Offenkundigkeit Rechtsnachfolge bei Bekanntmachung im Staatsanzeiger – BGH VII ZB 57/21

Juli 18, 2024


Zur Frage der Offenkundigkeit einer Rechtsnachfolge bei deren Bekanntmachung im Staatsanzeiger für Baden Württemberg – BGH Beschluss vom 31.01.2024 – VII ZB 57/21

Von RA und Notar Krau

Der Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 31. Januar 2024 befasst sich mit der Frage der Offenkundigkeit einer Rechtsnachfolge

durch deren Bekanntmachung im Staatsanzeiger für Baden-Württemberg.

Im Kern geht es darum, ob eine Sparkasse als Rechtsnachfolgerin die Vollstreckung einer notariellen Urkunde beantragen kann,

wenn diese Rechtsnachfolge nicht durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen wird, sondern durch eine Veröffentlichung im Staatsanzeiger für Baden-Württemberg.

Tenor der Entscheidung


Die Rechtsmittel der Antragstellerin, der Sparkasse H., wurden angenommen, und die vorinstanzlichen Entscheidungen des Landgerichts Darmstadt und des Amtsgerichts Lampertheim wurden aufgehoben.

Die Sache wurde zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Lampertheim zurückverwiesen, das angewiesen wurde,

die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung der notariellen Urkunde unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu prüfen.

Sachverhalt


Die Sparkasse H. begehrte die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung einer notariellen Urkunde vom 29. Dezember 1988, in der I. Z.

und ihr Ehemann eine Buchgrundschuld über 180.000 DM zu Gunsten der Bezirkssparkasse S. (Titelgläubigerin) erteilt hatten und sich der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hatten.

Die Antragstellerin, die Sparkasse H., beantragte die Umschreibung des Titels auf sich als Rechtsnachfolgerin der Titelgläubigerin und gegen den Antragsgegner als Rechtsnachfolger der Titelschuldnerin.

Die Antragstellerin legte eine von ihr selbst beglaubigte Veröffentlichung im Staatsanzeiger für Baden-Württemberg vor,

die die Vereinigung der Bezirkssparkasse S. mit der Sparkasse H. zum 1. Januar 1999 dokumentierte.

Offenkundigkeit Rechtsnachfolge bei Bekanntmachung im Staatsanzeiger – BGH VII ZB 57/21

Darüber hinaus wurden beglaubigte Kopien der Genehmigung der Rechtsaufsichtsbehörde und Handelsregisterauszüge vorgelegt.

Rechtliche Beurteilung


Die Vorinstanzen lehnten den Antrag der Sparkasse H. ab, da die Offenkundigkeit der Rechtsnachfolge nicht ausreichend nachgewiesen sei.

Insbesondere seien die von der Sparkasse H. selbst beglaubigten Dokumente keine öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunden im Sinne von § 727 ZPO.

Zudem wurde argumentiert, dass der Inhalt des Staatsanzeigers von Baden-Württemberg nicht allgemein zugänglich sei, da ein Zugriff nur über ein kostenpflichtiges Abonnement möglich sei.

Entscheidung des BGH


Der BGH hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und stellte fest, dass die Offenkundigkeit der Rechtsnachfolge nicht aufgrund der fehlenden Internetverfügbarkeit des Staatsanzeigers verneint werden könne.

Der BGH betonte, dass für die Offenkundigkeit einer Tatsache deren allgemeine Zugänglichkeit entscheidend sei.

Es reiche aus, dass die Informationen aus allgemein zugänglichen und zuverlässigen Quellen, wie z.B. öffentlichen Bibliotheken, ohne besondere Fachkunde beschafft werden könnten.

Begründung


Offenkundigkeit:

Der BGH stellte klar, dass die Offenkundigkeit nach § 727 Abs. 1 und 2 ZPO dem Begriff der Offenkundigkeit nach § 291 ZPO entspricht.

Offenkundigkeit Rechtsnachfolge bei Bekanntmachung im Staatsanzeiger – BGH VII ZB 57/21

Eine Tatsache ist offenkundig, wenn sie allgemein bekannt oder ohne besondere Fachkunde aus allgemein zugänglichen und zuverlässigen Quellen ermittelbar ist.

Allgemeine Zugänglichkeit:

Der BGH kritisierte die Auffassung des Beschwerdegerichts, dass die fehlende Internetverfügbarkeit des Staatsanzeigers die Allgemeinkundigkeit ausschließe.

Gedruckte Publikationen wie der Staatsanzeiger könnten als allgemein zugänglich angesehen werden, wenn sie in öffentlichen Bibliotheken oder durch andere allgemein verfügbare Mittel einsehbar sind.

Veranlasser der Veröffentlichung:

Der BGH stellte fest, dass es nicht erforderlich sei, den Veranlasser der Veröffentlichung im Staatsanzeiger zu benennen, um die Offenkundigkeit der Rechtsnachfolge zu begründen.

Es reiche aus, dass der Staatsanzeiger als zuverlässige Quelle allgemein anerkannt sei.

Ausblick


Das Amtsgericht Lampertheim muss nun die Offenkundigkeit der Rechtsnachfolge auf Basis der Veröffentlichung im Staatsanzeiger prüfen

und die vollstreckbare Ausfertigung entsprechend erteilen, wenn die Rechtsnachfolge als offenkundig angesehen wird.

Dabei ist zu beachten, dass die Bekanntgabe im Staatsanzeiger für Baden-Württemberg die Rechtsnachfolge auf Gläubigerseite begründen kann,

sofern die maßgeblichen Tatsachen ohne unverhältnismäßigen Aufwand ermittelbar sind.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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