinzip gemäß § 39 GBO ist zu beachten, jedoch gibt es Ausnahmen.
Eine transmortale oder postmortale Vollmacht berechtigt nicht zur Anmeldung des Eintrittes eines neuen Kommanditisten.
Kontoumschreibung mittels Vollmacht über den Tod hinaus:
Eine Kontovollmacht berechtigt im normalen fall nicht das Konto umzuschreiben.
Auflagen oder Vermächtnisse können die Position stärken, jedoch sind rechtliche Grenzen zu beachten.
Die Vollmacht ist nicht als dauerhafte verwaltung eines einzelkaufmännischen Unternehmens geeignet.
Der Widerruf ist grundsätzlich möglich, jedoch unter bestimmten Bedingungen eingeschränkt.
Der Testamentsvollstrecker kann die vom Erblasser erteilte Vollmacht grundsätzlich Widerrufen.
Die Vollmacht über den Tod hinaus ist ein nützliches Instrument zur Übergangsregelung und bei internationalen Nachlässen.
Sie ersetzt jedoch nicht die Testamentsvollstreckung und ist nicht zur dauerhaften Nachlassverwaltung geeignet.
Um eine Missbrauch der Vollmacht zu vermeiden sollte das Innenverhältnis, zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigten genau geregelt werden.