OVG NRW 1 A 2064/14

August 23, 2017

OVG NRW 1 A 2064/14 Abgeltung von Mehrarbeitsstunden – hier: Vererblichkeit des Abgeltungsanspruchs abgelehnt

Zur Ablehnung eines Abgeltungsanspruchs der Erbin für etwaige Mehrarbeitsstunden ihres verstorbenen Ehemanns (Beamter) gegenüber der Behörde in Ermangelung einer entsprechenden auf sie im Wege der Universalsukzession (§ 1922 BGB) übergegangenen Anspruchsposition ihres verstorbenen Ehemanns

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand OVG NRW 1 A 2064/14

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung im Zusammenhang mit der ehemaligen Tätigkeit des im Dezember 2013 verstorbenen Ehemanns der Klägerin.

Dieser stand bis zum Eintritt in den Ruhestand wegen Erreichens der Altersgrenze mit Ablauf des Monats Mai 2011 als Beamter auf Lebenszeit – zuletzt im Amt eines Polizeihauptkommissars (Besoldungsgruppe A 11) – im Dienst der Beklagten.

Vom 19. Oktober 2009 an bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand war er dienstunfähig erkrankt. Im Jahr 2009 ergaben sich für ihn zudem weitere gesundheitsbedingte Fehlzeiten in der Zeit vom 20. April bis zum 20. Mai und in der Zeit vom 15. Juli bis zum 27. Juli sowie urlaubsbedingte Fehlzeiten vom 20. Februar bis zum 25. Februar und vom 7. September bis zum 9. Oktober. Im Jahr 2008 ergaben sich für ihn gesundheits- und urlaubsbedingte Fehlzeiten vom 14. Januar bis zum 18. Januar, vom 20. Februar bis zum 25. Februar, vom 7. Juli bis zum 11. Juli, vom 25. August bis zum 22. September sowie vom 9. Oktober 2008 bis zum 31. Dezember 2008. Im Jahr 2007 ergaben sich für ihn gesundheitsbedingte Fehlzeiten vom 5. Januar bis zum 21. Januar sowie vom 25. Oktober bis zum 28. Oktober. Zudem nahm er an 19 Arbeitstagen Erholungsurlaub in Anspruch.

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 11. März 2011 beantragte der verstorbene Ehemann der Klägerin beim Bundespolizeiaus- und – fortbildungszentrum T.        die Abgeltung von insgesamt 56,5 “Überstunden”. Zum Nachweis dieser Überstunden legte er eine entsprechende Bescheinigung des Bundespolizeiaus- und -fortbildungszentrums vom 31. Januar 2011 vor, aus der neben der Stundenanzahl auch hervorgeht, dass diese Stunden aus dienstlichen Gründen nicht abgegolten worden seien. Darüber hinaus war dem Antrag eine handschriftlich geführte Übersicht “Nachweisführung Überzeitarbeit” beifügt, in der – beginnend mit dem 22. Februar 2006 und endend mit dem 19. August 2009 – der zeitliche Umfang der Überarbeit und teilweise ihre Anlässe, der hierfür gewährte Dienstausgleich bzw. die hierfür gewährte Dienstbefreiung sowie dessen bzw. deren zeitlicher Umfang verzeichnet und jeweils mit einer Paraphe des Dienstvorgesetzten versehen sind. Die Summe der danach durch den Kläger geleisteten Ist-Stunden belief sich am 19. August 2009 auf 57,0 Stunden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Übersicht “Nachweisführung Überarbeitszeit” Bezug genommen.

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Mit Bescheid vom 3. Mai 2011 lehnte das Bundespolizeiaus- und – fortbildungszentrum T.         den Antrag auf Vergütung der geltend gemachten Mehrarbeit ab. Zur Begründung führte es aus: Bei den von dem verstorbenen Ehemann der Klägerin angeführten “Überstunden” handele es sich zwar um Mehrarbeit im Sinne des § 88 BBG, für die einem Beamten eine Mehrarbeitsvergütung gewährt werden könne. Ein Abgeltungsanspruch bestehe aber gleichwohl nicht, da ein zeitgerechter Freizeitausgleich nicht aus zwingenden dienstlichen Gründen unmöglich gewesen sei. Im Übrigen habe eine Nachberechnung auf der Grundlage der eingereichten Übersicht “Nachweisführung Überarbeitszeit” ergeben, dass im Falle des Klägers selbst bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nicht 56,5 Stunden, sondern lediglich 26,55 Stunden auszugleichen seien.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Bundespolizeiakademie M.

durch Widerspruchsbescheid vom 21. Mai 2012 als unbegründet zurück. Entgegen der im Übrigen zutreffenden Begründung des Ablehnungsbescheides vom 3. Mai 2011 fehle es – mangels schriftlicher Anordnung durch den Dienstvorgesetzten im Einzelfall – schon an der für die begehrte Abgeltung erforderlichen Mehrarbeit im Sinne des § 88 BBG. Die bloße Paraphe des Dienstvorgesetzten in der vom Kläger geführten Übersicht “Nachweisführung Überarbeitszeit” genüge insoweit nicht. Vor diesem Hintergrund handele es sich bei den in Rede stehenden Überstunden – was auch die Überschrift der genannten Übersicht nahelege – nicht um Mehrarbeit, sondern lediglich um nicht abgeltungsfähige “Überzeit”.

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Der verstorbene Ehemann der Klägerin hat am 19. Juni 2012 – entsprechend der Rechtsmittelbelehrung im Widerspruchsbescheid – bei dem Verwaltungsgericht Köln Klage erhoben, das den Rechtsstreit durch Beschluss vom 20. Juni 2012 an das Verwaltungsgericht Aachen verwiesen hat.

Nach dem Tod ihres Ehemanns im Dezember 2013 hat die Klägerin erklärt, dass sie das Verfahren als Erbin fortführe und schriftsätzlich (sinngemäß) beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundespolizeiaus- und -fortbildungszentrums T.         vom 3. Mai 2011 sowie des Widerspruchsbescheides der Bundespolizeiakademie M.      vom 21. Mai 2012 zu verpflichten, ihr die von ihrem verstorbenen Ehemann geleisteten Mehrarbeitsstunden im Umfang von 56,5 Stunden gemäß der Bundesmehrarbeitsvergütungs-verordnung abzugelten.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Durch das angefochtene Urteil, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht die Klage – trotz Fehlens eines entsprechenden Einverständnisses der Klägerin – ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgewiesen.

Zur Begründung der vom Senat mit Beschluss vom 23. Februar 2016 zugelassenen Berufung macht die Klägerin unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen geltend: Der von ihr geltend gemachte Abgeltungsanspruch folge aus § 88 BBG. Die von ihrem Ehemann geleisteten 56,5 Überstunden stellten Mehrarbeit im Sinne dieser Vorschrift dar. Ihr Ehemann habe diese Mehrarbeit auf der Grundlage entsprechender Anordnungen in Form von Weisungen, Organisations- und Einsatzbefehle in den Jahren 2007 bis 2009 geleistet.

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Konkret sei die Mehrarbeit im Zusammenhang mit der über die regulären Dienstzeiten hinaus erforderlichen Besetzung des Geschäftszimmers/Organisationsbüros (ca. 2,5 Stunden pro Woche), der Versorgung bzw. Unterstützung laufender Ausbildungsgänge bei der Unterkunftsbetreuung, der Bettwäscheausgabe und der Außenverpflegung beim Geländeschießen und im Rahmen der Vereidigung bzw. der Werbemaßnahmen für Afghanistan-Einsätze sowie aus Anlass von zwei Einsätzen bei Castor- Transporten (2007/2009) und der durch die Dienststelle geleisteten Unterstützung bei der Öffentlichkeitsarbeit für den Wandertag des Bonner Generalanzeigers angefallen.

Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass es an hinreichenden Anordnungen der geleisteten Mehrarbeit fehle, so sei diese jedoch zumindest in ausreichender Form nachträglich dadurch genehmigt worden, dass der Dienstvorgesetzte die aus den jeweiligen Anlässen geleisteten Stunden in der vorgelegten Übersicht mit seiner Paraphe versehen habe. Darüber hinaus sei es ihrem verstorbenen Ehemann aus zwingenden dienstlichen Gründen auch nicht möglich gewesen, die Mehrarbeit im Wege der Dienstbefreiung auszugleichen.

Zum einen habe er eine “Schlüsselfunktion” im Ausbildungszentrum bekleidet und sei daher – nicht zuletzt auch mit Blick auf seinerzeit durchgeführte Umstrukturierungsmaßnahmen des Referats 56 und notwendige Vorbereitungsmaßnahmen für Afghanistaneinsätze – zur Aufrechterhaltung der Dienstfähigkeit des Organisationsbüros unabkömmlich gewesen. Zum anderen habe einer Dienstbefreiung auch die damals gegebene besondere Sicherheitslage entgegengestanden, die insbesondere durch eine Vielzahl von polizeilich zu sichernder Castor-Transporte sowie durch die auch seinerzeit schon bestehende allgemeine Terrorgefahr gekennzeichnet gewesen sei.

Im Übrigen sei auch eine Erkrankung, die dazu führe, dass der bestehende Anspruch auf Freizeitausgleich für geleistete Mehrarbeit vor dem Eintritt in den Ruhestand nicht realisiert werden könne, unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Urlaubsabgeltung als zwingender dienstlicher Grund anzuerkennen.

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Darüber hinaus ergebe sich der von ihr geltend gemachte Anspruch auch auf der Grundlage des Grundsatzes von Treu und Glauben, aus der Fürsorgepflicht der Beklagten, aus dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, dem Entwurf der Richtlinie über den Ausgleich von Überzeit- und Mehrarbeit vom 29. Januar 1991 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG, aus Art. 7 RL 2003/88/EG bzw. auf der Grundlage des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundespolizeiaus- und -fortbildungszentrums T.         vom 3. Mai 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bundespolizeiakademie M.      vom 21. Mai 2012 zu verpflichten, ihr eine Mehrarbeitsvergütung in gesetzlicher Höhe für die von ihrem Ehemann geleisteten 56,5 Stunden Mehrarbeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Hierzu führt sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens aus: Der eingeklagte Abgeltungsanspruch bestehe nicht. Eine Abgeltung der in Rede stehenden Überstunden komme insbesondere nicht auf der Grundlage des § 88 BBG in Betracht. Es liege schon keine Mehrarbeit im Sinne dieser Vorschrift vor. Denn abgesehen von der insoweit fehlenden hinreichenden schriftlichen Anordnung bzw. Genehmigung liege auch der Sache nach keine Mehrarbeit vor, wenn der Betroffene – wie hier der Kläger – über Jahre hinweg ohne zeitliche Begrenzung Überstunden geleistet habe.

Derartiges sei mit dem Ausnahmecharakter der Mehrarbeit nicht zu vereinbaren. Schließlich sei auch nicht erkennbar, dass ein Freizeitausgleich für die geltend gemachte Mehrarbeit aufgrund zwingender dienstlicher Gründe ausgeschlossen gewesen sei. Zwar habe es immer wieder auch Zeiträume gegeben, in denen ein Freizeitausgleich aus Sicht des Dienstherrn nicht in Betracht gekommen sei.

Auf das Jahr bezogen habe jedoch – was durch die Übersicht “Nachweis Überarbeitszeit” belegt werde – stets in ausreichendem Maße die Möglichkeit für den verstorbenen Ehemann der Klägerin bestanden, Überstunden durch Dienstbefreiungen auszugleichen. Die Voraussetzungen der sonstigen von der Klägerin benannten Anspruchsgrundlagen lägen ebenfalls nicht vor. Im Übrigen sei der Abgeltungsanspruch – bezogen auf die von der Klägerin für das Jahr 2007 geltend gemachten Überstunden – verjährt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (6 Hefte) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe OVG NRW 1 A 2064/14

Die Berufung hat keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Ablehnungsbescheid vom 3. Mai 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin als Erbin ihres verstorbenen Ehemanns nicht in ihren Rechten. Sie hat gegenüber der Beklagten in Ermangelung einer entsprechenden auf sie im Wege der Universalsukzession (§ 1922 BGB) übergegangenen Anspruchsposition ihres verstorbenen Ehemanns keinen Anspruch auf die begehrte Abgeltung etwaiger von ihm geleisteter Mehrarbeit bzw. Überstunden (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Vgl. zur Vererblichkeit eines solchen Abgeltungsanspruchs: VG Düsseldorf, Urteil vom 20. Juli 2012 – 13 K 5977/11 -, juris, Rn. 24 ff., m. w. Nachw.; siehe auch: VG Kassel, Urteil vom 10. März 2015 – 1 K 1994/14.KS -, juris, Rn. 26 (dort zur Vererblichkeit eines Urlaubsabgeltungsanspruchs).

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Die Klägerin kann den geltend gemachten Anspruch auf Gewährung eines finanziellen Ausgleichs weder auf § 88 BBG bzw. § 72 BBG a.F. (1.) noch den Grundsatz von Treu und Glauben (2.), eine Fürsorgepflichtverletzung (3.), einen Folgenbeseitigungsanspruch (4.), einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch (5.), den Entwurf der Richtlinie über den Ausgleich von Überzeit- und Mehrarbeit vom 29. Januar 1991 i. V. m. Ziffer 2. des Erlasses des Bundesministers des Inneren selben Tag i. V. m. mit den Grundsätzen über die Selbstbindung der Verwaltung und Art. 3 Abs. 1 GG (6.) oder einen etwaigen europarechtlich vorgegebenen Besoldungsanspruch (7.) stützen. Der unionsrechtliche Haftungsanspruch (8.) und ein beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch auf der Grundlage des nationalen Rechts (9.) scheiden als Anspruchsgrundlage ebenfalls aus.

1. Ein Anspruch der Klägerin auf Abgeltung der geltend gemachten Stunden lässt sich nicht aus § 88 Satz 4 BBG bzw. § 72 Abs. 2 Satz 3 BBG in der bis zum 11. Februar 2009 gültigen Fassung (a.F.) i. V. m. § 48 BBesG und § 3 Abs. 1 der Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamtinnen und Beamte des Bundes – Bundesmehrarbeitsvergütungsverordnung (BMVergV) in der jeweils geltenden Fassung herleiten.

Nach § 88 Satz 1 BBG bzw. § 72 Abs. 2 Satz 1 BBG a.F. sind Beamte verpflichtet, ohne Vergütung über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus Dienst zu tun, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt.

Wird ein Beamter durch eine dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus beansprucht, ist ihm innerhalb eines Jahres für die Mehrarbeit, die er über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistet hat, entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren (Satz 2 der Vorschriften). Der Gesetzgeber definiert Mehrarbeit danach als dienstlich angeordnete oder genehmigte Arbeit über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus und sieht dafür vorrangig einen Freizeitausgleich vor.

Vgl. zum Begriff der Mehrarbeit allgemein auch: BVerwG, Urteil vom 17. November 2016 – 2 C 23.15 -, juris, Rn. 13 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 4. März 2013 – 3 A 2225/09 -, juris, Rn. 62 ff.

Erst wenn eine solche Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich ist, können gemäß § 88 Satz 4 BBG bzw. § 72 Abs. 2 Satz 3 BBG a.F. an ihrer Stelle Beamte in Besoldungsgruppen mit aufsteigenden Gehältern eine Vergütung erhalten. Für die Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung gelten – über die auch für die Gewährung von Freizeitausgleich geltenden beamtenrechtlichen Voraussetzungen hinaus -,

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vgl. allgemein zu den insoweit bestehenden unterschiedlichen Maßstäben: Urteil des Senats vom 24. August 2015 – 1 A 421/14 -, juris, Rn. 156 ff.,

weitergehende besoldungsrechtliche Voraussetzungen, die sich aus § 48 Abs. 1 BBesG i. V. m. den Regelungen der Bundesmehrarbeitsvergütungsverordnung ergeben. Ist der Anwendungsbereich der Verordnung nicht eröffnet (§ 2 BMVergV) oder liegen die darin zusätzlich statuierten Anforderungen für die Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung, insbesondere das hinsichtlich der Anordnung oder Genehmigung der Mehrarbeit bestehende Schriftformerfordernis (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BMVergV), nicht vor, kann eine Vergütung nicht bewilligt werden (vgl. § 1 BMVergV).

Die Voraussetzungen, unter denen danach ein finanzieller Ausgleich für die hier geltend gemachten 56,5 Überstunden in Betracht käme, sind vorliegend nicht erfüllt.

a) Offen bleiben kann dabei, ob es sich bei den geltend gemachten Überstunden überhaupt um (schriftlich) angeordnete bzw. genehmigte Mehrarbeit im oben genannten Sinne handelt, für die nach Maßgabe der Bundesmehrarbeitsvergütungsverordnung eine finanzielle Vergütung zu gewähren ist.

Siehe zum Schriftformerfordernis allgemein auch: OVG NRW, Beschluss vom 4. März 2013 – 3 A 2225/09 -, juris, Rn. 56 ff. (zum entsprechenden Landesrecht NRW); siehe zum Ganzen auch: Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, BBG, Bd. 1, § 88 Rn. 8 ff.

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Zu den praktischen Abläufen bei der Anordnung von Mehrarbeit beim Polizeiaus- und -fortbildungszentrum T.         hat der Senat in der mündlichen Verhandlung Polizeidirektor X.          informatorisch befragt. Dieser war in dem hier in Rede stehenden Zeitraum von Anfang des Jahres 2007 bis zum Ende des Jahres 2009 – unterbrochen von einem einjährigen Auslandseinsatz – dort als Lehrbereichsleiter Dienstvorgesetzter des verstorbenen Ehemanns der Klägerin. Aus seinen Angaben ergeben sich zwar Anhaltspunkte dafür, dass dort im Grundsatz nach § 88 Satz 4 BBG bzw. § 72 Abs. 2 Satz 3 BBG a.F. abgeltungsfähige Mehrarbeit (schriftlich) angeordnet bzw. genehmigt worden ist.

Hierfür spricht insbesondere auch die in der mündlichen Verhandlung überreichte “Prozessanweisung Mehrarbeit/Überstunden” des Bundespolizeiaus- und – fortbildungszentrums West vom 5. Mai 2006, nach der – was nicht zuletzt auch der ebenfalls überreichte Vordruck für die Anzeige/Genehmigung von Mehrarbeit nahelegt – laut Auskunft von Polizeidirektor X.          praktisch verfahren worden ist. Indes ergibt sich aus seinen Angaben nicht, ob und in welchem Umfang gegenüber dem verstorbenen Ehemann der Klägerin in den Jahren 2007 bis 2009 tatsächlich Mehrarbeit angeordnet oder genehmigt worden ist. Dies lässt sich auch dem Vorbringen der Klägerin und den von ihrem verstorbenen Ehemann vorprozessual vorgelegten Unterlagen (Bescheinigung des Bundespolizei- und Fortbildungszentrums T.         vom 31. Januar 2011 und Übersicht “Nachweisführung Überzeitarbeit”) nicht ohne Weiteres entnehmen.

Denn daraus folgt – jedenfalls weit überwiegend – schon nicht mit hinreichender Klarheit, aus welchen konkreten Anlässen, die Gegenstand einer schriftlichen Mehrarbeitsanordnung bzw. -genehmigung hätten sein können, der verstorbene Ehemann der Klägerin entsprechende Mehrarbeit geleistet hat. Maßgeblich für diese Unsicherheiten, die auch der ehemalige Lehrbereichsleiter Polizeidirektor X.           in der mündlichen Verhandlung nicht auszuräumen vermochte, ist insbesondere, dass etwaige Mehrarbeitsanlässe sowohl nach dem Klagevorbringen als auch nach den vorprozessual vorgelegten Unterlagen überwiegend lediglich pauschal benannt und regelmäßig keinem konkreten Zeitpunkt (z. B. einem bestimmten Tag mit Uhrzeiten), sondern allenfalls einem – teils mehrmonatigen – Zeitraum zugeordnet werden.

Lassen sich aber schon die in Rede stehenden Mehrarbeitsanlässe zum weit überwiegenden Teil zeitlich nicht näher eingrenzen, ist nicht ohne Weiteres feststellbar, ob der verstorbene Ehemann der Klägerin – wie von ihr behauptet – abgeltungsfähige Mehrarbeit geleistet hat. Denn die Anordnung oder Genehmigung muss sich stets auf konkrete und zeitlich abgrenzbare Mehrarbeitstatbestände beziehen.

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Vgl. hierzu: Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2016 – 2 C 23.15 -, juris, Rn. 14; OVG NRW, Beschluss vom 4. März 2013 – 3 A 2225/09 -, juris, Rn. 64

Letztlich bedarf die Frage, ob und in welchem Umfang der verstorbene Ehemann der Klägerin abgeltungsfähige Mehrarbeit erbracht hat, jedoch keiner abschließenden Klärung.

b) Denn der von der Klägerin begehrte finanzielle Ausgleich für die von ihr geltend gemachten Überstunden ihres verstorbenen Ehemanns ist vorliegend – ungeachtet einer hinreichenden (schriftlichen) Anordnung oder Genehmigung dieser Überstunden als Mehrarbeit – jedenfalls deshalb ausgeschlossen, weil es an zwingenden dienstlichen Gründen fehlt, die es ihm unmöglich gemacht haben, den primär in Anspruch zu nehmende Freizeitausgleich in den Jahren 2007 bis 2009 bzw. in der Folgezeit zu realisieren.

Derartige zwingende Gründe liegen nur dann vor, wenn die an sich gebotene Freistellung des Beamten zu einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung oder Gefährdung des Dienstbetriebes führen würde. Der Gesetzgeber will hiermit sicherstellen, dass die Erfüllung aktuell anstehender, unaufschiebbarer dienstlicher Aufgaben nicht unter der nach der Grundsatzentscheidung des § 88 Satz 2 BBG bzw. § 72 Abs. 2 Satz 2 BBG a.F. an sich vorrangig gebotenen Dienstbefreiung leidet.

Diese Gründe müssen mithin in der Sphäre des Dienstherrn zum Zwecke der Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs, wie dies z. B. bei dauernden Polizeieinsätzen infolge von Unruhen und Katastrophen der Fall ist, verankert sein. Sind die Gründe demgegenüber der Sphäre des Beamten zuzuordnen, wie beispielsweise bei Urlaub, Erkrankung oder Eintritt in den Ruhestand, fehlt es an dem erforderlichen dienstlichen Bezug.

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Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1985 – 2 B 45.85 -, juris, Rn. 3; OVG NRW, Beschluss vom 4. März 2013 – 3 A 2225/09 -, juris, Rn. 76; Bay. VGH, Beschluss vom 6. November 2011 – 3 ZB 03.3190 -, juris, Rn. 5; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, BBG, Bd. 1, § 88 Rn. 37; Kathke, in: Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Bd. I, § 48 Rn. 26.

Ausgehend hiervon ist nicht erkennbar, dass über den Gesamtzeitraum der Jahre 2007 bis 2009 bzw. des sich hieran anschließenden Zeitraums bis zum Eintritt des verstorbenen Ehemanns in den Ruhestand mit Ablauf des 31. Mai 2011 der gegebenenfalls zu seinen Gunsten gebotene Freizeitausgleich (§ 88 Satz 2 BBG bzw. § 72 Abs. 2 Satz 2 BBG a.F.) aus Gründen, die in der Sphäre der Beklagten lagen, nicht ohne relevante Störung des Dienstbetriebs möglich war.

Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats bereits aus der Übersicht “Nachweisführung Überzeitarbeit”. Danach ist dem verstorbenen Ehemann der Klägerin in den Jahren 2007 bis 2009 fortlaufend Dienstausgleich gewährt worden, und zwar für die Jahre 2007 und 2008 in einem solchen Umfang, dass etwaige in diesen Jahren Jahre geleistete Mehrarbeit ausgeglichen worden ist. Die fortlaufende Gewährung von Dienstausgleich steht der Annahme entgegen, ein Freizeitausgleich sei aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich gewesen.

Diese Einschätzung wird gestützt durch die wiederholte Bewilligung von Erholungsurlaub im fraglichen Zeitraum. Beispielhaft sei hier auf den dem verstorbenen Ehemann im September/Oktober 2009 bewilligten mehrwöchigen Erholungsurlaub verwiesen. Unabweisbare dienstliche Bedürfnisse, die die dienstliche Anwesenheit des verstorbenen Ehemanns der Klägerin erfordert hätten, bestanden somit jedenfalls während dieser Zeiten nicht, da der Urlaub ansonsten nicht hätte bewilligt werden dürfen (vgl. § 2 Abs. 1 EUrlV).

In dieses Bild fügt sich ein, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin in seinem Schreiben vom 18. Juli 2012 an deren Prozessbevollmächtigten in pauschaler Form zwar auch “ständige Einsätze in allen Bereichen” thematisiert, den unterbliebenen Freizeitausgleich aber letztlich nur in den Zusammenhang seiner Erkrankung und damit zusammenhängender Fehlzeiten gestellt hat (“… Mehrarbeitsstunden … konnten aufgrund meiner Erkrankung nicht abgeleistet werden”).

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Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch die informatorische Befragung des ehemaligen Dienstvorgesetzten des verstorbenen Ehemanns der Klägerin, Polizeidirektor X.          , in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat keinerlei Anhaltspunkte ergeben hat, die Anlass zu der Annahme geben könnten, der Freizeitausgleich habe aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht beansprucht werden können. Nach dessen Einschätzung ist die Inanspruchnahme von Dienstausgleich für derartige Mehrarbeit auch für den verstorbenen Ehemann der Klägerin vielmehr stets zeitnah und im erforderlichen Umfang möglich gewesen.

Seine Einschätzung ist insbesondere vor dem Hintergrund seiner weiteren Ausführungen in der mündlichen Verhandlung plausibel: Danach habe der verstorbene Ehemann der Klägerin in dem von diesem geleiteten Geschäftszimmer grundsätzlich stets durch die dort ebenfalls tätigen fünf Tarifbeschäftigten vertreten werden können; die Beamten des Polizeiaus- und – fortbildungszentrums T.         seien als “stehende” Einheit allenfalls ausnahmsweise für laufende (Groß-)Ein-sätze herangezogen worden; etwaige einsatzbezogene Hinderungsgründe für eine Abwesenheit der Beamten vom Dienst hätten lediglich die – wenige Tage umfassenden – Einsatzzeiträume selbst betroffen.

Dem verstorbenen Ehemann der Klägerin hätte es jedenfalls offen gestanden, den in Rede stehenden Freizeitausgleich vor seiner am 19. Oktober 2009 beginnenden und bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand mit Ablauf des 31. Mai 2011 andauernden Erkrankung anstelle eines Teils des ihm in der Zeit vom 7. September 2009 bis zum 9. Oktober 2009 bewilligten Erholungsurlaubs zu realisieren. Denn die geltend gemachten Überstunden waren sämtlich vor Beginn dieses Urlaubs angefallen und überstiegen den Urlaubsumfang in ihrer Summe – selbst bei der von der Klägerin angenommenen Anzahl von 56,5 Stunden – nicht. Dass der verstorbene Ehemann der Klägerin nicht so verfahren ist, sondern stattdessen (ausschließlich) Erholungsurlaub in Anspruch genommen hat, fällt – wie bereits dargelegt – nicht in den Verantwortungsbereich der Beklagten und stellt dementsprechend keinen zwingenden dienstlichen Grund dar, der einem Freizeitausgleich entgegengestanden hätte.

Auch wenn es nach alledem nicht mehr entscheidungstragend darauf ankommt, merkt der Senat ergänzend an, dass Gleiches auch für die gesundheitlichen Fehlzeiten des verstorbenen Ehemanns der Klägerin in den Jahren 2008, 2009 und ab 2010 gilt, die dieser selbst – ausweislich seines Schreibens an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 18. Juli 2012 – als den eigentlichen Grund für die Unmöglichkeit eines Freizeitausgleichs angesehen hat. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zu Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG vom 4. November 2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG).

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Urteil vom 20. Januar 2009 – C-350/06 u.a. -, NJW 2009, 495 = juris.

Denn diese Rechtsprechung verhält sich nur zu der hier nicht inmitten stehenden Frage einer Abgeltung krankheitsbedingt vor Eintritt in den Ruhestand nicht in Anspruch genommenen (unionsrechtlichen) Mindesturlaubs. Sie betrifft nicht (auch) die hiervon in rechtlicher Hinsicht zu trennende Frage einer etwaigen Vergütung krankheitsbedingt vor Eintritt in den Ruhestand nicht realisierbaren Freizeitausgleichs für Mehrarbeit (siehe auch nachfolgend unter 7.).

Vgl. in diesem Zusammenhang auch: OVG Saarl., Beschluss vom 27. Mai 2014 – 1 A 433/13 -, NVwZ 2014, 1175 = juris, Rn. 15 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 4. März 2013 – 3 A 2225/09 -, juris, Rn. 104.

Soweit die Klägerin darüber hinaus einem Freizeitausgleich entgegenstehende zwingende dienstliche Gründe daraus herzuleiten sucht, dass ihr verstorbener Ehemann zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs aufgrund der von ihm wahrzunehmenden Aufgaben und seiner daraus folgenden Schlüsselfunktion sowie mit Blick auf die angesichts der Vielzahl von in den Jahren 2007 bis 2010 polizeilich zu begleitenden Castor-Transporten und der auch seinerzeit schon bestehenden Terrorgefahr allgemein angespannten Sicherheitslage unabkömmlich gewesen sei, ist dem nicht zu folgen.

Diese Annahme ist bereits durch die vorstehenden Ausführungen widerlegt. Sie entspricht gerade mit Blick auf die behauptete fortwährend angespannte allgemeine Sicherheitslage infolge einer Vielzahl von durchgeführten Castor-Transport auch deshalb offenkundig nicht den Tatsachen, weil derartige Transporte in dem benannten Zeitraum lediglich im November 2008 sowie im November bzw. Dezember 2010 durchgeführt worden sind.

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Gegen eine Unabkömmlichkeit des verstorbenen Ehemanns der Klägerin im fraglichen Zeitraum spricht überdies, dass nichts dafür erkennbar ist, dass der Dienstbetrieb trotz seiner zum Teil erheblichen urlaubs- und krankheitsbedingten Fehlzeiten in relevantem Ausmaß beeinträchtigt worden wäre. Hiervon wusste im Übrigen auch der informatorisch befragte ehemalige Dienstvorgesetzte des Klägers in der mündlichen Verhandlung nichts zu berichten.

Schließlich bietet auch die vorgelegte Bescheinigung des Bundespolizeiaus- und -fortbildungszentrums T.         vom 31. Januar 2011 über die von dem verstorbenen Ehemann der Klägerin bis zum diesem Zeitpunkt geleisteten Überstunden keinen Anhalt für das Vorliegen zwingender dienstlicher Gründe im oben genannten Sinne. Darin wird lediglich ausgeführt, dass die bescheinigten 56,5 Überstunden aus dienstlichen Gründen noch nicht abgegolten worden seien.

Das Vorliegen zwingender dienstlicher Gründe wird also gerade nicht bescheinigt. Überdies werden die angesprochenen dienstlichen Gründe in keiner Weise spezifiziert, so dass die Bescheinigung auch vor diesem Hintergrund nicht geeignet ist, die obige Einschätzung zum Fehlen zwingender dienstlicher Gründe zu entkräften.

Nach alledem bestand für den Senat keine Veranlassung, der von der Klägerin angeregten Beweiserhebung zu der aus zwingenden dienstlichen Gründen gegebenen Unabkömmlichkeit ihres verstorbenen Ehemanns nachzugehen. Die dieser Beweisanregung zugrunde liegende Annahme ist offenkundig unzutreffend und damit letztlich auf eine bloße Ausforschung gerichtet.

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2. Ein Anspruch der Klägerin auf einen finanziellen Ausgleich für die von ihr geltend gemachten Überstunden ihres verstorbenen Ehemanns ergibt sich auch nicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Dieser Rechtsgrundsatz gilt auch im öffentlichen Recht, vor dem Hintergrund der Treuepflicht des Beamten und der Fürsorgepflicht des Dienstherrn insbesondere im Beamtenrecht, so dass der Dienstherr danach verpflichtet sein kann, eine rechtswidrige Mehrbeanspruchung eines Beamten nachträglich finanziell auszugleichen. Der Billigkeitsanspruch kommt aber nur für rechtswidrige Zuvielarbeit in Betracht, die ab dem auf die erstmalige Geltendmachung (dass rechtswidrig zu viel Arbeit verlangt werde) folgenden Monat geleistet wurde.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 – 2 C 29.11 -, BVerwGE 143, 381 = juris, Rn. 26; OVG NRW, Beschluss vom 4. März 2013 – 3 A 2225/09 -, juris, Rn. 89; siehe auch BVerwG, Urteil vom 17. November 2016 – 2 C 23.15 -, juris, Rn. 25, und Urteil des Senats vom 24. August 2015 – 1 A 421/14 -, juris, Rn. 66 (jeweils zu einem auf § 242 BGB gestützten Anspruch auf Freizeitausgleich).

Ausgehend hiervon sind die Voraussetzungen für einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich nach Treu und Glauben vorliegend schon deshalb nicht erfüllt, weil der verstorbene Ehemann der Klägerin eine über seine reguläre Arbeitszeit hinausgehende Arbeitsleistung erst im Rahmen seines Antrags auf Gewährung von Mehrarbeitsvergütung im März 2011 gegenüber der Beklagten geltend gemacht, aber danach bis zum Eintritt in seinen Ruhestand mit Ablauf des 31. Mai 2011 keinen Dienst mehr verrichtet hat.

OVG NRW 1 A 2064/14

3. Der geltend gemachte Anspruch auf Gewährung eines finanziellen Ausgleichs für die von ihrem verstorbenen Ehemann geleisteten Überstunden lässt sich auch nicht auf die Fürsorgepflicht der Beklagten als Dienstherrn (vgl. § 78 BBG bzw. § 79 BBG a.F.) stützen. Der Dienstherr hat im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl des Beamten und seiner Familie zu sorgen. Er hat den Beamten im Hinblick auf dessen amtliche Tätigkeit und in Bezug auf seine Stellung und seinen Status als Beamter zu schützen.

Ein unmittelbarer Anspruch aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn kommt jedoch nur in Betracht, wenn die Besonderheiten des Einzelfalles es ausnahmsweise gerechtfertigt erscheinen lassen und eine Nichtgewährung der begehrten Maßnahme ansonsten der Fürsorgepflicht grob widersprechen würde bzw. mit anderen Worten, wenn die Fürsorgepflicht ansonsten in ihrem Wesenskern verletzt wäre. Den Wesenskern der Fürsorgepflicht können dabei nur andauernde unzumutbare Belastungen des Beamten verletzen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003 – 2 C 28.02 -, ZBR 2003, 383 = juris, Rn. 16; OVG NRW, Beschluss vom 4. März 2013 – 3 A 2225/09 -, juris, Rn. 92, und Urteil des Senats vom 7. Mai 2009 – 1 A 2655/07 -, juris, Rn. 163.

Entsprechendes lässt sich hier nicht feststellen. Die von der Klägerin geltend gemachten Überstunden bieten schon nach ihrem Umfang von 56,5 Stunden – tatsächlich angefallen sein dürften bei ordnungsgemäßer Berechnung auf der Grundlage der Übersicht “Nachweisführung Überzeitarbeit” sogar lediglich 36,45 Stunden – keinen Anhaltspunkt dafür, dass hiermit für ihren verstorbenen Ehemann eine unzumutbare Belastung im vorgenannten Sinne einhergegangen ist. Gegenteiliges hat im Übrigen auch die Klägerin nicht vorgetragen.

OVG NRW 1 A 2064/14

4. Auf einen Folgenbeseitigungsanspruch lässt sich der geltend gemachte Anspruch auf Gewährung eines finanziellen Ausgleichs ebenfalls nicht stützen. Denn über einen Folgenbeseitigungsanspruch kann allein die Wiederherstellung des durch einen rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff veränderten rechtmäßigen Zustand (status quo ante) verlangt werden und nicht die vorliegend in Rede stehende Gewährung eines finanziellen Ausgleichs für eine rechtswidrige, irreversible Beeinträchtigung in Form einer rechtswidrigen Zuvielarbeit.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Mai 2003 – 2 C 35.02 -, ZBR 2003, 385 = juris, Rn. 16; OVG NRW, Beschluss vom 4. März 2013 – 3 A 2225/09 -, juris, Rn. 95 m. w. Nachw.

5. Ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch auf Erstattung der durch die Überstunden des Klägers ersparten Besoldung besteht ebenfalls nicht. Anknüpfungspunkt des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs ist eine Leistung ohne rechtlichen Grund. Denn ungeachtet der Frage, ob einem Rückgriff auf dieses Rechtsinstitut bereits die im Besoldungsbereich bestehende strikte Gesetzesbindung (§ 2 Abs. 1 BBesG) entgegensteht,

vgl. Hamb. OVG, Urteil vom 9. Februar 2011 – 1 Bf 90/08 -, ZBR 2012, 130 = juris, Rn. 81,

liegen die Voraussetzungen, unter denen ein entsprechender Anspruch angenommen werden könnte, jedenfalls deshalb nicht vor, weil der verstorbene Ehemann der Klägerin durch seine zusätzliche Arbeitsleistung gegenüber der Beklagten keine diese bereichernde Arbeitsleistung ohne Rechtsgrund erbracht hat. Maßgeblich hierfür sind folgende Erwägungen:

Ein Beamter erhält, solange er nicht unentschuldigt dem Dienst fernbleibt, aufgrund des verfassungsrechtlich in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten Alimentationsprinzips seine Besoldung unabhängig von seiner Arbeitsleistung. Im Gegensatz zu einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis steht die Besoldung also nicht in einem Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung, so dass die zusätzliche Arbeitsleistung des verstorbenen Ehemanns der Klägerin keine rechtsgrundlos erfolgte Bereicherung des Dienstherrn darstellt.

Vgl. OVG NRW; Beschluss vom 4. März 2013 – 3 A 2225/09 -, juris, Rn. 100.

6. Der von der Klägerin geltend gemachte Ausgleichsanspruch lässt sich auch nicht auf der Grundlage des Entwurfs der Richtlinie über den Ausgleich von Überzeit- und Mehrarbeit vom 29. Januar 1991 i. V. m. Ziffer 2. des Erlasses des Bundesministers des Inneren selben Tag i. V. m. mit den Grundsätzen über die Selbstbindung der Verwaltung und Art. 3 Abs. 1 GG begründen.

OVG NRW 1 A 2064/14

Denn ungeachtet der Frage, ob der Richtlinienentwurf, der nach dem vorgenannten Erlass bis zum endgültigen Erlass der Richtlinie sofort anzuwenden war, zum Zeitpunkt der Erbringung der hier in Rede stehenden Überstunden noch galt und auf der Grundlage dieser verwaltungsinternen Vorgaben auch in den Jahren 2007 bis 2009 tatsächlich Mehrarbeitsvergütungen gezahlt worden sind (Ziffer 8. des Richtlinienentwurfs), könnte eine Abgeltung von Mehrarbeit auf dieser Grundlage in rechtlich zulässiger Weise allenfalls im Rahmen der insoweit bestehenden gesetzlichen Vorgaben des § 88 BBG bzw. § 72 Abs. 2 BBG a.F. erfolgen. Diese sind hier jedoch – wie dargelegt – nicht erfüllt.

7. Die Klägerin kann ihr Begehren auch nicht mit Erfolg auf einen etwaigen europarechtlich vorgegebenen Ausgleichsanspruch stützen.

a) Soweit sie sich in diesem Zusammenhang auf Art. 7 RL 2003/88/EG beruft, überzeugt dies nicht. Zwar ist der Anwendungsbereich der Richtlinie 2003/88/EG grundsätzlich auch bezogen auf Beamtenverhältnisse eröffnet, da auch Beamte Arbeitnehmer im Sinne der Richtlinie sind.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 2 C 10.12 -, IÖD 2013, 78 = juris, Rn. 11, m. w. Nachw.

Allerdings lässt sich Art. 7 RL 2003/88/EG, der ausschließlich Vorgaben im Zusammenhang mit dem bezahlten und ggf. abzugeltenden (unionsrechtlichen) Mindesturlaub enthält, von vornherein keine Aussage zu einem finanziellen Ausgleich bei einer Überschreitung der (unionsrechtlichen) Regelarbeitszeit entnehmen, auf die die Klägerin sich im vorliegenden Zusammenhang ausnahmsweise (unmittelbar) berufen könnte.

OVG NRW 1 A 2064/14

b) Vergleichbares gilt für Art. 6 lit. b) RL 2003/88/EG, wonach die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit nach Maßgabe der Erfordernisse der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich Überstunden nicht überschreitet. Diese Bestimmung befasst sich zwar thematisch mit der Frage der Arbeitszeit. Indes enthält auch sie keine inhaltlich unbedingten und hinreichend bestimmten Vorgaben zur Vergütung bzw. Abgeltung von über die (unionsrechtliche) Regelarbeitszeit geleisteten Arbeitszeiten.

Vgl. Urteile des Senats vom 24. August 2015 – 1 A 421/14 -, juris, Rn. 103, und vom 7. Mai 2009 – 1 A 2652/07 -, ZBR 2009, 352 = juris, Rn. 135; siehe zur fehlenden Zuständigkeit der Unionsorgane zum Erlass derartiger Regelungen: OVG NRW, Beschluss vom 4. März 2013 – 3 A 2225/09 -, juris, Rn. 104, m. w. Nachw.,

Eben dies ist aber – neben der nicht fristgerechten oder unzulänglichen Umsetzung der Richtlinie durch den Mitgliedstaat – Grundvoraussetzung dafür, dass die Klägerin einen entsprechenden Anspruch unmittelbar auf die vorgenannte Richtlinienbestimmung stützen könnte.

Vgl. zur unmittelbaren Anwendbarkeit von Richtlinienbestimmungen allgemein: EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 – C-397/01 u.a. -, EuZW 2004, 691 = juris, Rn. 103, und BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 2 C 10.12 -, IÖD 2013, 78 = juris, Rn. 31, jeweils m. w. Nachw.

8. Die Klägerin kann ihr Begehren auch nicht mit Erfolg den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch wegen einer unionsrechtswidrig geleisteten Zuvielarbeit stützen. Ein solcher Anspruch ist – ungeachtet des Vorliegens der sonstigen tatbestandlichen Voraussetzungen -,

vgl. allgemein hierzu: EuGH, Urteil vom 25. November 2010 – C-429/09 – , juris, Rn. 47,

vorliegend jedenfalls deshalb ausgeschlossen, weil hierüber nur eine etwaige unionsrechtswidrige Zuvielarbeit auszugleichen ist, die der Betroffene im Anschluss an die erstmalige Geltendmachung dieses Umstandes leistet.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. März 2017 – 2 B 53.16 -, juris, Rn. 9, sowie Urteile vom 17. November 2016 – 2 C 23.15 -, juris, Rn. 26, und vom 17. September 2015 – 2 C 26.14 -, ZBR 2016, 199 = juris, Rn. 25 ff., Letzteres unter ausdrücklicher Aufgabe der hinsichtlich des Grundsatzes der zeitnahen Geltendmachung gegenteiligen Auffassung in dem von der Klägerin u. a. zitierten Urteil vom 26. Juli 2012 – 2 C 30.11 -, juris, Rn. 24.

OVG NRW 1 A 2064/14

Die vorliegend in Rede stehenden Überstunden hat der verstorbene Ehemann der Klägerin jedoch insgesamt vor seinem ersten Vergütungsverlangen abgeleistet.

9. Für einen entsprechenden Schadensersatzanspruch auf der Grundlage eines (nationalen) beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruchs fehlt es schließlich jedenfalls an einem zu ersetzenden (materiellen) Schaden. Zusätzlicher Dienst eines Beamten ist nämlich kein Schaden im Sinne des auch insoweit maßgeblichen allgemeinen Schadensersatzrechts (§§ 249 ff. BGB).

Danach ist – soweit Vorschriften, die Gegenteiliges anordnen, fehlen – Geldersatz nur bei einem Vermögensschaden und nicht bei einem immateriellen Schaden zu leisten. Der hier in Rede stehende Aufwand von Zeit und Arbeitskraft zur Leistung des zusätzlichen Dienstes und der damit verbundene Verlust von Freizeit stellen einen derartigen immateriellen Schaden dar, der mangels gesetzlicher Regelung nicht ersatzfähig ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 – 2 C 26.14 -, ZBR 2016, 199 = juris, Rn. 20, und Urteil des Senats vom 24. August 2015 – 1 A 421/14 -, juris, Rn. 105.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 1 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO, § 127 BRRG nicht gegeben sind.

OVG NRW 1 A 2064/14

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