Nachlasspflegschaft bei Testamentsvollstreckung – LG Stuttgart 1 T 61/09

September 20, 2020

Nachlasspflegschaft bei Testamentsvollstreckung – LG Stuttgart 1 T 61/09

RA und Notar Krau

Kernaussage:

Das Landgericht Stuttgart (LG) hat entschieden, dass bei einer bestehenden Testamentsvollstreckung in der Regel kein Bedürfnis für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft besteht.

Sachverhalt:

Der Erblasser hatte in seinem Testament seine Ehefrau als Vorerbin und eine nach seinem Tod zu gründende Stiftung als Nacherbin eingesetzt.

Die Ehefrau schlug die Erbschaft aus, sodass die Stiftung Alleinerbin wurde.

Das Nachlassgericht ordnete Nachlasspflegschaft an, da die Stiftung zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht rechtsfähig war.

Die Testamentsvollstrecker legten Beschwerde gegen diese Entscheidung ein.

Rechtliche Würdigung:

Das LG hob den Beschluss des Nachlassgerichts auf.

Nachlasspflegschaft bei Testamentsvollstreckung – LG Stuttgart 1 T 61/09

Begründung:

  • Kein Fürsorgebedürfnis: Ein Fürsorgebedürfnis für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft ist in der Regel zu verneinen, wenn ein Testamentsvollstrecker vorhanden ist. Dies gilt auch dann, wenn der Erbe – wie im vorliegenden Fall – noch nicht feststeht.
  • Umfangreiche Rechte der Testamentsvollstrecker: Der Erblasser hatte den Testamentsvollstreckern in seinem Testament umfassende Rechte zur Verwaltung des Nachlasses eingeräumt. Sie waren auch dazu berechtigt, Pflichtteilsansprüche zu befriedigen.
  • Keine Gefährdung des Nachlasses: Es gab keine Anhaltspunkte dafür, dass der Nachlass ohne Nachlasspflegschaft gefährdet wäre.
  • Keine Interessenkollision: Der Erblasser hatte die Testamentsvollstrecker auch zu Vorstandsmitgliedern der Stiftung bestimmt. Daher war eine Interessenkollision nicht zu befürchten.
  • Kostenbelastung: Die Nachlasspflegschaft hätte den Nachlass mit zusätzlichen Kosten belastet.
  • Postmortale Bevollmächtigung: Die Frage, ob die testamentarische Anordnung, dass Pflichtteilsansprüche gegenüber den Testamentsvollstreckern geltend gemacht werden können, als postmortale Bevollmächtigung anzusehen ist, konnte offenbleiben.

Nachlasspflegschaft bei Testamentsvollstreckung – LG Stuttgart 1 T 61/09

Konsequenzen:

  • Testamentsvollstreckung als Regelfall: Die Entscheidung des LG Stuttgart verdeutlicht, dass die Testamentsvollstreckung der Regelfall ist und eine Nachlasspflegschaft nur in Ausnahmefällen angeordnet werden sollte.
  • Umfassende Testamentsvollstreckung: Durch die umfassende Gestaltung der Testamentsvollstreckung kann der Erblasser sicherstellen, dass sein Nachlass nach seinen Wünschen verwaltet wird und kein Bedürfnis für eine Nachlasspflegschaft besteht.
  • Beachtung des Erblasserwillens: Die Gerichte haben bei der Entscheidung über die Anordnung einer Nachlasspflegschaft den Willen des Erblassers zu beachten.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das LG Stuttgart mit seiner Entscheidung die Bedeutung der Testamentsvollstreckung gestärkt

und die Anordnung einer Nachlasspflegschaft bei bestehender Testamentsvollstreckung auf Ausnahmefälle beschränkt hat.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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