Nachlasspflegschaft auf den Antrag des Vermieters,
Vertretung der unbekannten Erben
OLG Hamm I-15 W 308/10
Vorinstanz:
Amtsgericht Dortmund, 13 VI 113/10
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Es wird eine Nachlasspflegschaft mit dem Wirkungskreis der Vertretung der unbekannten Erben bei der Beendigung
und Abwicklung des Mietverhältnisses mit dem Gläubiger angeordnet.
Zur Auswahl und Bestellung des Nachlasspflegers wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Die Beschwerde ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft sowie frist- und formgerecht nach §§ 63, 64 FamFG eingelegt.
Der Beschwerdewert des § 61 Abs. 1 FamFG ist nach dem erkennbaren vermögenswerten Interesse des Beteiligten erreicht.
Gegen die Ablehnung der Anordnung einer Nachlasspflegschaft steht dem Nachlassgläubiger, der nach § 1961 BGB
die Nachlasspflegschaft beantragt hat, die Beschwerde gemäß § 59 Abs. 2 FamFG zu.
Dies folgt aus der gesetzlichen Regelung des § 1961 BGB, der die Anordnung der Nachlasspflegschaft auf seinen Antrag zwingend vorsieht
ebenso zur Aufhebung einer unter den Voraussetzungen des § 1961 BGB angeordneten Nachlasspflegschaft:
Die zulässige Beschwerde ist auch begründet.
Das Amtsgericht hat die Anordnung der Nachlasspflegschaft zu Unrecht von der Zahlung eines Vorschusses für die Vergütung und Auslagen des Nachlasspflegers abhängig gemacht.
Der Senat hat sich in seiner Entscheidung vom 05.01.2010 der überwiegenden Rechtsauffassung angeschlossen,
dass die Anordnung der Nachlasspflegschaft bei einem bedürftigen Nachlass nicht davon abhängig gemacht werden kann,
dass der antragstellende Gläubiger die Gerichtskosten vorschießt.
Für die Annahme einer Vorschusspflicht fehlt die erforderliche gesetzliche Grundlage.
§ 8 KostO lässt sich nicht heranziehen, denn der Gläubiger ist nicht Kostenschuldner im Sinne dieser Vorschrift.
Vielmehr haften nach § 6 S. 1 KostO „nur“ die Erben für die Kosten der Nachlasspflegschaft.
Es bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung darüber, ob zu den Kosten, die durch die Anordnung der Nachlasspflegschaft
entstehen, auch die Vergütung und Auslagen des Nachlasspflegers gehören
Denn die Anordnung der Nachlasspflegschaft kann mangels gesetzlicher Grundlage auch dann nicht davon abhängig gemacht werden,
dass der antragstellende Gläubiger die Vergütung und Auslagen des Nachlasspflegers vorschießt,
wenn diese Kosten nicht dem kostenrechtlichen Begriff der Gebühren und Auslagen unterfallen.
Die weiteren Voraussetzungen des § 1961 BGB liegen vor.
Der Beteiligte schreibt sich nicht offensichtlich unbegründete Ansprüche gegen den Nachlass zu.
Dies gilt in jedem Fall hinsichtlich der seit dem Ableben des Erblassers aufgelaufenen Mietraten,
denn auch bei diesen handelt es sich um von dem Erblasser herrührende Nachlassverbindlichkeiten im Sinne des § 1967 BGB.
Vor diesem Hintergrund kann auch die Frage, ob dies in gleicher Weise für den Räumungsanspruch gilt,
der in seiner schuldrechtlichen Grundlage zwar schon angelegt ist, zu seiner Entstehung jedoch noch der Kündigung bedarf, dahinstehen.
Auch bedarf, entgegen der Auffassung des Amtsgerichts, die Frage, ob die Nachlasspflegschaft nach § 1961 BGB auch
zum Zwecke der Entgegennahme einer materiell-rechtlichen Willenserklärung (hier der Kündigung) angeordnet werden darf, keiner Vertiefung.
Denn liegen die Voraussetzungen des § 1961 BGB im Hinblick auf bestehende Nachlassverbindlichkeiten vor,
so wird der Nachlasspfleger durch seine Bestellung zum gesetzlichen Vertreter der unbekannten Erben in Bezug auf den Nachlass
Er ist danach auch befugt, die Kündigung entgegen zu nehmen und über die Art und Weise der Räumung –ggf. unter Einsatz einer evtl. vorhandenen Mietkaution- zu verhandeln.
Eine Beschränkung des Aufgabenkreises auf die Prozessvertretung, die rechtlich zulässig und wirksam wäre
liegt unter den hier obwaltenden Umständen weder im Interesse der unbekannten Erben, noch in demjenigen der öffentlichen Hand.
Denn beiden muss daran gelegen sein, das Mietverhältnis kurzfristig zu beenden, damit wenigstens noch eine schwache Aussicht besteht,
dass die aufgelaufenen Mietrückstände noch durch einen Aktivnachlass abgedeckt werden.
Wie sich aus der Verweisung auf § 1960 Abs. 1 BGB ergibt, setzt auch eine Nachlasspflegschaft nach § 1961 BGB weiter voraus, dass die Erben bislang nicht festgestellt sind.
Die Frage, ob der Erbe unbekannt ist, ist aus der Sicht des Gläubigers zu beurteilen, dessen Schutz § 1961 BGB dient.
Dementsprechend gilt der Erbe bereits dann als unbekannt, wenn die Verhältnisse so weitläufig und/oder unklar sind,
dass dem Gläubiger die Beschaffung derjenigen Informationen und Unterlagen, die für den Nachweis der Passivlegitimation notwendig wären, unmöglich oder zumindest unzumutbar ist
So liegen die Dinge hier.
Denn bisher sind keine Erben namentlich bekannt geworden.
Dem Nachlassgericht liegen keine Erkenntnisse vor.
Der Beteiligte verfügt nach seinen Angaben über keine Informationen zu den in Betracht kommenden Erben.
Danach ist das für die Bestellung eines Nachlasspflegers notwendige Rechtsschutzbedürfnis gegeben.
Es ist nach alledem ein Nachlasspfleger zu bestellen, dessen Auswahl dem Nachlassgericht überlassen bleibt.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.