Nachweis der Erbfolge durch notarielles Testament – Testamentsauslegung durch das Grundbuchamt – OLG Köln 2 Wx 41/99
Die Antragsteller sind die gemeinsamen Kinder der verstorbenen Eheleute J.-J. W. und M. E. W., geborene S..
Die Eheleute waren zu je 1/2-Anteil Eigentümer des im Grundbuch von L eingetragenen Grundstücks.
Herr J.-J. W. war ferner Eigentümer eines weiteren im Grundbuch von L verzeichneten Grundstücks.
Die Eheleute W. haben ein gemeinschaftliches notarielles Testament errichtet, durch das sie sich gegenseitig als unbeschränkte Vorerben
und ihre beiden Kinder, die Antragsteller, zu Nacherben eingesetzt und bestimmt haben,
daß die Nacherbfolge beim Tode des überlebenden Ehegatten oder, falls dieser wieder heiraten sollte, mit dieser Heirat eintreten solle.
Nachdem Frau E. W. a verstorben war, ist Herr J.-J. W. als Alleineigentümer des im Grundbuch von L verzeichneten Grundstücks
– mit einem Nacherbenvermerk zu Gunsten der Antragsteller – eingetragen worden.
Herr J.-J. W. ist dann am 21. Dezember 1997 verstorben.
Unter Bezugnahme auf das nach seinem Tode eröffnete notarielle Testament und die Niederschrift über die Eröffnung dieses Testaments
haben die Antragsteller beantragt, sie anstelle des Verstorbenen in Erbengemeinschaft als Eigentümer der beiden Grundstücke im Grundbuch einzutragen.
Mit Zwischenverfügung vom hat die Rechtspflegerin diesen Antrag beanstandet und ausgeführt,
eine Berichtigung des Grundbuchs komme derzeit nur hinsichtlich des (früheren) 1/2-Anteils von Frau E. W. an dem auf Blatt … verzeichneten Grundstück in Betracht,
weil das Testament vom 9. Juli 1955 nur den Eintritt des Nacherbfalls regele, nicht jedoch eine Erbeinsetzung nach dem zuletzt verstorbenen Ehepartner enthalte.
Zugleich hat das Grundbuchamt den Antragstellern eine Frist zur Vorlage eines Erbscheins nach ihrem Vater gesetzt.
Die gegen diese Zwischenverfügung gerichtete Beschwerde der Antragsteller hat das Landgericht Köln durch Beschluß zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluß wenden sich die Antragsteller mit der weiteren Beschwerde
Die weitere Beschwerde ist begründet.
Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beruht auf einer Verletzung des Gesetzes
Die Berichtigung des Grundbuchs dahin, daß die Antragsteller Eigentümer der beiden in Rede stehenden Grundstücke sind,
kann nicht von der Vorlage eines Erbscheins nach ihrem Vater abhängig gemacht werden.
Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO ist der Nachweis der Erbfolge zwar grundsätzlich durch Vorlage eines Erbscheins zu führen.
Beruht die Erbfolge indes auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde – wie hier einem notariellen Testament – enthalten ist,
so genügt gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO die Vorlage dieser Urkunde und der Eröffnungsniederschrift.
Die Auslegung der Verfügung von Todes wegen obliegt (auch) dem Grundbuchamt, und zwar auch dann, wenn rechtlich schwierige Fragen beurteilt werden müssen
Einen Erbschein darf es nur dann verlangen, wenn sich bei der Prüfung der Verfügung hinsichtlich des
behaupteten Erbrechts Zweifel tatsächlicher Art ergeben, die nur durch weitere – nur dem Nachlaßgericht
wegen der Beschränkung des § 29 Abs. 1 GBO aber nicht dem Grundbuchamt mögliche – Ermittlungen über den Willen des Erblassers oder über die tatsächlichen Verhältnisse geklärt werden können
Derartige weitere Ermittlungen sind im vorliegenden Fall nicht erforderlich.
Ergänzende, über den Inhalt der Testamentsurkunde hinausgehende tatsächliche Feststellungen über den Willen der Erblasser kommen vorliegend ersichtlich nicht in Betracht.
Die Testierenden können darüber, was sie gewollt haben, nicht mehr gehört werden, und es ist auch nicht anzunehmen,
daß der beurkundende Notar, falls er noch vernommen werden könnte, konkrete Angaben zu einer vor mehr als 40 Jahren vorgenommenen Beurkundung machen könnte.
Anzuwenden ist daher hier die Auslegungsregel des § 2102 Abs. 1 BGB, nach der die Einsetzung als Nacherbe im Zweifel auch die Einsetzung als Ersatzerbe enthält.
Da dies nur “im Zweifel” gilt, findet die Bestimmung zwar dann keine Anwendung, wenn sich der Wille des oder der Testierenden durch Auslegung ermitteln läßt
Dies ist hier indes nicht der Fall.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist § 2102 Abs. 1 BGB auch auf den hier gegebenen Fall anzuwenden,
daß sich Eheleute in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als (befreite) Vorerben und einen oder mehrere Dritte,
etwa ihre Abkömmlinge, als Nacherben einsetzen, ohne ausdrücklich zu bestimmen, wer Erbe des zuletzt versterbenden Ehepartners sein soll
Der früher teilweise in der Rechtsprechung vertretenen Gegenauffassung vermag der Senat nicht beizupflichten.
Die Vorschrift des § 2102 Abs. 1 BGB will indes gerade in den Fällen, in denen die Einsetzung eines Nacherben wegen vorherigen Wegfalls des Vorerben nicht zum Tragen kommt,
die Wirkung der Verfügung von Todes wegen dadurch erhalten, daß nach der gesetzlichen Auslegungsregel der
Nacherbe für den Fall des Vorversterbens des Vorerben ersatzweise als Vollerbe berufen ist
Dies gilt auch und gerade bei der hier gegebenen Sachlage, so daß sich aus dem notariellen Testament in Verbindung mit der Niederschrift
über seine Eröffnung und der gesetzlichen Auslegungsregel des § 2102 Abs. 1 BGB ergibt, daß die Antragsteller Erben ihres Vaters geworden sind.
Dies genügt den Anforderungen des § 35 Abs. 1 GBO, so daß die Vorlage eines Erbscheins hier nicht verlangt werden kann.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.