Notweg: Wer muss Winterdienst leisten?

Juni 12, 2025

Notweg: Wer muss Winterdienst leisten?

AG Bad Liebenwerde, Entscheidung vom 07.01.2005 – 13 C 148/04 –

LG Cottbus, Entscheidung vom 08.06.2005 – 5 S 6/05 –

RA und Notar Krau

Dieses Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 7. Juli 2006 (Aktenzeichen V ZR 156/05) befasst sich mit der Frage, wer für den Winterdienst auf einem Weg zuständig ist, der von zwei Nachbarn genutzt wird, obwohl dieser Weg auf dem Grundstück des einen Nachbarn liegt und dem anderen Nachbarn ein Wegerecht (Grunddienstbarkeit) eingeräumt wurde.


Der Fall: Streit um den Winterdienst auf einem Privatweg

Im Zentrum des Falles steht ein etwa 3 Meter breiter Weg auf dem Grundstück der Beklagten. Dieser Weg ist der einzige Zugang zu den Grundstücken des Klägers, der dort einen Tischler- und Zimmermannsbetrieb unterhält.

Bereits 1990 hatten sich die Parteien darauf geeinigt, dass der Kläger diesen Weg nutzen darf, und dies wurde als Grunddienstbarkeit im Grundbuch eingetragen. Eine Grunddienstbarkeit bedeutet, dass der Eigentümer eines Grundstücks (hier der Kläger) das Recht hat, ein anderes Grundstück (hier das der Beklagten) in einer bestimmten Weise zu nutzen.

Im vorliegenden Fall ist das das Recht, den Weg zu benutzen. In der Vereinbarung zur Dienstbarkeit war aber nicht geregelt, wer für die Unterhaltung des Weges zuständig ist, also wer sich um dessen Pflege und Instandhaltung kümmern muss.

Der Kläger war der Meinung, dass die Beklagte als Eigentümerin des Weges dafür verantwortlich sei, die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Dazu gehöre auch, den Weg im Winter von Schnee zu räumen und zu streuen. Er verklagte die Beklagte, um dies durchzusetzen.

Das Amtsgericht und das Landgericht wiesen die Klage des Klägers ab. Sie argumentierten, dass es keine Vereinbarung zur Unterhaltung des Weges gebe und dass das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) in dieser Situation keine klare Regelung liefere, insbesondere weil beide Parteien den Weg nutzen. Jede Partei sei selbst dafür verantwortlich, Gefahren vorzubeugen, um nicht Dritten gegenüber für Schäden haftbar zu sein.

Der Kläger gab jedoch nicht auf und legte Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) ein.


Notweg: Wer muss Winterdienst leisten?

Die Entscheidung des BGH: Gemeinsame Verantwortung für den Weg

Der BGH hob das Urteil des Landgerichts auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung zurück. Das bedeutet, dass der Fall noch einmal vor dem Landgericht verhandelt werden muss, und zwar unter Berücksichtigung der rechtlichen Einschätzung des BGH.

Der BGH stellte klar, dass beide Parteien grundsätzlich am Winterdienst auf dem Weg mitwirken müssen. Hier sind die Hauptargumente des BGH:

  • Der Weg als „Anlage“ im Sinne des § 1020 BGB: Der BGH sah den Weg als eine „Anlage“ im Sinne von § 1020 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches an. Diese Vorschrift besagt, dass der Berechtigte einer Dienstbarkeit (hier der Kläger) für die Unterhaltung der Anlagen, die er zur Ausübung der Dienstbarkeit hat, verantwortlich ist, sofern er diese Anlagen angelegt hat. Wichtig ist hierbei, dass es nicht darauf ankommt, ob der Weg befestigt ist; selbst Fahrspuren können eine Anlage sein.
  • Der Kläger ist „Halter“ der Anlage: Obwohl der Kläger den Weg nicht selbst angelegt hat, sah der BGH ihn aufgrund seiner eingetragenen Berechtigung zur Benutzung als „Halter“ des Weges im Sinne der Vorschrift an.
  • Mitbenutzung durch den Eigentümer führt zur Beteiligungspflicht: Der entscheidende Punkt war, dass die Beklagte als Eigentümerin den Weg ebenfalls mitnutzt. Wenn der Eigentümer des dienenden Grundstücks (hier die Beklagte) die Anlage (den Weg) ebenfalls mitbenutzt, muss sie sich an den Kosten für die Unterhaltung beteiligen. Zur Unterhaltung gehört auch die Verkehrssicherungspflicht, wozu auch der Winterdienst zählt.
  • Umfang der Beteiligung richtet sich nach Nutzung: Der Umfang, in dem sich die Parteien an der Unterhaltung beteiligen müssen, hängt davon ab, wie intensiv und wie häufig jede Partei den Weg nutzt. Wenn nichts anderes festgestellt werden kann, müssen beide Parteien im gleichen Umfang beitragen, wie es auch bei einer Bruchteilsgemeinschaft (wenn mehreren etwas gemeinsam gehört) der Fall wäre.
  • Bedeutung eines Tores: Der BGH wies auch darauf hin, dass eine besondere Situation entstehen könnte, wenn der Weg ursprünglich durch ein Tor verschließbar war, das der Kläger entfernt hat. Wenn die Beklagte und ihre Pächter im Winter den Weg nicht nutzen müssen und die Beklagte durch das Verschließen des Tores die Nutzung durch Dritte hätte verhindern können, dann könnte ihre Pflicht zum Winterdienst entfallen.

Da die Vorinstanzen keine Feststellungen zum Umfang und zur Intensität der beiderseitigen Nutzung gemacht hatten und die Frage des Tores ungeklärt war, wurde der Fall an das Landgericht zurückverwiesen. Dort muss nun genauer geprüft werden, wie oft und wie stark jede Partei den Weg nutzt, um die jeweilige Beteiligung am Winterdienst zu bestimmen.


Was bedeutet das Urteil?

Dieses Urteil ist wichtig, weil es klargestellt hat, dass auch wenn in einer Dienstbarkeit keine ausdrückliche Regelung zur Unterhaltung enthalten ist, eine geteilte Verantwortung für die Pflege und Sicherheit eines Weges bestehen kann, insbesondere wenn beide Parteien ihn nutzen.

Die Kosten und Pflichten für den Winterdienst oder die Instandhaltung müssen dann im Verhältnis zur jeweiligen Nutzung aufgeteilt werden. Das Gericht betont, dass die Verkehrssicherungspflicht, also die Pflicht, Gefahren von dem Weg fernzuhalten, ein Teil der Unterhaltungspflicht ist.

Sind Sie selbst in einer ähnlichen Situation mit einem gemeinsam genutzten Weg und haben Fragen zur Verkehrssicherung oder den Pflichten der Beteiligten?

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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