Notwendigkeit besonderes Aussetzungsinteresse bei Geltendmachung Verfassungswidrigkeit von Grundsteuerwertbescheiden
Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.03.2025 – 16 V 16040/25
Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (16. Senat) hat mit Beschluss vom 12. März 2025 den Antrag eines Steuerpflichtigen auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) eines Grundsteuerwertbescheids als unzulässig verworfen.
Der Antragsteller hatte die AdV primär mit Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der Bewertungsvorschriften für die Grundsteuer, insbesondere einer Verletzung des Gleichheitssatzes, begründet.
Der Antragsteller legte gegen den Grundsteuerwertbescheid vom 18. Oktober 2022, der einen Grundsteuerwert von 281.500 € festsetzte,
am 2. November 2022 Einspruch ein und beantragte gleichzeitig beim Finanzamt (FA) die AdV dieses Bescheids.
Über diesen Einspruch ist noch nicht entschieden.
Den Antrag auf AdV des Grundsteuerwertbescheids lehnte das FA mit Bescheid vom 6. Februar 2025 ab.
Parallel existierte ein weiterer Bescheid vom selben Datum, der den Grundsteuermessbetrag auf 87,27 € festsetzte.
Gegen diesen Grundsteuermessbescheid legte der Antragsteller weder Einspruch ein noch beantragte er dessen AdV beim FA.
Seinen gerichtlichen Antrag auf AdV stützte der Antragsteller ausschließlich auf die seiner Ansicht nach bestehenden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Bewertungsvorschriften für die Grundsteuer.
Er argumentierte, dass ihm durch die sofortige Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids wirtschaftliche Nachteile drohten,
die über die eigentliche Steuerzahlung hinausgingen und insbesondere die Duldung der Zwangsvollstreckung erforderten.
Diese unbillige Härte sei gerade durch den Sofortvollzug verursacht und gehe über bloße Billigkeitserwägungen hinaus.
Zudem seien ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts gegeben, da die einschlägige Rechtsnorm möglicherweise verfassungswidrig sei.
Das Finanzamt beantragte, den Antrag, sofern er sich auf den Grundsteuermessbescheid beziehe, als unzulässig zu verwerfen und hilfsweise,
sofern er den Grundsteuerwertbescheid betreffe, mangels eines besonderen Aussetzungsinteresses als unbegründet zurückzuweisen.
Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg stellte zunächst klar, dass der Antrag rechtsschutzgewährend dahingehend auszulegen sei,
dass die AdV des Grundsteuerwertbescheids begehrt werde, nicht des Grundsteuermessbescheids.
Dies begründete das Gericht damit, dass Mängel im System der Bewertung des Grundbesitzes für die Grundsteuer nur im Verfahren gegen den Grundsteuerwertbescheid
und nicht gegen den Grundsteuermessbescheid geltend gemacht werden könnten.
Es verwies insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur früheren Rechtslage zwischen Einheitswertbescheid und Grundsteuermessbescheid,
die auf die neue Rechtslage mit dem Grundsteuerwertbescheid entsprechend anwendbar sei.
In der Sache verwarf das Gericht den Antrag auf AdV des Grundsteuerwertbescheids als unzulässig, da der Antragsteller
das für eine AdV aufgrund von Verfassungswidrigkeit notwendige besondere Aussetzungsinteresse nicht schlüssig dargelegt habe.
Das Gericht führte aus, dass der für die Grundstücksbewertung zuständige 2. Senat des BFH bereits entschieden habe,
dass die Gewährung von AdV ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers an der vorläufigen Rechtsschutzgewährung voraussetze.
Obwohl andere Senate des BFH in der Vergangenheit eine abweichende Auffassung zur Notwendigkeit eines solchen besonderen Aussetzungsinteresses vertreten hätten,
schloss sich der beschließende Senat der Ansicht des Finanzgerichts Münster an, wonach ein solches besonderes Interesse bei einem AdV-Antrag
gegen einen Grundsteuerwertbescheid wegen geltend gemachter Verfassungswidrigkeit der Grundsteuerwertermittlung erforderlich sei.
Das Gericht stellte fest, dass der BFH in Fällen, in denen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts auf verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Gültigkeit der zugrunde liegenden Norm
beruhten, dem Aussetzungsinteresse des Steuerpflichtigen in bestimmten Fallgruppen den Vorrang vor dem öffentlichen Interesse eingeräumt habe.
Diese Fallgruppen umfassten Situationen, in denen dem Steuerpflichtigen durch den sofortigen Vollzug irreparable Nachteile drohten, das zu versteuernde Einkommen unter dem sozialhilferechtlichen
Existenzminimum lag, das Bundesverfassungsgericht eine ähnliche Vorschrift für nichtig erklärt hatte, der BFH die als verfassungswidrig angesehene Vorschrift bereits dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung
vorgelegt hatte, ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung des Werbungskostenabzugs bestanden
oder es um verfassungsrechtlich schutzwürdiges Vertrauen auf die Beibehaltung der bisherigen Rechtslage ging.
Der Antragsteller habe jedoch keinen dieser Fälle auch nur ansatzweise dargetan.
Insbesondere habe er nicht konkretisiert, welcher nicht wiedergutzumachende Schaden ihm durch die sofortige Zahlung der Grundsteuer entstehen würde,
zumal eine spätere Rückerstattung im Falle einer Feststellung der Verfassungswidrigkeit durch das Bundesverfassungsgericht möglich wäre.
Er habe keinerlei Angaben zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen oder zur Höhe der tatsächlich resultierenden Grundsteuer gemacht.
Die anderen genannten Fallgruppen lägen ohnehin ersichtlich nicht vor.
Vorsorglich wies das Gericht darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des 3. Senats des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der maßgeblichen Regelungen bestünden.
Zudem habe der Antragsteller nicht vorgetragen, dass der Grundsteuerwertbescheid den einfachgesetzlichen Vorschriften widerspreche.
Das Finanzgericht ließ die Beschwerde zum Bundesfinanzhof gemäß § 128 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 FGO zu, da die Frage, ob bei einem AdV-Antrag, der mit der Verfassungswidrigkeit der zugrunde liegenden
Normen begründet wird, ein besonderes Aussetzungsinteresse erforderlich ist, derzeit nicht abschließend geklärt erscheine.
Die Kosten des Verfahrens wurden dem Antragsteller gemäß § 135 Abs. 1 FGO auferlegt.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.