Nachtragsliquidation einer GmbH gemäß § 74 GmbHG

April 22, 2025

Nachtragsliquidation einer GmbH gemäß § 74 GmbHG

RA und Notar Krau

Nach der Löschung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) im Handelsregister kann eine sogenannte Nachtragsliquidation erforderlich werden.

Dies ist der Fall, wenn sich nachträglich noch verteilungsfähiges Vermögen der Gesellschaft findet oder wenn weitere Abwicklungsmaßnahmen notwendig sind (§ 273 Abs. 4 S. 1 AktG analog).

Ein Antrag auf Bestellung eines Nachtragsliquidators ist hierfür notwendig; eine automatische Bestellung durch das Registergericht erfolgt nicht.

Ein rechtliches Bedürfnis für eine Nachtragsliquidation besteht insbesondere dann, wenn nach der Löschung noch Vermögenswerte vorhanden sind,

die zur Befriedigung von Gläubigern oder zur Verteilung an die Gesellschafter dienen können.

Vermögen in diesem Sinne liegt nicht vor, wenn die Gesellschaft über keinerlei werthaltige Aktiva mehr verfügt.

Allerdings können auch Ansprüche der GmbH gegen Dritte, beispielsweise Schadensersatzansprüche gegen frühere Geschäftsführer oder Mitgesellschafter,

als verteilungsfähiges Vermögen angesehen werden, sofern diese Ansprüche rechtlich bestehen und werthaltig sind.

Bei bestrittenen oder unsicheren Forderungen ist entscheidend, ob die Gesellschaft beabsichtigt, diese gerichtlich durchzusetzen und die Rechtsverfolgung nicht offensichtlich aussichtslos ist.

Die Löschung der GmbH im Handelsregister führt nicht automatisch zum Verlust der Parteifähigkeit in einem bereits anhängigen Aktivprozess (in dem die GmbH Klägerin ist).

Der geltend gemachte Anspruch stellt weiterhin einen Vermögensgegenstand dar, über dessen Bestehen erst im laufenden Verfahren entschieden wird.

Nachtragsliquidation einer GmbH gemäß § 74 GmbHG

In Passivprozessen (in denen die GmbH Beklagte ist) wird die Wahrnehmung der Rechtsstellung als Verfahrensbeteiligter nach

herrschender Meinung als eine sonstige Abwicklungsmaßnahme angesehen, die die Löschung ausschließt.

Allerdings bleibt die gelöschte GmbH auch im Passivprozess parteifähig, wenn der Kläger substantiiert behauptet, dass noch Vermögen bei der Gesellschaft vorhanden ist.

Wertlose Forderungen gelten hierbei jedoch nicht als verwertbares Vermögen. Auch ein möglicher Ersatzanspruch der GmbH

gegen ihren ehemaligen Liquidator begründet die Parteifähigkeit im Passivprozess.

Eine Nachtragsliquidation ist ebenfalls zulässig, wenn sich die GmbH bereits zum Zeitpunkt ihrer Löschung in einem noch anhängigen Passivprozess befand.

Mit der Löschung verliert der bisherige gesetzliche Vertreter seine Vertretungsbefugnis, sodass die Bestellung eines Nachtragsliquidators unerlässlich wird.

Auch Abwicklungsmaßnahmen ohne direkten Vermögensbezug, die im Interesse Dritter liegen, können bei einer vermögenslosen Gesellschaft

der endgültigen Beendigung der Liquidation entgegenstehen, sofern dieses Interesse berechtigt ist.

Beispiele für solche weiteren erforderlichen Abwicklungsmaßnahmen sind die Berichtigung des Grundbuchs, unter Umständen ein noch nicht abgeschlossenes Steuerverfahren,

die Ausstellung eines Arbeitszeugnisses für ehemalige Arbeitnehmer oder der Empfang einer Zustellung.

Ebenso kann die Freigabe von zugunsten der gelöschten GmbH hinterlegtem Geld eine Nachtragsliquidation erforderlich machen.

Nachtragsliquidation einer GmbH gemäß § 74 GmbHG

Nicht ausreichend für eine Nachtragsliquidation ist es hingegen, wenn die Gesellschaft lediglich als Erklärungspflichtige

in einem Steuerverfahren zur Feststellung von Anteilswerten beteiligt ist und ihre steuerlichen Pflichten bereits erfüllt hat.

Es ist zu beachten, dass die GmbH nach der Rechtsprechung steuerrechtlich trotz ihrer Löschung im Handelsregister so lange fortbesteht,

wie sie noch steuerliche Pflichten zu erfüllen hat oder gegen Steuerbescheide vorgeht.

Die Durchführung einer Nachtragsliquidation wird vom Oberlandesgericht Jena als unverhältnismäßig angesehen, wenn lediglich ein Schriftstück an die gelöschte Gesellschaft zugestellt werden soll; in diesem

Fall kann die Erklärung an den (gegebenenfalls gerichtlich zu bestellenden) Verwahrer der Bücher und Schriften gerichtet werden.

Ebenso scheidet eine Nachtragsliquidation zur Verteilung von Liquidationserlösen aus, die zugunsten der Gesellschafter bei einer Hinterlegungsstelle hinterlegt wurden.

Den Antrag auf Durchführung der Nachtragsliquidation können Gläubiger, Gesellschafter, frühere Liquidatoren oder sonstige Dritte stellen, die ein rechtliches Interesse glaubhaft machen können.

Hierbei muss durch substanziierte Behauptungen nachvollziehbar dargelegt werden, dass noch konkretes verteilbares Vermögen vorhanden ist.

Das Vermögen der Gesellschaft muss zumindest die Kosten der Nachtragsliquidation decken.

Zuständig für das unternehmensrechtliche Verfahren ist der Rechtspfleger.

Gegen die Entscheidung des Rechtspflegers ist die Beschwerde gemäß § 58 FamFG statthaft.

Beschwerdeberechtigt ist bei Ablehnung des Antrags der Antragsteller, bei Stattgabe die GmbH (vertreten durch die früheren Liquidatoren) und gegebenenfalls ein Gesellschafter.

Die Bestellung zum Nachtragsliquidator setzt die Zustimmung der betroffenen Person voraus.

Der Nachtragsliquidator muss die in § 67 Abs. 3 GmbHG genannte Versicherung abgeben.

Handelt es sich bei der gelöschten GmbH um die Komplementärin einer GmbH & Co. KG und betrifft die Nachtragsliquidation

wirtschaftlich deren Liquidation, ist dies bei der Auswahl des Nachtragsliquidators zu berücksichtigen.

Die Gesellschafter haben kein Recht, die Person des Nachtragsliquidators zu bestimmen oder einen gerichtlich bestellten Liquidator abzuberufen.

Nachtragsliquidation einer GmbH gemäß § 74 GmbHG

Nach herrschender Meinung soll die GmbH im Falle einer Nachtragsliquidation regelmäßig wieder im Handelsregister eingetragen werden.

Eine Ausnahme gilt lediglich, wenn es sich um eine einzelne, klar abgegrenzte Abwicklungsmaßnahme handelt;

in diesem Fall genügt die bloße Bestellung eines Nachtragsliquidators. In der Praxis erfolgt die Wiedereintragung bislang jedoch selten.

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs sind nach der Löschung einer GmbH wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 66 Abs. 5 GmbHG die gelöschte GmbH und ihre gerichtlich bestellten Liquidatoren grundsätzlich

von Amts wegen wieder einzutragen, wenn sich nach der Löschung herausstellt, dass doch noch verteilungsfähiges Vermögen vorhanden ist.

Wird der Nachtragsliquidator nur für bestimmte Einzelaufgaben bestellt, kann seine Vertretungsmacht nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht auf diese Aufgaben beschränkt werden.

Eine nachträgliche Beschränkung des Wirkungskreises des Liquidators kann für diesen ein Beschwerderecht begründen.

Bei einer gegenständlich begrenzten Nachtragsliquidation entfällt nach Durchführung der Maßnahmen die Notwendigkeit einer weiteren Vertretung durch den Nachtragsliquidator.

Ein Beschluss, der dem Nachtragsliquidator lediglich einen beschränkten Aufgabenkreis zuweist, kann daher aufgehoben werden,

wenn nach Abschluss dieser Aufgaben kein weiterer Vertretungsbedarf dargelegt wird.

Die Vergütung des Nachtragsliquidators erfolgt analog zu § 265 Abs. 4 AktG, wobei sich das Gericht bei der Festsetzung an den Grundsätzen

der Insolvenzverwaltervergütungsverordnung (InsVV) orientieren kann, entsprechend der Tätigkeit eines Sonderinsolvenzverwalters.

Die Nachtragsliquidation führt zur Fortsetzung des ursprünglichen Liquidationsverfahrens.

Eine erneute Durchführung des gesamten Liquidationsverfahrens, insbesondere ein erneutes Sperrjahr, ist nicht erforderlich (anders im Fall des § 66 Abs. 5 GmbHG).

Eine Fortsetzung der GmbH als solche ist nach der Einleitung der Nachtragsliquidation jedoch nicht mehr möglich,

jedenfalls nicht durch einen einfachen Fortsetzungsbeschluss ohne die für eine wirtschaftliche Neugründung notwendige Registerkontrolle.

Nachtragsliquidation einer GmbH gemäß § 74 GmbHG

Nach Abschluss der Nachtragsliquidation ist die erneute Beendigung der Liquidation beim Handelsregister anzumelden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein Gesellschafter einer wegen Vermögenslosigkeit gelöschten GmbH

auch nach der Bestellung eines Nachtragsliquidators einen Mitgesellschafter im Wege einer Gesellschafterklage in Anspruch nehmen.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

Verschmelzung einer Tochter-GmbH auf eine Partnerschaftsgesellschaft

Verschmelzung einer Tochter-GmbH auf eine Partnerschaftsgesellschaft

Mai 15, 2025
Verschmelzung einer Tochter-GmbH auf eine PartnerschaftsgesellschaftBeschluss des Kammergerichts vom 13. November 2024 (22 W 48/24) zur Verschme…
Beteiligung der stillen Gesellschafter an einer GmbH

Beteiligung der stillen Gesellschafter an einer GmbH

Mai 11, 2025
Beteiligung der stillen Gesellschafter an einer GmbHRA und Notar KrauDas Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 5. Juli 2018 (IX ZR 139/17)…
Gesellschafterliste GmbH Unterlassung einstweilige Verfügung Ordnungsgeld

Gesellschafterliste GmbH Unterlassung einstweilige Verfügung Ordnungsgeld

Mai 8, 2025
Gesellschafterliste GmbH Unterlassung einstweilige Verfügung OrdnungsgeldOberlandesgericht Köln, 18. Zivilsenat, Beschluss Aktenzeichen: 18 W 5/…