Notwegrecht und Schikaneverbot
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 6. Mai 2022 (V ZR 50/21) wichtige Klarstellungen zum Notwegrecht (§ 917 BGB) und zum Schikaneverbot (§ 226 BGB) vorgenommen.
Im Kern geht es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Grundstücksnachbar die Duldung eines Notwegs über sein Grundstück verweigern oder bereits errichtete Hindernisse beseitigen muss.
Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Das klägerische Grundstück, ein Vierseithof, war vormals landwirtschaftlich genutzt.
Die Zufahrt erfolgte durch eine etwa drei Meter breite Lücke.
Nach dem Erwerb des Nachbargrundstücks durch den Beklagten im Jahr 2004 verblieben aufgrund von dessen Grundstücksgestaltung nur noch 1,66 Meter.
Der Beklagte errichtete im Jahr 2019 eine Betonmauer, wodurch die Zufahrt für mehrspurige Fahrzeuge unmöglich wurde.
Die Kläger, die den Hof zu Wohnzwecken und einer kleinen Tierzucht nutzen, forderten den Rückbau der Mauer.
Der BGH hob die vorinstanzlichen Urteile auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurück.
Er stellte klar, dass ein Notwegrecht nur unter den Voraussetzungen des § 917 BGB entstehen kann und nicht durch das Schikaneverbot begründet wird.
Ein Notwegrecht entsteht, wenn einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung zu einem öffentlichen Weg fehlt.
Die ordnungsmäßige Benutzung bestimmt sich nach objektiven Gesichtspunkten, nicht nach den persönlichen Bedürfnissen des Eigentümers.
Eine Zufahrt für Kraftfahrzeuge ist bei Wohngrundstücken nur bei besonderen Umständen erforderlich, nicht aus Gründen der Bequemlichkeit.
Die Kosten für eine alternative Zuwegung müssen im Verhältnis zur Wirtschaftlichkeit der Grundstücksnutzung zumutbar sein.
§ 918 BGB bestimmt, dass die Verpflichtung zur Duldung eines Notweges entfällt, wenn eine vorher bestehende Verbindung zu einem öffentlichen Weg
durch eine willkürliche Handlung des Eigentümers aufgehoben wurde.
Das Schikaneverbot kann kein Notwegrecht begründen.
Ein Eigentümer handelt nicht schikanös, wenn er gesetzlich nicht vorgesehene Einschränkungen seiner Grundstücksnutzung ablehnt.
Ein Beseitigungsanspruch von Hindernissen, die die Nutzung eines Weges verhindern, hängt vom Bestehen eines Wegerechts ab.
Welche Einschränkungen der Eigentümer eines Grundstücks im Verhältnis zu seinen Nachbarn hinzunehmen hat,
bestimmt sich nach den §§ 903 ff. BGB und ggf. ergänzenden landesrechtlichen Vorschriften.
Das Berufungsgericht muss prüfen, ob die Kläger aufgrund der örtlichen und baulichen Verhältnisse auf eine Zufahrt mit Kraftfahrzeugen angewiesen sind.
Gegebenenfalls ist zu prüfen, ob ein Beseitigungsanspruch aufgrund einer altrechtlichen Dienstbarkeit besteht.
Das Urteil des BGH stellt klar, dass Notwegrechte und Ansprüche aus dem Schikaneverbot klar voneinander getrennt zu betrachten sind.
Es betont die Bedeutung der gesetzlichen Regelungen und grenzt die Anwendung des Schikaneverbots ein, um die Eigentumsrechte der Grundstücksnachbarn zu schützen.
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