Nachschusspflichten in Publikumsgesellschaften – hier GbR mit Vielzahl von Gesellschaftern
BGH II ZR 126/04
Zusammenfassung RA und Notar Krau
Kernaussagen:
Nachschusspflichten über die vereinbarte Einlage hinaus sind möglich, wenn die Aufspaltung der Beitragspflicht im Gesellschaftsvertrag klar erkennbar ist
und die Höhe der Nachschüsse objektiv bestimmbar ist.
Nachträgliche Beitragspflichten durch Mehrheitsbeschluss bedürfen einer eindeutigen Vertragsgrundlage mit klaren Kriterien zur Begrenzung des Erhöhungsrisikos (z. B. Obergrenze).
Eine Bestimmung, die Nachschusszahlungen bei Unterdeckung der laufenden Ausgaben durch die Einnahmen vorsieht, ohne weitere Konkretisierung,
ist nicht ausreichend und kann keine Nachschussverpflichtung begründen.
Tenor:
Die Klage auf Zahlung von Nachschüssen wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens werden zwischen den Klägerinnen und dem Beklagten aufgeteilt.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von Nachschüssen als Gesellschafter einer geschlossenen Immobilienfondsgesellschaft (Klägerin zu 1).
Der Gesellschaftsvertrag sah eine feste Einlage sowie mögliche Nachschüsse vor, falls die laufenden Einnahmen die Ausgaben nicht decken.
Höhe und Fälligkeit sollten sich aus dem Wirtschaftsplan ergeben, sofern die Gesellschafterversammlung nichts anderes beschließt.
Der Beklagte trat der Gesellschaft bei.
Später wurde der Gesellschaftsvertrag geändert und das Gesellschaftskapital erhöht.
Die Gesellschafterversammlung fasste Beschlüsse über Nachschussverpflichtungen, denen der Beklagte größtenteils nicht nachkam.
Das Landgericht gab der Klage auf Zahlung der Nachschüsse statt, das Berufungsgericht wies die Klage einer Klägerin als unzulässig ab, bestätigte aber die Zahlungspflicht des Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Keine unmittelbare Nachschusspflicht aus dem Gesellschaftsvertrag:
Der Gesellschaftsvertrag legt zwar eine gespaltene Beitragspflicht fest, aber die Höhe der Nachschüsse ist nicht objektiv bestimmbar.
Die Kriterien „laufende Einnahmen“ und „laufende Ausgaben“ sind nicht konkretisiert, ebenso wenig die Aufstellung des Wirtschaftsplans.
Die Nachschusspflicht setzt einen Gesellschafterbeschluss voraus.
Unwirksamkeit der Gesellschafterbeschlüsse:
Beitragserhöhungen bedürfen der Zustimmung aller Gesellschafter oder einer eindeutigen Vertragsgrundlage mit klaren Kriterien zur Begrenzung des Erhöhungsrisikos.
§ 5 Nr. 4 GV enthält keine solche Begrenzung.
Die Höhe künftiger Unterdeckungen und Nachschüsse ist nicht vorhersehbar.
Die Finanzierungskosten stellen keine Obergrenze dar, da die Höhe der Fremdmittel nicht festgelegt ist.
Das Erfordernis der Voraussehbarkeit von Beitragserhöhungen dient dazu, dass Gesellschafter das Maß ihrer Belastung abschätzen können.
Keine Nachschusspflicht aus Treuepflicht:
Die gesellschafterliche Treuepflicht kann in Ausnahmefällen eine Zustimmung zu Beitragserhöhungen gebieten, aber hier liegen keine besonderen Umstände vor.
Die persönliche Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten reicht nicht aus.
Auch Unterschreitung der projektierten Einnahmen begründet keine Nachschusspflicht.
Die Höhe der bereits geforderten Nachschüsse ist erheblich.
Ergebnis:
Die Revision des Beklagten ist begründet.
Die Klage auf Zahlung der Nachschüsse wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden zwischen den Klägerinnen und dem Beklagten aufgeteilt.
Das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG), das am 1. Januar 2024 in Kraft getreten ist, hat keine generelle Nachschusspflicht für Gesellschafter einer
Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) eingeführt oder bestehende Nachschusspflichten geändert.
Im BGB war und ist keine generelle Pflicht der GbR-Gesellschafter verankert, über ihre vereinbarten Einlagen hinaus
weitere Zahlungen zur Deckung von Verlusten oder Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu leisten.
Es war und ist den Gesellschaftern jedoch freigestellt, im Gesellschaftsvertrag eine Nachschusspflicht zu vereinbaren.
Eine solche Klausel verpflichtete die Gesellschafter dann, im Bedarfsfall zusätzliche Mittel in die Gesellschaft einzuschießen.
Eine Besonderheit bestand in der Liquidation der GbR.
Hier konnte sich unter Umständen eine Ausgleichspflicht der Gesellschafter ergeben, wenn das Gesellschaftsvermögen nicht ausreichte, um die Schulden zu begleichen
und die Einlagen zurückzuzahlen (BGH, Urteil vom 27.10.2020 – II ZR 150/19).
Das MoPeG hat an der grundlegenden Struktur der GbR und den diesbezüglichen Regelungen zur Nachschusspflicht nichts Wesentliches geändert.
Es gibt weiterhin keine gesetzliche Verpflichtung zur Nachschussleistung über die vereinbarten Beiträge hinaus.
Das MoPeG hat primär die Rechtsfähigkeit der GbR klargestellt und die Möglichkeit geschaffen, die GbR in einem Gesellschaftsregister einzutragen.
Dies dient vor allem der Transparenz im Rechtsverkehr.
Bestehende oder neu vereinbarte Nachschusspflichten im Gesellschaftsvertrag bleiben durch das MoPeG unberührt.
Auch nach Inkrafttreten des MoPeG gilt für eine GbR mit einer Vielzahl von Gesellschaftern (Publikumsgesellschaft) Folgendes bezüglich Nachschusspflichten:
Die Gesellschafter sind nicht automatisch verpflichtet, über ihre vereinbarten Einlagen hinaus weitere Zahlungen zu leisten,
nur weil es sich um eine GbR mit vielen Gesellschaftern handelt oder aufgrund des MoPeG.
Eine Nachschusspflicht kann weiterhin nur durch eine entsprechende Klausel im Gesellschaftsvertrag begründet werden.
Bei der Formulierung solcher Klauseln ist weiterhin auf die hinreichende Bestimmtheit zu achten (BGH-Rechtsprechung).
Angesichts der nunmehr möglichen Eintragung der GbR im Gesellschaftsregister und der damit einhergehenden erhöhten Transparenz könnten Gläubiger und Geschäftspartner in Zukunft
möglicherweise verstärkt auf die Vereinbarung von Nachschusspflichten im Gesellschaftsvertrag drängen, insbesondere bei Publikumsgesellschaften.
Es ist daher für bestehende und neu zu gründende Publikumsgesellschaften in der Form einer GbR ratsam, den Gesellschaftsvertrag sorgfältig zu prüfen
oder zu gestalten und die Regelungen zu etwaigen Nachschusspflichten klar und eindeutig zu fassen.
Das MoPeG selbst hat an der grundsätzlichen Möglichkeit und den Erfordernissen solcher Vereinbarungen nichts geändert.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.