OLG Celle 22 W 115/97 Pflichtteilsrecht der Eltern

August 26, 2019

OLG Celle Beschluss 15.1.1998 – 22 W 115/97 Pflichtteilsrecht der Eltern – Ausschluß bei Zuwendungen des Erblassers an Pflichtteilsberechtigten

RA und Notar Krau

Sachverhalt:

Der Erblasser war zweimal verheiratet und hatte aus erster Ehe zwei Töchter.

Nach seinem Tod im März 1996 hinterließ er seine zweite Ehefrau als testamentarische Alleinerbin.

Die Töchter aus erster Ehe hatten bereits im Januar 1988 Schenkungen von ihrem Vater erhalten und im Gegenzug auf ihren Erb- und Pflichtteil verzichtet.

Die Mutter des Erblassers, die Antragstellerin, machte gegen die Witwe, die Antragsgegnerin, ihren Pflichtteil geltend.

Rechtliche Würdigung:

Das Oberlandesgericht Celle wies die Beschwerde der Antragstellerin zurück.

OLG Celle 22 W 115/97 Pflichtteilsrecht der Eltern

Es stellte fest, dass der Pflichtteilsanspruch der Antragstellerin gemäß § 2309 Fall 2 BGB ausgeschlossen ist, da die Töchter des Erblassers

das ihnen Hinterlassene angenommen haben.

Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

  • Annahme des Hinterlassenen: Die Töchter haben durch den Verzicht auf Erb- und Pflichtteil im Gegenzug für die Schenkungen des Erblassers das ihnen Hinterlassene angenommen.
  • Lebzeitige Zuwendungen: Auch lebzeitige Zuwendungen, die der Erblasser dem Pflichtteilsberechtigten für dessen Erb- und Pflichtteilsverzicht gemacht hat, sind als diesem hinterlassen anzusehen.  
  • Zweck des § 2309 BGB: Die Vorschrift des § 2309 BGB soll die Vervielfältigung der Pflichtteilslast verhindern und allen Pflichtteilsberechtigten zusammen höchstens die Hälfte dessen zukommen lassen, was ihnen bei gesetzlicher Erbfolge zufiele.
  • Vermeidung der Mehrbelastung des Nachlasses: Würde der nachrückende Pflichtteilsberechtigte in einem solchen Fall den vollen Pflichtteil erhalten, wäre aus dem Vermögen des Erblassers mehr aufgebracht als nur die Hälfte dessen, was bei gesetzlicher Erbfolge auf die Pflichtteilsberechtigten zusammen entfiele.  
  • Gleichstellung von lebzeitigen Zuwendungen mit Anrechnungsbestimmung und Erb- und Pflichtteilsverzicht: Es besteht kein Grund, dem Erblasser die Möglichkeit zu verwehren, Pflichtteilsansprüche seiner Eltern schon zu Lebzeiten abzuwenden, indem er seinen Abkömmlingen lebzeitige Zuwendungen im Gegenzug für einen Erb- und Pflichtteilsverzicht macht.

Offene Fragen:

Das Gericht ließ offen, ob die Zuwendungen an die Töchter deren Pflichtteile vollständig gedeckt haben.

Sollte dies nicht der Fall sein, bestünde der Anspruch der Antragstellerin allenfalls in Höhe des ungedeckten Teils.

Hierfür fehlten jedoch im vorliegenden Verfahren hinreichende Anhaltspunkte.

Besonderheiten:

Bei der Berechnung, ob die Töchter genug erhalten haben, ist der Wert der Geschenke aus dem Jahr 1988 unter Berücksichtigung

des Kaufkraftschwundes auf den Zeitpunkt des Erbfalls im Jahr 1996 hochzurechnen.

Fazit:

Der Beschluss des OLG Celle verdeutlicht die Bedeutung des § 2309 BGB für die Vermeidung einer Vervielfältigung der Pflichtteilslast.

Lebzeitige Zuwendungen, die mit einem Erb- und Pflichtteilsverzicht verbunden sind, werden dabei wie ein Erbe behandelt und können den Pflichtteil nachrückender Pflichtteilsberechtigter ausschließen.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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