freigebige Zuwendung nach § 7 I Nr 1 ErbStG durch Kapitalerhöhung GmbH – Niedersächsisches FG 3 K 449/06

Juni 6, 2022

freigebige Zuwendung nach § 7 I Nr 1 ErbStG durch Kapitalerhöhung GmbH – Niedersächsisches FG 3 K 449/06 – Urteil vom 20.01.2010

Zusammenfassung RA und Notar Krau:

Das Urteil betrifft eine Klage bezüglich einer Kapitalerhöhung bei der A Holding GmbH, bei der die Klägerin Anteile an die Holding verkaufte und gleichzeitig eine Kapitalerhöhung beschlossen wurde.

Das Finanzamt sah darin eine freigebige Zuwendung und setzte Schenkungsteuer fest.

Die Klägerin argumentierte, dass keine Schenkung vorliege, da die Gesellschafterverhältnisse unverändert blieben.

Das Gericht entschied, dass die Wertsteigerung der bereits gehaltenen Anteile der Klägerin keine Schenkung darstellt, da diese der Holding zugutekommt.

Jedoch sei die Wertdifferenz der neuen Anteile schenkungsteuerpflichtig, da die Klägerin durch die Kapitalerhöhung auf Kosten ihres Ehemannes bereichert wurde.

Die Höhe der Schenkungsteuer wurde festgelegt, und die Revision wurde zugelassen, da die Frage, wie solche Vorgänge steuerlich zu behandeln sind, bisher nicht höchstrichterlich entschieden wurde.

freigebige Zuwendung nach § 7 I Nr 1 ErbStG durch Kapitalerhöhung GmbH – Niedersächsisches FG 3 K 449/06 – Inhaltsverzeichnis:

  1. Einleitung
    • Beschreibung des Urteils und der zugrunde liegenden Klage
    • Argumentation des Finanzamtes und der Klägerin
  2. Tatbestand
    • Beteiligung der Klägerin an der Holding und der D GmbH
    • Verkauf von Anteilen an der D GmbH an die Holding
    • Beschluss zur Kapitalerhöhung der Holding
    • Einschreiten des Finanzamtes und Festsetzung der Schenkungsteuer
  3. Rechtliche Grundlagen
    • Definition der Schenkung nach dem Erbschaftssteuergesetz
    • Unterscheidung zwischen direkter und indirekter Bereicherung
    • Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu Wertveränderungen von Geschäftsanteilen
  4. Entscheidung des Finanzgerichts
    • Bewertung der Wertsteigerung der bereits gehaltenen Anteile der Klägerin
    • Schenkungssteuerpflicht der Wertdifferenz der neuen Anteile der Klägerin
    • Analyse des subjektiven Tatbestands und des Willens zur freigebigen Zuwendung
    • Berücksichtigung gesellschaftsrechtlicher und steuerrechtlicher Aspekte
    • Begründung für die Revision
  5. Schlussfolgerung
    • Begründung der Klageabweisung
    • Zusammenfassung der Entscheidungsgründe
    • Ausblick auf mögliche Revisionsverfahren

Zum Entscheidungstext:

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin im Zuge einer Kapitalerhöhung bei der A Holding GmbH eine freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erhalten hat.

Die Klägerin war bis in den Dezember 1997 jeweils mit 10% an der D GmbH und an der A Holding GmbH (im Folgenden: Holding) beteiligt.

Ihr Ehemann hielt jeweils 90% der Anteile dieser Gesellschaften.

Die Klägerin verkaufte 9,45% ihrer Anteile an der D GmbH unter dem 19. Dezember 1997 an die Holding für 484.450 DM.

Am gleichen Tag beschlossen die Gesellschafter der Holding, das Kapital um 5.000 DM zu erhöhen.

Die Klägerin hatte dazu eine Bareinlage i.H.v. 500 DM zu leisten.

Der Ehemann musste seine zusätzliche Einlage (nominal 4.500 DM) durch Einbringung seiner Anteile an der D GmbH zum Buchwert leisten.

Diese Anteile hatten (unstreitig) einen gemeinen Wert von 4.613.814 DM.

Das FA erhielt im Jahre 2001 von diesen Verträgen durch eine Kontrollmitteilung des zuständigen Finanzamtes für Großbetriebsprüfung Kenntnis.

Das FA vertrat daraufhin die Ansicht, durch die wertmäßig stark abweichenden Leistungen der Gesellschafter im Rahmen der Kapitalerhöhung habe der Ehemann der Klägerin hinsichtlich der Wertdifferenz etwas unentgeltlich zugewendet und setzte eine Schenkungsteuer i.H.v. … € gegen die Klägerin fest.

Dagegen richtet sich nach erfolglosem Einspruch die Klage.

Die Klägerin ist der Ansicht, ein schenkungsteuerpflichtiger Vorgang habe im Streitfall nicht bestanden, da beide Gesellschafter der Holding vor und nach der Kapitalerhöhung im selben Verhältnis (90% zu 10%) weiterhin an der Holding beteiligt gewesen seien.

Daher unterscheide sich der Streitfall entscheidend von der Fallgestaltung, die dem BFH-Urteil vom 12. Juli 2005 (II R 8/04, BStBl II 2005, 845) vorgelegen habe.

freigebige Zuwendung nach § 7 I Nr 1 ErbStG durch Kapitalerhöhung GmbH – Niedersächsisches FG 3 K 449/06

Eine Werterhöhung eines bereits bestehenden Gesellschaftsanteils sei nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 19. Juni 1996 II R 83/92, BStBl II 1996, 616) nicht schenkungsteuerpflichtig.

Im Übrigen fehle es an dem erforderlichen Willen des Ehemannes zur Freigebigkeit, da der Ehemann überhaupt nicht das Bewusstsein, eine Vermögenshingabe zu leisten, gehabt habe.

Ihm sei es vielmehr ausschließlich um die Herstellung der Konzernstruktur unterhalb der Holding und der anschließenden Vereinbarung einer Organschaft im Konzern gegangen.

Nach § 20 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) sei eine Einbringung zu Buchwerten nur bei einer gleichzeitigen Kapitalerhöhung rechtlich möglich gewesen.

Eine eventuelle Bereicherung der Klägerin sei daher aus gesellschaftsrechtlichen und den steuerrechtlichen Gründen (§ 20 UmwStG) unvermeidbar gewesen.

In einem solchen Fall entstehe selbst nach dem BMF-Schreiben vom 15. März 1997 keine Schenkungssteuer, da die Maßnahmen ausschließlich zur Förderung des Gesellschaftszweckes erfolgt seien und die Werterhöhung der Anteile anderer Gesellschafter nur in Kauf genommen worden sei

(BStBl I 1997, 350 ff. und dort unter Tz. 2.2.2; jetzt R 18 der Erbschaftsteuerrichtlinien 2003 und dort unter Tz. (3) 2.).

Die Klägerin sei nur unter den schließlich vereinbarten Bedingungen bereit gewesen, ihren Anteil auf die Holding zu übertragen.

Sie habe die Steuerfreiheit ihrer Veräußerung nutzen wollen, um durch evtl. Gesetzesänderungen später nicht noch insoweit der Steuerpflicht zu unterliegen.

Der Ehemann der Klägerin habe sich ein entgeltliches Geschäft vorgestellt, bei dem beide Gesellschafter Einlagen zu erbringen hatten.

Im Übrigen komme im Streitfall allenfalls eine mittelbare Leistung des Ehemannes in Betracht, bei der regelmäßig selbst Fachleute Schwierigkeiten bei der Einordnung als entgeltlichen oder unentgeltlichen Vorgang hätten.

Dies schließe den subjektiven Tatbestand ebenfalls aus.

Selbst wenn aber der Leistende seine Leistung – möglicherweise auch irrtümlich – als entgeltlich ansehe, fehle es jedenfalls am subjektiven Tatbestand für eine freigebige Zuwendung.

Auch dies schließe die Festsetzung einer Schenkungssteuer aus.

Es habe schließlich kein Anlass bestanden, Vermögenswerte zwischen den Ehegatten zu verlagern.

Die Klägerin beantragt, den Schenkungssteuerbescheid in der Form der Einspruchsentscheidung ersatzlos aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Das FA hält daran fest, dass es sich hinsichtlich des Wertzuwachses bei den Anteilen der Klägerin an der Holding um eine freigebige Schenkung des Ehemannes gehandelt habe, und verweist auf das BMF-Schreiben vom 15. März 1997 (aaO.).

Das BFH-Urteil vom 19. Juni 1996 (aaO.) sei auf den Streitfall nicht übertragbar, da dort ein Unternehmen zu Buchwerten an die Gesellschaft verkauft und nicht eingelegt worden sei.

Das FG Nürnberg habe ebenfalls entschieden, dass eine Werterhöhung durch eine Einbringung zu Buchwerten bei den anderen Altgesellschaftern, die an der Kapitalerhöhung nicht teilgenommen haben, zu einer steuerpflichtigen Zuwendung führe

(Urteil vom 28. Februar 2008 4 K 1708/2007, DStRE 2008, 1271; Rev. anhängig bei BFH unter Az. II R 28/08).

Der Ehemann habe in Streitfall erkennen können, dass er seine Leistung teilweise unentgeltlich erbringe.

Er habe in dem Bewusstsein gehandelt, zu einer Sacheinlage mit einem gemeinen Wert, der erheblich vom Wert der Einlageverpflichtung der Klägerin abwich, nicht verpflichtet zu sein.

Auch habe er nicht annehmen können, durch die Einlageverpflichtung der Klägerin eine gleichwertige Leistung erhalten zu haben.

Daher sei auch der subjektive Tatbestand verwirklicht.

Die Beteiligten haben sich zur Höhe der Wertsteigerungen auf die vom Gericht in dem richterlichen Hinweis vom 8. Januar 2010 im Einzelnen dargestellten und errechneten Beträge verständigt.

freigebige Zuwendung nach § 7 I Nr 1 ErbStG durch Kapitalerhöhung GmbH – Niedersächsisches FG 3 K 449/06 – Gründe

Die Klage ist begründet.

Die Wertsteigerung bezüglich des bisherigen Anteils der Klägerin an der Holding stellt keine freigebige Zuwendung ihres Ehemannes nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar (1.) und die Wertdifferenz bezüglich der neuen Anteile der Klägerin an der Holding ist zwar schenkungssteuerpflichtig nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG (2.) führt aber der Höhe nach zu keiner Festsetzung von Schenkungssteuer unter Ehegatten (3.).

1. Schenkungssteuerpflicht der Wertsteigerung derursprünglichen Stammeinlageder Klägerin

17Die Vereinbarungen über die Kapitalerhöhung bei der Holding mit der Einbringung von 90% der Anteile an der D GmbH zu Buchwerten durch den Ehemann der Klägerin führten zu einer nicht der Schenkungssteuer unterliegenden Wertverschiebung auf die ursprüngliche Stammeinlage der Klägerin an der Holding, die bereits vor der Kapitalerhöhung bestanden hatte (6.000 DM von 60.000 DM).

a) Der Schenkungsteuer unterliegt als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; vgl. auch § 516 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)). Der Gegenstand der Schenkung richtet sich nach bürgerlichem Recht

(BFH-Urteile vom 5. Februar 1986 II R 188/83, BStBl II 1986, 460; vom 6. März 2002 II R 85/99, BFH/NV 2002, 1030, und vom 10. November 2004 II R 44/02, BStBl II 2005, 188).

Auszugehen ist danach zunächst vom Parteiwillen, im Falle der freigebigen Zuwendung vom Willen des Zuwendenden, d.h. davon, was dem Bedachten nach dem Willen des Schenkers geschenkt sein soll.

Entscheidend für die Bestimmung des Schenkungsgegenstandes ist indes, wie sich die Vermögensmehrung im Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung beim Bedachten darstellt, d.h. worüber der Bedachte im Verhältnis zum Schenker – endgültig – tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann.

Dies ist die den steuerpflichtigen Erwerb (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG) darstellende Bereicherung des Bedachten, an die die Wertermittlung gemäß den §§ 11, 12 ErbStG in der jeweils geltenden Fassung anknüpft

(BFH-Urteil in BStBl II 2005, 188, m.w.N.).

Der Gegenstand, um den der Beschenkte bereichert wird, muss sich nicht vorher in derselben Gestalt im Vermögen des Schenkers befunden haben und wesensgleich übergehen. „Entreicherungsgegenstand“ und „Bereicherungsgegenstand“ brauchen nicht identisch zu sein (BFH-Urteil in BStBl II 2005, 188).

freigebige Zuwendung nach § 7 I Nr 1 ErbStG durch Kapitalerhöhung GmbH – Niedersächsisches FG 3 K 449/06

Reine Wertveränderungen der Geschäftsanteile bleiben jedoch schenkungssteuerlich außer Betracht (BFH-Urteile vom 25. Oktober 1995 II R 67/93, BStBl II 1996, 160 und vom 19. Juni 1996, aaO.).

Eine (mögliche) Werterhöhung der Geschäftsanteile spiegelt zwar die auf einer unentgeltlichen Zuwendung beruhende Werterhöhung des Gesellschaftsvermögens wider.

Die Gesellschafter sind insoweit jedoch nicht auf Kosten des Zuwendenden bereichert.

Die Werterhöhung der Geschäftsanteile ist vielmehr Folge der Gesellschafterstellung und beruht auf ihr.

Rechtsgrund der „Bereicherung“ der Gesellschafter ist allein die im Geschäftsanteil verkörperte Mitgliedschaft der Gesellschafter; diese vermittelt die Teilhabe der Gesellschafter am Gesellschaftsvermögen.

Zwar wird der Wert der Geschäftsanteile wesentlich durch den Bestand des Gesellschaftsvermögens bestimmt, so dass eine Erhöhung des Gesellschaftsvermögens regelmäßig den Wert der Geschäftsanteile erhöht. Hieraus darf jedoch, entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung

(vgl. Knobbe-Keuk, Steuerberaterjahrbuch 1978/79, S. 412, 438),

nicht gefolgert werden, dass die unentgeltliche Zuwendung an eine GmbH insoweit bei den Gesellschaftern zu erfassen sei, als sie sich in einer Erhöhung des Wertes ihrer Geschäftsanteile auswirke.

Empfänger der einer GmbH gemachten Zuwendung ist, anders als bei der Gesamthandsgemeinschaft

(OHG, KG, GbR; vgl. Urteil des BFH vom 14. September 1994 II R 95/92, BStBl II 1995, 81),

die GmbH selbst, denn das Gesellschaftsvermögen ist Vermögen der GmbH.

Sie ist Bedachte der Zuwendung und wird durch die Zuwendung als Inhaberin des Gesellschaftsvermögens (§ 13 Abs. 1, 2. Halbsatz, Abs. 2 GmbH-Gesetz) auf Kosten des Zuwendenden bereichert (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG).

20b) Nach diesen Grundsätzen hat die eingetretene Wertsteigerung hinsichtlich der Anteile der Klägerin, die diese bereits vor der Kapitalerhöhung hielt (Einlage: 6.000 DM), nicht zu einer schenkungssteuerlich relevanten Bereicherung der Klägerin geführt.

Empfängerin einer solchen Zuwendung war die Holding selbst, da deren Gesellschaftsvermögen insoweit auf Kosten des Zuwendenden, des Ehemannes der Klägerin, bereichert worden ist.

Dies schließt eine gleichzeitige Zuwendung an die Klägerin aus.

Die Klägerin ist lediglich mittelbar durch ihre Gesellschafterstellung und ihre Teilhabe am Gesamtvermögen der Gesellschaft hinsichtlich ihrer bereits bestehenden Anteile auch wirtschaftlich begünstigt, weil durch die Erhöhung des Werts des Gesellschaftsvermögens regelmäßig auch der Wert ihrer Anteile gestiegen ist.

Die Trennung der Vermögenssphären der GmbH einerseits und der Gesellschafter andererseits verbietet eine Zurechnung direkt bei den Gesellschaftern, wenn nur der Wert des Gesellschaftsvermögens der GmbH erhöht wird.

freigebige Zuwendung nach § 7 I Nr 1 ErbStG durch Kapitalerhöhung GmbH – Niedersächsisches FG 3 K 449/06

Schenkungssteuerpflicht der Wertdifferenz der Stammeinlage der Klägerin aus der Kapitalerhöhung

Die Klägerin hat nach den vorstehenden schenkungssteuerlichen Grundsätzen insoweit den zusätzlichen Wert ihres im Wege der Kapitalerhöhung erlangten Geschäftsanteils über nominal 500 DM zugewandt bekommen.

Dieser Vorgang ist mit einem Wert von insgesamt 34.995 DM schenkungssteuerpflichtig.

a) Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert ist.

Von Leistungen ins Vermögen einer Kapitalgesellschaft (oben 1.), die deren Gesellschafter nur indirekt begünstigen, sind solche Zuwendungen zu unterscheiden, die im Zuge eines Gründungsvorganges oder einer effektiven Kapitalerhöhung erfolgen

(BFH-Urteil vom 20. Dezember 2000 II R 42/99, BStBl II 2001, 454

und vom 30. Mai 2001 II R 6/98, BFH/NV 2002, 26;

Troll/ Gebel/ Jülicher, Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuergesetz, § 7 Rn. 187 a.E.;

kritisch insgesamt Hucke in BB 2001, 1932 ff.).

Im Streitfall ist der Klägerin auf Kosten ihres Ehemannes durch die Zulassung der disquotalen Einlagen im Zuge der Kapitalerhöhung bereichert.

Mit der Eintragung der Kapitalerhöhung ins Handelsregister (§ 57 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG)) hat die Klägerin einen zusätzlichen Geschäftsanteil originär erworben, dessen Wert von Anfang an den Nennwert deutlich überstieg.

Die Entstehung des neuen Geschäftsanteils in der Hand der Klägerin geht auch mit einer Entreicherung der bisherigen Gesellschafter einher.

Deren Geschäftsanteile vermitteln als Folge der Entstehung neuer Anteile eine geringere quotale Beteiligung

(vgl. Wegmann in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 3 (GmbH), 1996, § 54 Rdnr. 22)

und erfuhren darüber hinaus eine Wertminderung dadurch, dass der neue Geschäftsanteil der Klägerin proportional am bisherigen Vermögen der GmbH teilhat

(vgl. Roth/Altmeppen, GmbH-Gesetz, Kommentar, 3. Aufl. 1997, § 55 Anm. 21),

ohne dass dies durch den ebenfalls proportionalen Anteil der Altgesellschafterinnen an dem von der Klägerin eingezahlten frischen Kapital der GmbH ausgeglichen wird

(vgl. dazu auch Gottschalk, DStR 2000, 1798, unter 4.2.2.).

Somit erfolgte die Bereicherung der Klägerin ganz überwiegend auf Kosten ihres Ehemannes.

b) Diese schenkungssteuerlich anzusetzende Wertdifferenz von 66.931 DM ergibt sich aus der Wertsteigerung des Betriebsvermögens der Holding durch die Einlagen.

Die Einlage der Klägerin entspricht dem Betrag ihrer Bareinlage (500 DM).

freigebige Zuwendung nach § 7 I Nr 1 ErbStG durch Kapitalerhöhung GmbH – Niedersächsisches FG 3 K 449/06

Der gemeine Wert der von dem Ehemann der Klägerin zu Buchwerten eingelegten Anteile (90% der Anteile an der D GmbH) ergibt sich rein rechnerisch aus dem von der Klägerin erzielten Kaufpreis für ihre Anteile an derselben Gesellschaft:

9,45%Anteile wurden von der Klägerin verkauft für 484.500 DM

10%Anteile der Klägerin hatten also den Wert 512.646 DM

90%Anteile des Ehemannes hatten folgenden Wert 4.613.814 DM

Wert der Anteile insgesamt 5.126.460 DM

Insgesamt ist daher durch die Kapitalerhöhung der Wert des Gesellschaftsvermögens um insgesamt folgenden Betrag erhöht worden:

Bareinlage der Klägerin 500 DM

Sacheinlage des Ehemannes der Klägerin 4.613.814 DM

Werterhöhung insgesamt 4.614.314 DM

Diese Werterhöhung entfiel i.H.v. 0,77% oder 35.495 DM auf die neuen Anteile der Klägerin:

Ehemann der Klägerin bisherige Anteile 54.000 DM

83,08%

3.833.430 DM

Kapitalerhöhung 4.500 DM

6,92%

319.453 DM

Klägerin bisherige Anteile 6.000 DM

9,23%

425.937 DM

Kapitalerhöhung 500 DM

0,77%

35.495 DM

65.000 DM

100,00%

4.614.315 DM

Nach Abzug der Aufwendungen der Klägerin zur Erlangung dieser Anteile (500 DM) verbleibt der zugewendete Wert von 34.995 DM.

c) Hinsichtlich dieser Zuwendung liegen auch die Voraussetzungen des subjektiven Tatbestandes vor.

Eine freigebige Zuwendung unter Lebenden i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG setzt über das Vorliegen der objektiven Tatbestandsmerkmale die Verwirklichung eines subjektiven Tatbestands voraus.

Es genügt dabei, wenn sich der Zuwendende der (Teil-) Unentgeltlichkeit seiner Leistung bewusst ist.

Bei Unausgewogenheit gegenseitiger Verträge reicht regelmäßig das Bewusstsein des einseitig benachteiligten Vertragspartners über den Mehrwert seiner Leistung aus; auf die Kenntnis des genauen Ausmaßes des Wertunterschieds kommt es hingegen nicht an.

Die Kenntnis des Zuwendenden hinsichtlich der Umstände, aus denen sich die objektive Bereicherung des Zuwendungsempfängers ergibt, ist dabei regelmäßig prima facie zu unterstellen.

Ein auf die Bereicherung des Empfängers gerichteter Wille im Sinne einer Bereicherungsabsicht (“animus donandi”) ist nicht erforderlich

(BFH-Urteil vom 29. Oktober 1997 II R 60/94, BStBl II 1997, 832, m.w.N.).

Im Streitfall ergibt sich das Bewusstsein des Zuwendenden bezüglich der Teilentgeltlichkeit aus der Gesamtheit der konkreten vertraglichen Vereinbarungen.

freigebige Zuwendung nach § 7 I Nr 1 ErbStG durch Kapitalerhöhung GmbH – Niedersächsisches FG 3 K 449/06

Dem Ehemann der Klägerin war spätestens durch den vereinbarten Kaufpreis für den Verkauf der Anteile der Klägerin an der D GmbH an die Holding bekannt, dass die Anteile – und damit auch seine eigenen 90% der Anteile – einen erheblichen Wert hatten.

Der Ehemann der Klägerin hat an diesem Kauf als Vertreter der Erwerberin mitgewirkt.

Ihm war der Wert bzw. Kaufpreis aus den Vertragsverhandlungen wie der Vertragsurkunde konkret bekannt.

Für seinen eigenen Anteil ergab sich dann bereits grob überschlägig ein entsprechender Wert, der bei mindestens rund 5.000.000 DM lag.

Der Ehemann der Klägerin konnte deshalb auch leicht erkennen, dass bei einer Einbringung der Anteile seinerseits zu Buchwerten für ein zusätzliches Stammkapital von 4.500 DM und der Verpflichtung der Klägerin zur Einlage nur des nominellen zusätzlichen Stammkapitals von 500 DM eine ganz erhebliche Wertverschiebung bezogen auf den zukünftigen Wert der Stammeinlagen erfolgen wird.

Vor allem wirkte der Ehemann der Klägerin insoweit auch bei der Beschlussfassung über diese Art einer disproportionalen Kapitalerhöhung als Gesellschafter der Holding entscheidend mit.

Er ließ diese unverhältnismäßige Regelung zu den Einlageverpflichtungen damit bewusst zu.

Dagegen spricht nicht – wie von der Klägerin geltend gemacht -, dass es ihrem Ehemann auch um die Schaffung einer Holdingstruktur mit einer Organschaft bezüglich seiner Unternehmen gegangen sein mag.

Dafür war diese Vertragsgestaltung mit einer weitreichenden Begünstigung der Klägerin, seiner Ehefrau, gar nicht zur Förderung des Gesellschaftszwecks unvermeidbar.

Für die Einbringung in die Holding zu Buchwerten durch den Ehemann der Kläger musste zwar gemäß § 20 UmwStG eine Kapitalerhöhung erfolgen, gesetzlich war aber nicht vorgeschrieben, dass alle Gesellschafter an einer solchen Kapitalerhöhung teilnehmen müssen.

Eine einseitige Kapitalerhöhung nur durch den Ehemann der Klägerin hätte ausgereicht.

Eine Zuwendung auf die neuen Anteile der Klägerin war nicht notwendig.

Auch sind unter solchen Umständen keine gesellschaftsrechtlichen Gründe für eine Zulassung auch der Klägerin zur Kapitalerhöhung nur mit dem Nennbetrag erkennbar.

freigebige Zuwendung nach § 7 I Nr 1 ErbStG durch Kapitalerhöhung GmbH – Niedersächsisches FG 3 K 449/06

Die Absicht, die Beteiligungsverhältnisse (90:10) belassen zu wollen, war jedenfalls vom Gesellschaftszweck nicht vorgegeben.

Hier spielten ausschließlich private Gründe außerhalb der Gesellschaft eine Rolle.

Für die Schaffung der Holdingsstruktur war zur Förderung dieses Gesellschaftszwecks der Holding der Verkauf der Anteile an der D GmbH an die Holding ebenfalls nicht unvermeidbar.

Die Klägerin hätte ihre Anteile ebenso einlegen können und auch dann den Gesellschaftszweck der Holding gefördert.

Schließlich ist für die Förderung des Gesellschaftszwecks der Holding nicht zu berücksichtigen, dass die Klägerin die stillen Reserven aus ihrer Beteiligung noch steuerfrei realisieren wollte.

Der Holding diente das weder direkt noch indirekt.

3. Höhe der Schenkungssteuer

Für den Wert der Schenkung ergibt sich für die hier relevante Zuwendung nach Abzug der Freibeträge keine festzusetzende Schenkungssteuer …

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

6. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassen, da bisher höchstrichterlich nicht entschieden ist, wie schenkungssteuerlich die Kombination aus der Einbringung eines Unternehmens zu Buchwerten bei einer gleichzeitigen disquotalen Kapitalerhöhung, für die alle Gesellschafter zugelassen worden sind, erfasst werden muss.

freigebige Zuwendung nach § 7 I Nr 1 ErbStG durch Kapitalerhöhung GmbH – Niedersächsisches FG 3 K 449/06

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

a black and white photo of some very tall buildings

Das Supervermächtnis

März 26, 2024
Das SupervermächtnisVon RA und Notar KrauDas Berliner Ehegattentestament sieht typischerweise vor, dass sich die Ehegatten gegenseitig als…
an abstract blue and white background with cubes

Der gesetzliche Voraus des Ehegatten

März 26, 2024
Der gesetzliche Voraus des EhegattenVon RA und Notar Krau:Der Voraus des verbliebenen Ehegatten ist ein rechtliches Konzept, das dem über…
a woman in a white dress walking across a bridge

Erbschaftsteuer umgehen: Strategien und Möglichkeiten

März 26, 2024
Erbschaftsteuer umgehen: Strategien und MöglichkeitenVon RA und Notar Krau:Die Erbschaftsteuer ist eine finanzielle Belastung, die Erb…