Neuregelung der Nutzungsverhältnisse einer im Miteigentum stehenden Immobilie nach Trennung
Anspruch auf gemeinsame Kündigung eines Mietverhältnisses
OLG Celle, Beschluss vom 19.03.2025 – 21 UF 237/24:
Das Oberlandesgericht (OLG) Celle befasste sich in seinem Beschluss vom 19. März 2025 mit der Frage, ob ein Ehegatte nach der Trennung
von dem anderen die Mitwirkung an der Kündigung eines Mietverhältnisses über eine im gemeinsamen Miteigentum stehende Immobilie verlangen kann.
Der Fall betraf ein Ehepaar, das seit Juni 2021 getrennt lebte.
Während der Ehe hatten sie gemeinsam eine Immobilie erworben und diese an die Mutter der Ehefrau (Antragsgegnerin) vermietet.
Der Ehemann (Antragsteller) begehrte nun die Kündigung dieses Mietverhältnisses, um selbst in die Immobilie einzuziehen.
Die Immobilie stand im hälftigen Miteigentum der Ehegatten.
Das OLG stellte fest, dass in einem solchen Fall bezüglich eines bestehenden Mietverhältnisses im Zweifel von einer Bruchteilsgemeinschaft gemäß § 741 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auszugehen ist.
Daraus folgt, dass gemäß § 745 Absatz 2 BGB jeder Teilhaber eine Neuregelung der Nutzungsverhältnisse verlangen kann, wenn sich die Umstände wesentlich geändert haben.
Dies kann auch die Verpflichtung des anderen Ehegatten umfassen, einer gemeinsamen Kündigungserklärung des Mietverhältnisses zuzustimmen.
Das OLG betonte, dass die Trennung der Ehegatten eine solche wesentliche Änderung der Verhältnisse darstellt, die eine Neuregelung der Nutzungsverhältnisse rechtfertigen kann.
Bei der Entscheidung über die Neuregelung, die den Interessen aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechen muss,
sind neben der ehelichen Solidarität gemäß § 1353 BGB auch die Erfolgsaussichten einer beabsichtigten Kündigung zu berücksichtigen.
Konkret bedeutet dies, dass das Gericht prüft, ob ein Eigenbedarf des die Kündigung begehrenden Ehegatten gemäß § 573 Absatz 1 und 2 Nummer 2 BGB
vorliegt und ob dem Mieter ein Widerspruchsrecht nach § 574 BGB zustehen könnte.
Weiterhin sind die wirtschaftlichen Verhältnisse beider Ehegatten in die Beurteilung einzubeziehen.
Im vorliegenden Fall hatte das Amtsgericht Tostedt den Antrag des Ehemannes zunächst abgewiesen.
Es begründete seine Entscheidung damit, dass der Eigenbedarf des Ehemannes nicht hinreichend dargelegt sei und die Schwiegermutter ebenfalls eine nahe Familienangehörige sei.
Das OLG Celle hob diese Entscheidung jedoch auf und verpflichtete die Ehefrau zur Mitwirkung an der Kündigung des Mietverhältnisses.
Es stellte fest, dass der Ehemann seinen Eigenbedarf hinreichend dargelegt habe, da er nachvollziehbar dargelegt habe,
dass er aufgrund der Befristung seines aktuellen Mietverhältnisses und des nicht abgeschlossenen Ausbaus seiner Praxisräumlichkeiten dringenden Wohnbedarf habe.
Die Tatsache, dass er die Immobilie längere Zeit nach der Trennung nicht beansprucht habe, stehe seinem Neuregelungsbegehren nicht entgegen.
Das OLG würdigte auch das Interesse der Ehefrau an der Fortsetzung des Mietverhältnisses mit ihrer Mutter.
Es führte jedoch aus, dass im Rahmen der Interessenabwägung dem Eigenbedarf des Miteigentümers grundsätzlich Vorrang vor dem Wohnbedürfnis eines Familienangehörigen
des anderen Miteigentümers einzuräumen sei, insbesondere wenn – wie hier – beiderseits gute wirtschaftliche Verhältnisse vorlägen.
Bezüglich eines möglichen Widerspruchsrechts der Schwiegermutter gemäß § 574 BGB sah das OLG keine offensichtliche Aussicht auf Erfolg.
Die Schwiegermutter verfüge über erhebliche eigene Einkünfte und sei daher in der Lage, angemessenen Ersatzwohnraum zu finden.
Zudem bestehe die Möglichkeit, dass die Ehefrau ihre Mutter in der großzügigen, von ihr bewohnten Ehewohnung aufnimmt, die über eine separate Einliegerwohnung verfügt.
Die von der Ehefrau vorgebrachte Pflegebedürftigkeit der Mutter wurde vom OLG mangels substanziierter Darlegung konkreter Einschränkungen nicht als zwingendes Hindernis für einen Umzug gewertet.
Das OLG wies darauf hin, dass die finanziellen Interessen der Ehefrau durch die Kündigung und den Auszug ihrer Mutter nicht unbillig beeinträchtigt würden.
Da der Ehemann die Immobilie künftig selbst nutzen würde, stünde der Ehefrau bis zur Rechtskraft der Scheidung ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung
gemäß § 1361b Absatz 3 Satz 2 BGB zu, deren Höhe sich an der ortsüblichen Marktmiete orientieren würde.
Dieser Wohnvorteil des Ehemannes würde zudem im Rahmen der Berechnung des Trennungsunterhalts berücksichtigt.
Zusammenfassend kam das OLG Celle zu dem Ergebnis, dass unter Berücksichtigung der veränderten Umstände seit der Trennung, des hinreichend dargelegten Eigenbedarfs des Ehemannes und der
fehlenden offensichtlichen Aussicht auf einen erfolgreichen Widerspruch der Mieterin, die Ehefrau verpflichtet ist, der gemeinsamen Kündigung des Mietverhältnisses zuzustimmen.
Das OLG ließ die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zu, da die Frage der Abwägungskriterien bei einem Neuregelungsverlangen unter Ehegatten
außerhalb rein finanzieller Ausgleichsansprüche grundsätzliche Bedeutung habe.
Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen wurden der Antragsgegnerin auferlegt. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wurde auf 12.600 Euro festgesetzt.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.