Nichtigkeit eines Ehevertrages der alle Scheidungsfolgen abbedingt – AG Hamburg 277 F 131/19

März 7, 2020

Nichtigkeit eines Ehevertrages der alle Scheidungsfolgen abbedingt – AG Hamburg 277 F 131/19

RA und Notar Krau

Sachverhalt:

Die Antragstellerin und der Antragsgegner schlossen im Jahr 2010 einen Ehevertrag, in dem sie Gütertrennung vereinbarten,

auf nachehelichen Unterhalt verzichteten und den Versorgungsausgleich ausschlossen.

Zeitgleich übertrug die Antragstellerin ihren Miteigentumsanteil an der Ehewohnung unentgeltlich auf den Antragsgegner.

Die Antragstellerin litt zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unter einer psychischen Erkrankung und befand sich in psychiatrischer Behandlung.

Problematik:

Die Antragstellerin begehrte die Feststellung der Nichtigkeit des Ehevertrages, da sie sich durch die Regelungen unangemessen benachteiligt fühlte.

Insbesondere die Kombination aus der vollständigen Abbedingung aller Scheidungsfolgen und der unentgeltlichen Vermögensübertragung auf den Antragsgegner sah sie als sittenwidrig an.

Nichtigkeit eines Ehevertrages der alle Scheidungsfolgen abbedingt – AG Hamburg 277 F 131/19

Entscheidung des Amtsgerichts Hamburg:

Das Amtsgericht Hamburg stellte die Nichtigkeit des Ehevertrages fest.

Begründung:

  • Sittenwidrigkeit: Das Gericht prüfte den Ehevertrag anhand der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen. Es stellte fest, dass der Vertrag die Antragstellerin unangemessen benachteiligte und daher sittenwidrig gemäß § 138 Abs. 1 BGB war.
  • Objektive Vertragsimparität: Der Vertrag griff in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts ein, ohne dass dafür eine Kompensation vorgesehen war. Insbesondere der Ausschluss des Unterhaltsanspruchs und die unentgeltliche Übertragung des Miteigentumsanteils ohne Rückforderungsklausel führten zu einem objektiven Ungleichgewicht.
  • Subjektive Vertragsimparität: Die psychische Erkrankung der Antragstellerin zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, die damit verbundene wirtschaftliche Zwangslage und die Umstände der Beurkundung (kein Vertragsentwurf vorab, keine Einflussnahme auf die Vertragsgestaltung) indizierten eine unterlegene Verhandlungsposition der Antragstellerin.
  • Gesamtnichtigkeit: Da sich die Sittenwidrigkeit aus der Gesamtwürdigung des Vertrages ergab, erfasste die Nichtigkeit den gesamten Vertrag, trotz der darin enthaltenen salvatorischen Klausel.

Folgen der Nichtigkeit:

  • Der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebt wieder auf.
  • Die Antragstellerin hat Anspruch auf Zugewinnausgleich.
  • Der Antragsgegner ist zur Auskunft über sein Vermögen zum Trennungszeitpunkt verpflichtet.

Nichtigkeit eines Ehevertrages der alle Scheidungsfolgen abbedingt – AG Hamburg 277 F 131/19

Fazit:

Das Amtsgericht Hamburg stärkt mit seiner Entscheidung den Schutz von Ehegatten vor unangemessenen Benachteiligungen in Eheverträgen.

Es zeigt auf, dass die Gerichte bei der Inhaltskontrolle von Eheverträgen auch die individuellen Umstände der Vertragsparteien,

wie z.B. eine psychische Erkrankung, berücksichtigen und eine Gesamtschau aller Regelungen vornehmen.

Wesentliche Erkenntnisse aus der Entscheidung:

  • Ein Ehevertrag, der alle Scheidungsfolgen abbedingt, kann sittenwidrig sein, wenn er zu einer unangemessenen Benachteiligung eines Ehegatten führt.
  • Eine psychische Erkrankung kann eine unterlegene Verhandlungsposition indizieren.
  • Die Umstände der Beurkundung, insbesondere das Fehlen eines Vertragsentwurfs, können ebenfalls auf eine unterlegene Verhandlungsposition hindeuten.
  • Bei Sittenwidrigkeit ist der gesamte Ehevertrag nichtig, auch wenn er eine salvatorische Klausel enthält.

Bedeutung für zukünftige Fälle:

Nichtigkeit eines Ehevertrages der alle Scheidungsfolgen abbedingt – AG Hamburg 277 F 131/19

Diese Entscheidung verdeutlicht, dass Eheverträge nicht nur auf ihre einzelnen Regelungen, sondern in einer Gesamtschau auf ihre Angemessenheit und Fairness geprüft werden.

Gerichte achten verstärkt auf die individuellen Umstände der Beteiligten und schützen insbesondere schwächere Vertragsparteien vor Benachteiligungen.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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