OLG Braunschweig 1 UF 139/16

Juli 16, 2017

OLG Braunschweig 1 UF 139/16

Erwachsenenadoption

Zum Entstehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses mit langjähriger Hausangestellter

OLG Braunschweig, 1 UF 139/16

Verfahrensgang
vorgehend AG Braunschweig, 25. Juli 2016, Az: 250 F 320/14

Tenor

Auf die Beschwerde der Anzunehmenden wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Braunschweig vom 25.07.2016 abgeändert.

Die Anzunehmende I. I. B. geb. G., geboren am …, wohnhaft …, wird von dem Annehmenden Prof. Dr.-Ing. U. B., geboren am …, verstorben am …, zuletzt wohnhaft …, als Kind angenommen.

Die Anzunehmende führt zukünftig den Namen B. als Geburtsnamen.

Für die Kosten der ersten Instanz bleibt es bei der Kostenentscheidung aus dem Beschluss vom 25.07.2016.

Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Wert für das Verfahren erster und zweiter Instanz wird auf 250.000,00 € festgesetzt

Gründe

I.

Der am … geborene und am … verstorbene Annehmende und die am … geborene Anzunehmende, beide deutsche Staatsangehörige, haben mit notarieller Urkunde vom 12.11.2014 (UR Nr. … des Notars A E in B.) die Annahme als Kind beantragt.

Die Anzunehmende ist seit dem 01.09.2009 geschieden. Ihre Söhne A., geboren am…, und R., geboren am …, haben der Adoption zugestimmt.

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Der Annehmende war kinderlos und mit der am … vorverstorbenen Frau M-E B. B.-P. verheiratet. Er ist durch die Stiftung … F., beerbt worden.

Diese ist in einem gemeinschaftlichen handschriftlichen Testament der Eheleute vom 29.01.2006 sowie in den weiteren Testamenten des Annehmenden vom 26.08.2013 (UR Nr. … des Notars Dr. W H in B) und vom 30.09.2014 (UR Nr. … des Notars A E in B.) als Erbin eingesetzt worden; ihr wurde ein Erbschein erteilt.

Die Anzunehmende war seit dem Jahr 1996 bei dem Annehmenden und seiner Ehefrau stundenweise im Haushalt beschäftigt. In dem gemeinschaftlichen Testament der Eheleute sowie den weiteren Testamenten des Annehmenden ist sie mit Vermächtnissen bedacht worden.

Der Annehmende hat die Anzunehmende ferner in den Vorsorgevollmachten vom 23.04.2014 und vom 26.11.2014 (UR Nr. … des Notars A E in B) als Bevollmächtigte eingesetzt.

Im Adoptionsantrag vom 12.11.2014 haben der Annehmende und die Anzunehmende vorgetragen, seit der ersten Begegnung im Jahre 1996 habe eine große wechselseitige Sympathie bestanden.

In den Folgejahren habe das Verhältnis mehr als freundschaftliche Züge angenommen, es habe sich intensiviert und verfestigt und die Kinder A. und R. einbezogen.

Die Anzunehmende habe die Eheleute nach Erkrankungen in den Jahren 2000 und 2003 in jeder Hinsicht unterstützt und Besorgungen für sie erledigt.

In der Phase der Trennung der Anzunehmenden von ihrem Ehemann in den Jahren 2004 bis 2007 sei die Anzunehmende im Hause ein- und ausgegangen und ihrerseits durch die Eheleute B. unterstützt worden.

Seit dem Tod der Ehefrau habe sich das Verhältnis zwischen den Beteiligten weiter verfestigt, seitdem seien die Anzunehmende mit dem Annehmenden per Du.

Es bestehe die Bereitschaft zur gegenseitigen Unterstützung, auch zu den Kindern der Anzunehmenden bestehe ein inniges Verhältnis.

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Mit dem angefochtenen Beschluss vom 25.07.2016 hat das Amtsgericht nach Anhörung der Anzunehmenden und Vernehmung von Zeugen den Adoptionsantrag zurückgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei nicht hinreichend sicher festzustellen, dass zwischen dem Annehmenden und der Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden sei.

Es sei nicht auszuschließen, dass die gewünschte finanzielle Absicherung der Anzunehmenden im Vordergrund gestanden habe.

Wegen der Begründung im einzelnen und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Gegen den ihr am 28.07.2016 zu Händen ihres Verfahrensbevollmächtigten zugestellten Beschluss hat die Anzunehmende mit Schriftsatz vom 10.08.2016, beim Amtsgericht eingegangen am 11.08.2016, ein als sofortige Beschwerde bezeichnetes Rechtsmittel eingelegt.

Zur Begründung ist ausgeführt, das Amtsgericht habe den unbestimmten Rechtsbegriff „sittlich gerechtfertigt“ fehlerhaft verneint, indem es nicht alle Umstände des Falles berücksichtigt, nicht alle angebotenen und offenkundigen Zeugen gehört und verbleibende Zweifel auf Mutmaßungen gestützt habe.

Eine vollständige Sachaufklärung und zutreffende Würdigung der erhobenen Beweise hätte zwingend zu dem Ergebnis führen müssen, dass zwischen dem Annehmenden und der Anzunehmenden eine dauerhafte, vom Willen zu gegenseitigem unbedingtem Beistand getragene Verbundenheit, ähnlich der Beziehung zu einem erwachsenen leiblichen Kind, bestehe.

Die Stiftung … hat im Beschwerdeverfahren beantragt, die Beschwerde der Anzunehmenden zurückzuweisen. Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

II.

Die Beschwerde der Anzunehmenden ist nach §§ 58 ff. FamFG zulässig. Die Anzunehmende ist gemäß § 59 Abs. 2 FamFG beschwerdeberechtigt, da ihr Adoptionsantrag zurückgewiesen wurde (vgl. BayObLG FamRZ 2002, 1653, Rn. 5).

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Klarstellend wird darauf verwiesen, dass die Stiftung … als Erbin des Annehmenden nicht Beteiligte des Adoptionsverfahrens ist.

Auch vor dem Hintergrund, dass die Adoption gemäß § 1767 Abs. 2 Satz 1 BGB i. V. mit § 1753 Abs. 2 BGB noch nach dem Tod des Annehmenden erfolgen kann, sind jedoch die Rechte zur Einlegung eines Rechtsmittels, zur Rücknahme des Adoptionsantrages und das Recht, gemäß § 1760 BGB die Aufhebung der Adoption zu beantragen,

als höchstpersönliche Rechte unvererblich (Staudinger/Kunz, BGB, Bearbeitung 2017, § 1922, Rn. 343; LG Kassel FamRZ 2006, 727).

Hieraus folgt, dass die Erbin des verstorbenen Annehmenden nicht Verfahrensbeteiligte und somit auch nicht Beteiligte des Beschwerdeverfahrens ist.

Die Beschwerde der Anzunehmenden ist auch in der Sache begründet.

Zunächst ist festzustellen, dass – entgegen vereinzelten Äußerungen im Rahmen der Zeugenaussagen – keine Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Annehmenden bei der Antragstellung bestehen.

Bei einer volljährigen Person besteht die Vermutung der Geschäftsfähigkeit, solange nicht das Fehlen der Geschäftsfähigkeit positiv festgestellt ist (Palandt-Ellenberger, BGB, 76. Aufl., § 104 Rn. 8 m.w.N.).

Da der aufnehmende Notar weder bei der Aufnahme des Adoptionsantrages am 12.11.2014 noch bei der Beurkundung einer weiteren Vorsorgevollmacht am 26.11.2014 Hinderungsgründe für eine Beurkundung gesehen hat, bestehen keine Anhaltspunkte für eine Einschränkung der Geschäftsfähigkeit.

Die formellen Voraussetzungen für die Annahme als Kind gemäß §§ 1767, 1770 BGB sind gegeben. Ein Antrag des Annehmenden und der Anzunehmenden liegt vor, § 1778 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Der Antrag entspricht den Erfordernissen des § 1752 Abs. 2 i. V. m. § 1767 Abs. 2 Satz 1 BGB, denn er ist notariell beurkundet und nicht unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung oder durch einen Vertreter gestellt worden.

Die materiellen Voraussetzungen einer Adoption der volljährigen Anzunehmenden liegen nach der Überzeugung des Senats ebenfalls vor.

Gemäß § 1767 Abs. 1 BGB kann ein Volljähriger als Kind angenommen werden, wenn die Annahme sittlich gerechtfertigt ist; dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entstanden ist.

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Von einem Eltern-Kind-Verhältnis kann ausgegangen werden, wenn die zwischen den Beteiligten entstandene Beziehung dem Verhältnis zwischen volljährigen Kindern und ihren leiblichen Eltern entspricht.

Dieses Verhältnis ist naturgemäß anders geartet als bei minderjährigen Kindern, deren Beziehung zu ihren Eltern vorwiegend durch Betreuung, Schutz und Erziehung des Kindes geprägt ist.

Für die Annahme einer Eltern-Kind-Beziehung sind Gemeinsamkeiten, familiäre Bindungen und innere Zuwendung erforderlich, wie sie zwischen Eltern und erwachsenen Kindern typischerweise vorliegen, insbesondere ein enger persönlicher Kontakt und die Bereitschaft zu dauerhaftem gegenseitigem Beistand, ggfs. in Verbindung mit wirtschaftlicher Hilfe

(BayObLG FamRZ 2002, 1651; 1997, 638;

OLG Hamm FamRZ 2013, 557; StAZ 2014, 362;

OLG Nürnberg FamRZ 2016, 315;

Palandt-Götz BGB, 76. Aufl., § 1767 Rn. 6).

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Es muss sich um ein solches Maß an innerer Verbundenheit zwischen den Beteiligten handeln, dass sich die Beziehung klar von einer guten Bekanntschaft oder engen Freundschaft abhebt und in die Nähe einer echten, gelebten Beziehung zwischen einem Elternteil und dessen erwachsenem Kind rückt;

Anhaltspunkte sind insoweit auch eine Integration in das familiäre Beziehungsgeflecht, ein gewachsenes, gegenseitiges Grundvertrauen, in dem sich die Beteiligten wechselseitig aussprechen oder in die Entscheidungsfindung in wichtigen Angelegenheiten in angemessener Weise einbeziehen (KG FamRZ 2014, 225 Rn. 7).

Eine Erwachsenenadoption kann auch dann sittlich gerechtfertigt sein, wenn ein Eltern-Kind-Verhältnis zwar noch nicht besteht, seine Entstehung für die Zukunft aber zu erwarten ist; dann muss eine so starke innere Verbundenheit vorhanden sein, dass eine dem Eltern-Kind-Verhältnis ähnliche Beziehung vorliegt,

die die Verfestigung zu einer rechtlichen Wahlverwandtschaft rechtfertigt (KG FamRZ 2014, 225; OLG Stuttgart FamRZ 2015, 592; Palandt-Götz, BGB, 76. Aufl., § 1767 Rn. 4).

Die bestehende oder zu erwartende Eltern-Kind-Beziehung muss der Hauptzweck der Adoption sein (BayObLG FamRZ 2005, 546; Palandt-Götz § 1767 Rn. 5).

Nicht ausreichend sind das Interesse, sich der bezahlten Pflegeleistungen auch in Zukunft sicher zu sein oder eine Steuerersparnis (OLG München FamRZ 2009, 1336; Palandt-Götz a. a. O., Rn. 7), die finanzielle Absicherung des Anzunehmenden (OLG München FamRZ 2010, 46), andere wirtschaftliche Interessen (OLG Zweibrücken FamRZ 2006, 572) oder lediglich freundschaftliche Beziehungen (BayObLG StAZ 1996, 171).

Nach den objektiven Umständen und der vom Amtsgericht durchgeführten Beweisaufnahme kann mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass zwischen dem Annehmenden und der Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden ist.

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Zwischen den Beteiligten bestand ein inniges, vertrauensvolles Verhältnis. Die Beteiligten haben bei der Aufnahme des Adoptionsantrages übereinstimmend erklärt, sie hätten sich von Anfang an gut verstanden, es habe eine große Sympathie bestanden, in den Folgejahren habe die Beziehung mehr als freundschaftliche Züge angenommen und sich weiter intensiviert und verfestigt.

Die Anzunehmende habe die Eheleute B. nach einem Herzinfarkt des Annehmenden im Jahr 2000 und einer Gefäßerkrankung der Ehefrau im Jahr 2003 in jeder Hinsicht unterstützt.

Sie habe ihrerseits Unterstützung durch die Eheleute B. in der Trennungsphase von ihrem Ehemann in den Jahren 2004 bis 2007 erfahren, in dieser Zeit sei sie im Haus ein und aus gegangen und habe ihre arbeitsfreie Zeit überwiegend bei ihnen verbracht.

Schon zu Lebzeiten der Ehefrau des Annehmenden habe sie im Haushalt geholfen, sauber gemacht, die Einkäufe besorgt, Essen zubereitet und die Post besorgt. Nach dem Tod der Ehefrau sei das Zusammengehörigkeitsgefühl gewachsen.

Die Anzunehmende habe den Annehmenden mindestens zweimal in der Woche, teils auch jeden zweiten Tag besucht, habe sämtliche Angelegenheiten besorgt, insbesondere sauber gemacht, eingekauft, Essen zubereitet, Wäsche gewaschen, die Inkontinenzhosen des Annehmenden gewechselt, die Post sowie Schrift- und Behördenverkehr erledigt und ihn bei Arzt- und Behördenbesuchen begleitet, dies auch neben einer Teilzeit- und später Vollzeittätigkeit der Anzunehmenden bei der … und neben dem Einsatz eines Pflegedienstes.

Es bestehe gegenseitiges volles Vertrauen, sie nähmen wechselseitig Anteil an Freud und Leid, das Verhältnis sei wie das eines Vaters zu seiner Tochter.

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Die Anzunehmende hat ferner ein enges, vertrauensvolles Verhältnis zu der Ehefrau des Annehmenden beschrieben, mit der sie persönliche Gespräche geführt und von der sie Geschenke, gelegentlich auch Schmuck erhalten habe und die ihre „faktische Mutter“ gewesen sei.

In ihren gerichtlichen Anhörungen vom 27.03.2015, 15.04.2016 und 08.07.2016 hat sie weitere Einzelheiten geschildert, mitgeteilt, dass ihre Arbeit vergütet wurde, und Angaben zu den weiteren Verwandten des Annehmenden sowie zu Gesprächen über die Testamente und schließlich über die Adoption gemacht.

Hieraus ergibt sich ein enges Verhältnis zwischen den Beteiligten, das über ein angenehmes Arbeitsverhältnis oder eine Freundschaft hinausging.

Zunächst gehen die von der Anzunehmenden für den Annehmenden erbrachten Hilfestellungen weit über das ursprüngliche Anstellungsverhältnis als Hausangestellte hinaus und beinhalten höchstpersönliche Unterstützungsleistungen wie die Erledigung des Schriftverkehrs und das Wechseln der Inkontinenzhosen.

Gerade das Betrauen mit der Erledigung der Post und des Schriftverkehrs zeigt ein besonderes Vertrauensverhältnis.

Hierfür sprechen auch die weiteren Umstände, dass die Anzunehmende in den Vorsorgevollmachten vom 23.04.2014 und 26.11.2014 zur Bevollmächtigten bestellt wurde, dass sie nach seiner Patientenverfügung im Falle seines Todes benachrichtigt werden sollte und dass sie vom Annehmenden und seiner Ehefrau über die Errichtung der Testamente informiert wurde.

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Zwischen den Beteiligten ist zudem eine wechselseitige Bereitschaft zur Hilfe und Unterstützung festzustellen. Dies belegen einerseits die durch die Anzunehmende erbrachten Hilfeleistungen, andererseits die von ihr erfahrene Unterstützung während ihrer Trennungsphase.

Auch der Wunsch des Annehmenden, die Anzunehmende durch Zuwendung seines Hauses abzusichern, ist – auch wenn er als alleiniges Ziel nicht die Adoption sittlich rechtfertigen könnte – ein Akt der Fürsorge, der für ein enges und inniges Verhältnis spricht.

Eine besondere Fürsorglichkeit ergibt sich daraus, dass der Annehmende vor der Zuwendung des Hauses im Wege eines Vermächtnisses zunächst geprüft hat, ob die Anzunehmende das Haus aus ihrem bei der … erzielten Einkommen würde halten können.

Die Beteiligten haben ferner in einem großen Umfang den Alltag miteinander geteilt, indem die Anzunehmende während der Trennungsphase im Haus der Eheleute B. aus und ein ging, ihre überwiegende Freizeit dort verbrachte und später den Annehmenden fast jeden zweiten Tag besuchte.

Bereits zu Lebzeiten der Ehefrau und auch danach wurden häufig gemeinsame Mahlzeiten eingenommen. Feiertage wie Ostern und Weihnachten wurden regelmäßig gemeinsam verbracht.

Die Beteiligten haben ferner wechselseitig Anteil an den wichtigen Ereignissen im Leben des jeweils anderen genommen, etwa bei schwerer Krankheit und Scheidung.

Wie sich aus der Aussage des Zeugen R ergibt, hat der Annehmende, der nach den Aussagen aller Zeugen gegenüber Dritten wenig über persönliche Angelegenheiten gesprochen hat, ihm mit Freude und Stolz berichtet, dass die Anzunehmende bei der … zunächst eine Halbtagsstelle und später eine Ganztagsstelle erhalten hatte.

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Die Beteiligten waren darüber hinaus wechselseitig in das familiäre Beziehungsgeflecht eingebunden.

So hatten die Söhne der Anzunehmenden ein enges Verhältnis zum Annehmenden, wurden – jedenfalls der jüngere Sohn R. – von ihrer Mutter mit zu den Eheleuten B. genommen und erhielten dort Kuchen, feierten später mit dem Annehmenden Ostern und Weihnachten; der Sohn R. hat im Sommer 2014 den Annehmenden für sechs Wochen gepflegt.

Dass sich zu den Kindern der Anzunehmenden kein weitergehendes Großelternverhältnis gebildet hat, wird letztlich darauf zurückzuführen sein, dass die Söhne ihre Kindheit bei ihrer Großmutter in P verbracht haben und erst als Jugendliche zu ihrer Mutter nach Deutschland übergesiedelt sind.

Die Anzunehmende war ihrerseits mit der Familie des Annehmenden verbunden, indem sie ein enges Verhältnis zu seiner Ehefrau hatte und über die weiteren Familienmitglieder informiert war, auch wenn sie diese nicht persönlich kannte.

Der letztgenannte Umstand spricht nicht gegen eine Einbindung in den Familienverband, da der Annehmende keine weiteren nahen Angehörigen hatte und zu der weiteren Verwandtschaft fast nur telefonischen Kontakt pflegte.

So hatte die Schwägerin des Annehmenden, die Zeugin R W-P., mit ihrer Schwester M-El B. B.-P. zu deren Lebzeiten lediglich telefonischen Kontakt und nach deren Tod zum Annehmenden kaum noch Kontakt.

Der Zeuge Dr. Dr. R, ein Neffe zweiten Grades, hat den Annehmenden nach dem Tod seiner Ehefrau zwei- bis dreimal in Braunschweig besucht und im übrigen telefonischen Kontakt gehalten.

Auch Frau S B., eine Nichte zweiten Grades, die sich in diesem Verfahren schriftlich geäußert hat, hat nur telefonischen Kontakt angegeben.

Ferner hat eine Cousine des Annehmenden, Frau H M, gegenüber dem für die unbekannten Erben der Ehefrau eingesetzten Nachlasspfleger Dr. S ebenfalls allein Telefonkontakte mit dem Annehmenden angegeben.

Das geschilderte enge Verhältnis zwischen den Beteiligten kommt der Beziehung zwischen einem Vater und seiner erwachsenen Tochter gleich, so wie es der Annehmende nach eigenem Bekunden empfunden hat.

Der Altersunterschied von 47 Jahren lässt das Entstehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses plausibel erscheinen, ebenso wie der Umstand, dass die Beziehung über einen Zeitraum von fast 20 Jahren gewachsen ist.

Hierfür spricht auch, dass die Anzunehmende keine enge Beziehung zu ihren leiblichen Eltern hat. Ihren Vater, der von seiner Ehefrau geschieden war, hatte die Anzunehmende zur Zeit der Antragstellung seit 22 Jahren nicht gesehen, ihre Mutter besucht sie ein- bis zweimal im Jahr.

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Die Angaben der Beteiligten sind durch mehrere Zeugen bestätigt worden. Insbesondere haben die Zeugen A. B., R. B. und J G ausgesagt, dass zwischen den Beteiligten eine herzliche Beziehung und ein Vertrauensverhältnis bestanden habe, dass Feiertage gemeinsam begangen worden seien und dass sich die Anzunehmende sehr um den Annehmenden gekümmert habe.

Ein herzliches Verhältnis und fürsorgliches Verhalten der Anzunehmenden hat auch der Zeuge R, ein Nachbar, beobachtet. Eine weitere Nachbarin, die Zeugin T, hat ebenfalls ausgesagt, die Anzunehmende sei regelmäßig beim Annehmenden gewesen.

Dieser habe ihr gegenüber geäußert, die Anzunehmende habe sich immer sehr nett um ihn und seine Frau gekümmert, er verdanke ihr viel, sie sei für ihn wie eine Tochter. Die Zeugin B, eine weitere Nachbarin, hat angegeben, der Annehmende habe im Frühjahr 2014 ihr gegenüber den Plan einer Adoption erwähnt.

Der Annahme einer herzlichen, intensiven Beziehung, wie sie von den Beteiligten geschildert wurde, steht nicht entgegen, dass der Annehmende die Anzunehmende gegenüber weiteren Personen nicht oder nur beiläufig erwähnt hat.

Die Aussagen der Zeugen Dr. H, Dr. Dr. R und W-P., sind insoweit unergiebig.

Insbesondere ist der Schluss nicht gerechtfertigt, dass einer der Zeugen das persönliche Verhältnis zwischen den Beteiligten hätte wahrnehmen müssen, zumal der Annehmende nach den Aussagen der Zeugen Dr. Dr. R, W-P., und G nur wenig über seine persönlichen Angelegenheiten mitgeteilt hat.

Es besteht kein Anlass, in der Beschwerdeinstanz weitere Zeugen anzuhören. Aus den schriftlichen Äußerungen der Frau S B. ergibt sich nicht, dass sie Kenntnisse zu dem Verhältnis zwischen den Beteiligten hätte. Unerheblich ist, wann die Beteiligten beschlossen haben, ihre Beziehung durch eine Adoption zu einem rechtlichen Kindschaftsverhältnis werden zu lassen.

Daher bedarf es keiner Vernehmung der Frau B. dazu, ob und ggfs. wann der Annehmende in einem Telefonat mit ihr Adoptionsabsichten in Abrede genommen hat – nach ihrer Angabe in ihrem privatschriftlichen Erbscheinsantrag soll er dies im Oktober 2015 geäußert haben; zu diesem Zeitpunkt war er bereits verstorben.

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Auch soweit die Cousine des Annehmenden, Frau H M gegenüber Herrn Dr. S geäußert hat, sie sei durch häufige Telefonate über sein Umfeld und das Tagesgeschehen informiert gewesen,

er habe die Anzunehmende nur beiläufig als Haushaltshilfe erwähnt und keine Adoptionsabsichten geäußert, kann dies als wahr unterstellt werden, ohne dass hieraus entscheidende Rückschlüsse auf das Verhältnis zwischen den Beteiligten gezogen werden können.

Hinsichtlich der weiteren als Zeugen benannten Personen L S, I I, R H, J G und Rechtsanwältin a. D. E M ist weder dargetan noch ersichtlich, welche Umstände in das Wissen dieser Personen gestellt werden sollen und inwieweit hieraus weitere erhebliche Erkenntnisse gewonnen werden können.

Nach der Überzeugung des Senats ist das zwischen den Beteiligten entstandene Eltern-Kind-Verhältnis das Hauptmotiv der Adoption.

Anders als das Amtsgericht sieht der Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass wirtschaftliche Gründe im Vordergrund stünden. Allerdings ist davon auszugehen, dass der Annehmende auch den Wunsch hatte, die Anzunehmende wirtschaftlich abzusichern.

Dies hat er jedoch bereits durch die Zuwendung von Vermächtnissen getan und hätte es weitergehend durch eine Erbeinsetzung der Anzunehmenden erreichen können.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Annehmende in der Adoption die einzige Möglichkeit zu einer Absicherung der Anzunehmenden gesehen hätte.

Zwar kann die Auslegung und Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments der Eheleute B. fraglich sein.

Jedoch haben beide Notare, die die weiteren Testamente des Annehmenden aufgenommen haben, die Ansicht vertreten, dass er über seinen eigenen Nachlass frei verfügen konnte.

Der Wunsch, Erbschaftssteuer zu sparen, kommt als Motiv für die Adoption nicht in Betracht, da der Anzunehmenden in den Testamenten jeweils ein zusätzlicher Betrag in Höhe der auf sie entfallenden Erbschaftssteuer als Vermächtnis zugewendet wurde.

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Die Annahme der Beteiligten I. I. B. als Kind des Prof. Dr.-Ing. U. B. wird daher nach § 1768 Abs. 1 BGB durch den Senat ausgesprochen. Die Anzunehmende erhält dadurch die rechtliche Stellung eines Kindes des Annehmenden, §§ 1767 Abs. 2, 1754 Abs. 1 BGB.

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Gemäß §§ 1767 Abs. 2, 1757 Abs. 1 BGB erhält die Anzunehmende künftig den Geburtsnamen B.

(vgl. OLG Hamm, 8 UF 179/13, Beschluss vom 08.01.2014, StAZ 2014, 362).

Soweit ein anderer Senat des OLG Hamm (2 UF 274/12, Beschluss vom 29.06.2012, FamRZ 2013,557) die Beibehaltung des ursprünglichen Geburtsnamens damit begründet hat,

die Vorschrift des § 1757 BGB müsse den Besonderheiten der Volljährigenadoption Rechnung tragen und beachten, dass die Identifikation mit dem bisherigen Namen bei den Anzunehmenden aufgrund ihres Alters vorhanden sei, dürfte das durch die besonderen Umständen des dort zu entscheidenden Einzelfalls veranlasst gewesen sein.

Für den Regelfall ist der Gesetzgeber ersichtlich davon ausgegangen, dass auch der volljährige Anzunehmende den Geburtsnamen des Annehmenden erhält.

Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass sowohl § 1757 Abs. 3 BGB als auch § 1767 Abs. 2 Satz 2 und 3 BGB Bestimmungen dazu enthalten, in welchen Fällen die Änderung des Geburtsnamens auf den Ehenamen des Kindes durchschlägt.

Der Ehename wird im vorliegenden Fall gemäß §§ 1757 Abs. 3 i. V. m. 1767 Abs. 2 BGB durch die Änderung des Geburtsnamens nicht berührt, so dass die Anzunehmende weiterhin den Familiennamen B. führt. Im übrigen bestimmen sich die Wirkungen der Annahme nach § 1770 Abs. 1 bis 3 BGB.

III.

OLG Braunschweig 1 UF 139/16

Der Senat hat gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG von der Durchführung eines Termins abgesehen, da die Beteiligten und Zeugen bereits im ersten Rechtszug in den nichtöffentlichen Sitzungen vom 27.03.2015, 15.04.2016, 10.06.2016 und 08.07.2016 gehört wurden und von der erneuten Vornahme einer Anhörung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Insbesondere war es nicht erforderlich, die vom Amtsgericht vernommenen Zeugen erneut zu hören, weil die Abänderung der Entscheidung des Amtsgerichts nicht auf einer abweichenden Würdigung der Zeugenaussagen beruht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG.

Die Festsetzung des Verfahrenswertes auf 250.000,00 € entspricht billigem Ermessen im Sinne des § 42 Abs. 2 FamGKG unter Berücksichtigung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten und der Bedeutung der Sache.

Der Verfahrenswert für eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit kann bis zu höchstens 500.000,00 € festgesetzt werden. Bei der Anzunehmenden ist von durchschnittlichen Einkommensverhältnissen auszugehen.

Die wirtschaftliche Bedeutung ist bei einem angegebenen Nachlasswert von 1,4 Millionen € mit dem Wert des Pflichtteilsanspruchs abzüglich der der Anzunehmenden und zugewendeten Vermächtnisse zu bemessen.

Daher erscheint es angemessen, den Wert mit 250.000,00 € anzusetzen.

Gemäß § 197 Abs. 3 FamFG ist der Beschluss nicht mit einem Rechtsmittel anfechtbar.

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