OLG Celle 9 U 38/16

August 10, 2017

OLG Celle 9. Zivilsenat, Urteil vom 09.11.2016, 9 U 38/16

vorgehend LG Stade, 4. Februar 2016, Az: 8 O 45/15
anhängig BGH, Az: II ZR 307/16

Tenor OLG Celle 9 U 38/16

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 4. Februar 2016 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Stade – Kammer für Handelssachen – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
2. Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung um 20 % übersteigenden Betrages abzuwenden, soweit nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
4. Streitwert für das Berufungsverfahren: bis zu 80.000 €.

Gründe OLG Celle 9 U 38/16

I.
Die Klägerin ist mit einer Einlage von 20.000 DM Kommanditistin der Beklagten, einer Publikumsgesellschaft.
Die Klägerin begehrt mit dem vorliegenden Rechtsstreit im Kern, dass die Kommanditgesellschaft an eine GmbH, die nach dem Willen einer Vielzahl von Kommanditisten die Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft übernehmen sollte, was aber gescheitert ist, ein Betrag von gut 60.000 € zu zahlen sei. Sie begehrt ferner die Feststellung, dass ein diese Zahlung rechtfertigender Beschluss in der Gesellschafterversammlung vom 26. März 2015 gefasst und der vom Versammlungsleiter festgestellte gegenteilige Beschluss nichtig sei. Komplementärin der Kommanditgesellschaft ist die P. W. B.-GmbH.
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Der 2008 gebildete Beirat der KG besteht aus dem Ehemann der Klägerin, Prof. Dr. H., sowie Herrn G. J., zugunsten derer Stimmrechtsvollmachten weiterer Kommanditisten, die mehr als 50 % der Stimmen ausmachen, bestehen. Der Beirat, der die Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung als unzumutbar ansieht, betrieb im Jahr 2010 deren Ersetzung durch die W. R. GmbH (R. GmbH), was gescheitert ist; vgl. 9 U 116/10 und 9 U 75/11 OLG Celle, sowie den dazu ergangenen Beschluss BGH II ZR 248/11).
Im Zusammenhang mit dem vielfach gewünschten Leitungswechsel wurde in der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 17. September 2010 (Anlage K 5, gesondert geheftet, dort S. 24) ein Beschluss gefasst, wonach die Gesellschaft die nachgewiesenen Kosten der R. GmbH im Zusammenhang mit dieser Gesellschafterversammlung bis zur maximalen Höhe von 10.000 € zu tragen hatte. Die entsprechende Zahlung erfolgte am 23. Mai 2011.
Auf der Gesellschafterversammlung vom 30. September 2011 wurde ein Beschluss dahingehend gefasst, dass die Gesellschaft der R. GmbH nachgewiesene entstandene oder noch entstehende Kosten im Zusammenhang mit den Gesellschafterversammlungen vom 17. September 2010 und vom 28. April 2011 insoweit zur Hälfte zu tragen hat, als sie 10.000 € übersteigen (Anlage K 8, dort S. 10). Auf Grundlage dieser Regelung macht die R. GmbH gegen die Beklagte vor dem Landgericht Stade (3 O 93/15) einen Betrag in Höhe von 62.083,24 € geltend; der Rechtsstreit dort ist ausgesetzt.
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Aufgrund der Weigerung der Komplementärin, den Forderungen der R. GmbH auf anteilige Kostenerstattung nachzukommen, wurde über diese Frage auf der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 26. März 2015 erneut abgestimmt. Beantragt war u. a., dass kein Prozess mit der R. GmbH über die Kostenerstattung geführt werde und der R. GmbH der von ihr geltend gemachte Betrag in Höhe von 62.477,37 € auszuzahlen sei (Anlage K 9). Der Versammlungsleiter stellte fest, dass der Beschluss nicht zustande gekommen sei. Das Protokoll geht von 241 „Ja-Stimmen“ aus und von 435 „Nein-Stimmen“. Die von den Beiratsmitgliedern Professor H. und J. abgegebenen „Ja-Stimmen“ (wohl 528 Stimmen) zählte der Versammlungsleiter nicht mit, weil er ein Stimmverbot annahm; wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der Gesellschafterversammlung (Anlage K 9) Bezug genommen.
Schließlich kam es am 16. September 2015 zur ordentlichen Gesellschafterversammlung (Anlage K 10). Dort wurde mehrheitlich dafür gestimmt, dass der W. R. GmbH ein „direktes eigenes materielles Forderungsrecht“ gegen die Gesellschaft zustehen solle, und wegen der Weigerung der Geschäftsführung zur Umsetzung der Beschlüsse vom 30. Dezember 2011 und 26. März 2015 die Klägerin ermächtigt werde, die Geschäftsführung bzw. die Gesellschaft auf Umsetzung der genannten Gesellschafterbeschlüsse gerichtlich in Anspruch zu nehmen; der Versammlungsleiter hielt diesen Antrag für unzulässig.
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Die Klägerin hat zuletzt beantragt (Bl. 49 ff., 65),
den Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 26. März 2015, wonach der Antrag unter TOP 2 zur Kostenerstattung gegenüber der W. R. GmbH abgelehnt worden sei, für nichtig zu erklären und außerdem festzustellen, dass die Gesellschafterversammlung der Beklagten diesem Antrag mit der hierfür erforderlichen Mehrheit zugestimmt habe und der Beschluss wirksam zustande gekommen sei,
außerdem,
die Beklagte zu verurteilen, in Umsetzung des auf der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 26. März 2015 unter TOP 2 gefassten Beschlusses an die W. R. GmbH 62.083,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29. Dezember 2014 zu zahlen (i. E. Bl. 49 – 51).
Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen.
Zwar sei der Antrag in der Gesellschafterversammlung vom 26. März 2015 zu TOP 2 nicht bereits deshalb unzulässig, weil er in die Geschäftsführungsbefugnis der Komplementärin eingreife. Für die Zahlung an die R. GmbH habe es eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung bedurft, was ausgeführt wird.
Der Beschluss zu TOP 2 sei nicht mehrheitlich gefasst worden. Die Klägerin selbst sei als betroffene Gesellschafterin von der Abstimmung ausgeschlossen gewesen. Diese habe – wie auch Frau J., die Ehefrau des zweiten Beiratsmitglieds – von der R. GmbH erhebliche Gelder erhalten, um die Kosten, die der Klägerin und Frau J. entstanden gewesen seien, auszugleichen (insoweit unstreitig).
Sie seien damit von einer Verbindlichkeit befreit worden, woraus sich ein Stimmverbot ergebe. Das Stimmverbot erstrecke sich auch auf die Ehemänner beider, die Mitglieder des Beirats, der mit der R. GmbH den Versuch unternommen habe, die Geschäftsführung auszuwechseln. Zuwendungen der R. GmbH an die Klägerin und Frau J. seien auch den beiden Beiratsmitgliedern wirtschaftlich zugutegekommen, sodass sie auch die ihnen kraft Vollmacht übertragenen Stimmen nicht hätten ausüben können.

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Die Verfahrensweise des Versammlungsleiters, die Stimmen, die von dem Ehemann der Klägerin und Herrn J. aufgrund Vollmacht abgegeben worden seien, unberücksichtigt zu lassen, sei nicht zu beanstanden. Das vom Versammlungsleiter festgestellte Beschlussergebnis zu TOP 2 bleibe maßgeblich. Zweifelhaft sei, ob überhaupt für eine Kostenübernahme durch die Beklagte im Hinblick auf die Förderungs- und Treuepflicht habe gestimmt werden dürfen, was aber offenbleiben könne.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlich gestellten Anträge vollumfänglich weiterverfolgt (Bl. 126 ff., Bl. 173).
Die streitgegenständliche Beschlussfassung sei nicht treuwidrig; die Kommanditisten wollten lediglich eine neue und unabhängige Geschäftsführung. Die Kommanditisten müssten der Geschäftsführung Anweisungen geben können und dies auch gegenüber der Gesellschaft gerichtlich durchsetzen können.
Weiter meint die Klägerin, die Beiratsmitglieder hätten weder mit ihren weisungsgebundenen noch mit ihren weisungsungebundenen Stimmen einem Stimmverbot unterlegen. Es liege auch keine Vorteilsgewährung an die Klägerin und Frau J. vor, da diese aufgrund der bereits erfolgten Kostenerstattung durch die Beschlussfassung keinen Vorteil mehr hätten erlangen können. Schließlich sei es fernliegend anzunehmen, dass ein Stimmverbot bereits vorliege, wenn die Beiräte zuvor geführte Prozesse als Interessenvertretung der Kommanditisten unterstützt hätten.
Die Beklagte hat die Zurückweisung der Berufung beantragt (Bl. 149).

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Sie verteidigt im Wesentlichen unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages das angefochtene Urteil.
Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien samt Anlagen, das angefochtene Urteil und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung unterliegt der Zurückweisung; die kombinierte Anfechtungs- und Beschlussfeststellungsklage ist insgesamt unbegründet; auch der geltend gemachte Zahlungsanspruch besteht nicht.
A.
Die Klage ist insgesamt zulässig.
Der Hinweis der Beklagten (Bl. 60 f.) auf die vor dem Landgericht Stade anhängige Zahlungsklage verfängt nicht. Die Streitgegenstände beider Verfahren sind nicht identisch.
B.
1. a) Für den Beschluss zu TOP 2 der Gesellschafterversammlung vom 26. März 2015, die Geschäftsführung zu einer (weiteren) Auszahlung gegenüber der R. GmbH anzuweisen, hätte es der Zustimmung aller Gesellschafter bedurft, an der es aber fehlt.
Die Befugnis zur Geschäftsführung erstreckt sich auf alle Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft mit sich bringt. Zur Vornahme von Handlungen, die darüber hinausgehen, ist ein Beschluss sämtlicher Gesellschafter erforderlich (§ 116 Abs. 1, 2 HGB). Die Vorschrift gilt für die KG gleichermaßen (§§ 161 Abs. 2, 164 Satz 1 HGB, vgl. nur Baumbach u. a. – Roth, HGB, 36. Aufl., § 164 Rn. 2). Damit sind die Kommanditisten nach der gesetzlichen Regelung bei außergewöhnlichen Geschäften zur Mitwirkung an der Geschäftsführung berechtigt (§ 164 Satz 1, 2. Hs. HGB).

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Außergewöhnliche Geschäfte sind solche, die, ohne Grundlagengeschäfte sein zu müssen, den bisher vorgegebenen Rahmen des Geschäftsbetriebs übersteigen oder außerhalb des Unternehmensgegenstands liegen oder nach Umfang oder Risiko ungewöhnlich oder ihrer Art nach dem gewöhnlichen Geschäftsbetrieb fremd sind; entscheidend sind jeweils die individuellen Verhältnisse der Gesellschaft (vgl. OLG Stuttgart, 14 U 24/08, Urteil vom 25. Februar 2009, Rn. 145 bei juris, m. w. N.). Gewöhnlich in diesem Zusammenhang ist demgegenüber, was in dem konkreten Handelsgewerbe üblicherweise vorkommen kann und nicht aus dem Rahmen des Üblichen herausfällt.
Ein solcher Fall eines außergewöhnlichen Geschäfts liegt hier vor. Es sollten aus Mitteln der Gesellschaft Leistungen in erheblicher Höhe erbracht werden, die mit dem Geschäftsbetrieb selbst nicht im Zusammenhang stehen und der Gesellschaft wegen des seinerzeitigen Scheiterns der Auswechslung der Geschäftsführung auch keinen Vorteil brachten.
Der von der Klägerin seinerzeit behauptete wichtige Grund für die angestrebte Ablösung der Geschäftsführung ändert daran schon deswegen nichts, weil es dazu – wie durch rechtskräftiges Senatsurteil vom 13. Oktober 2011 in 9 U 75/11 unter II. 6. b) feststeht – an Vortrag fehlte, der auch durch die senatsbekannte Zerstrittenheit zwischen Beirat und Geschäftsführung nicht ersetzt wird.
b) Dass die gesetzlichen Regelungen aus § 116 HGB nicht zwingend sind, führt zu keinem anderen Ergebnis.
Durch den Gesellschaftsvertrag kann von § 116 HGB abgewichen werden. Die Satzung der Beklagten (als Anlage K 1 ist die Fassung aus dem Jahr 2000 vorgelegt worden) lässt in § 8 (9) für Beschlussfassungen die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen grundsätzlich genügen.

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Die gebotene objektive Auslegung (vgl. nur BGH – II ZR 242/04 -, NJW 2006, 2854) lässt jedoch nicht das Ergebnis zu, dass damit auch § 116 Abs. 2 HGB verdrängt werden sollte. Der Wortlaut der Satzung liefert dafür keinen Anhaltspunkt. Interessengerecht wäre, gerade auch unter Berücksichtigung des Minderheitenschutzes (s. a. BGH – II ZR 151/77 -, Urteil vom 22. Oktober 1979, zit. nach juris), eine derart weitreichende Auslegung ebenfalls nicht, weil sie bei geringster Beteiligung an einer Versammlung größtmögliche Eingriffe in das Gesellschaftsvermögen erlaubte.
c) Schließlich hat überdies das Landgericht zu Recht ein Stimmverbot hinsichtlich der Beiratsmitglieder als Vertreter von Kommanditisten angenommen, das unabhängig von obigen Ausführungen bereits für sich genommen das klägerische Anliegen zu Fall bringt.
An einer gesetzlichen Regelung des Stimmrechtsausschlusses fehlt es im HGB. Der BGH hat zwar in bestimmten Bereichen für eine Publikumsgesellschaft Vorschriften des Aktienrechts entsprechend angewandt, da ihr ebenso wie der Aktiengesellschaft regelmäßig eine unüberschaubare Zahl einander unbekannter, nicht am Ort der Gesellschaft lebender Kommanditisten angehört (z. B. II ZR 102/02, NJW 2003, 2676). Jedoch auch unter Berücksichtigung der besonderen Struktur der Publikumsgesellschaft ist es sachgerechter, die Regelung in § 47 Abs. 4 GmbHG auf die Gesellschaften des HGB analog anzuwenden
(vgl. BGH – II ZR 230/09 -, Urteil vom 7. Februar 2012; KG – 23 U 95/08 – Urteil vom 18. Dezember 2008, je zit. nach juris; Roth a. a. O., § 119 Rn. 8). Dabei gilt als Grundsatz, dass niemand Richter in eigener Sache sein soll (vgl. BGH – II ZR 230/09 -, a. a. O.). Diesem Grundsatz kommt insbesondere dann Bedeutung zu, wenn ein Sachverhalt sich nicht unter einen der Fälle des § 47 Abs. 4 GmbHG subsumieren lässt (vgl. BGH – II ZR 73/85 – NJW 1986, 2051, 2052, unter 2. a); OLG Düsseldorf, 16 W 17/99, Beschluss vom 9. Juni 1999, zit. nach juris).
Das Stimmverbot für die Klägerin hat das Landgericht näher begründet. Die R. GmbH soll der Klägerin (und Frau J.) Aufwendungen für die verlorenen Prozesse im Zusammenhang mit dem gescheiterten Komplementärswechsel erstattet bzw. (so Bl. 168 f.) aufgrund vorab erteilter einschränkungs- und bedingungslosen Zusagen direkt an die jeweiligen Gläubiger gezahlt haben (s. § 47 Abs. 4 GmbHG), die Teil der geltend gemachten Aufwendungen der R. GmbH sind, wie insoweit unstreitig ist (S. 9 der Klagschrift, S. 5 der Klagerwiderung).

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Ausgeschlossen vom Stimmrecht sind aber auch die Beiratsmitglieder, die zugleich die Ehemänner der Begünstigten sind. Für das Stimmrechtsverbot reicht zwar nicht jeder Fall eines Interessenkonflikts aus (vgl. BGH – II ZR 73/85 -, NJW 1986, 2051, 2052 f.). Der Gesetzgeber hat in § 47 Abs. 4 GmbHG gerade nicht ganz allgemein formuliert, dass bei jedwedem Interessenkonflikt das Stimmrecht eines Gesellschafters ausgeschlossen sein solle; er hat sich vielmehr für den weniger einfachen Weg der Bezeichnung konkreter Tatbestände entschieden, dies auch vor dem Hintergrund, dass das Stimmrechtsverbot einen massiven Eingriff in die Gesellschafterrechte darstellt.
Die Entscheidung muss dem Einzelfall überlassen bleiben (vgl. BGH – II ZR 73/85, NJW 1986, 2051, 2053). Vorliegend hat der Ehemann der Klägerin zwar möglicherweise auch seine eigenen Interessen bzw. die seiner Ehefrau verfolgt, dies auch mit Nachdruck; für einen Stimmrechtsausschluss wäre das aber wegen der Schwere des Stimmverbots für sich genommen womöglich zu wenig.
Allerdings geht es nicht nur um die Verfolgung eigener Interessen durch die Beiratsmitglieder, wie insbesondere die Stellungnahme des Beirats zum Protokoll der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 26. März 2015 zeigt (der Anlage K 9 nachgeheftet). Dieser lässt sich nicht nur entnehmen, dass die R. GmbH den Beirat gegenüber der missliebig gewordenen Geschäftsführung nicht nur im Jahr 2010 unterstützt hatte, sondern weiter, dass diese Unterstützung auch für die Zukunft nicht nur seitens des Beirats angestrebt und sogar für notwendig gehalten wird, insbesondere, um die bestehende Geschäftsführung „nicht ungestört weiter agieren zu lassen“.
Die vom Beirat favorisierte großzügige Bereitstellung von Mitteln der Gesellschaft zugunsten der R. GmbH, und zwar unabhängig vom Ausgang von Rechtsstreitigkeiten, an denen die R. GmbH beteiligt war, soll aber diese Kooperation über den seinerzeit erstrebten Führungswechsel hinaus möglich machen, womit der Beirat sich die eigenen Interessen folgenden Bestrebungen der R. GmbH letztlich zu eigen gemacht hat, obgleich vorliegend zu dieser Zeit (im Jahr 2015) nichts (mehr) dafür ersichtlich war, dass die R. GmbH tatsächlich noch Geschäftsführerin hätte werden können.

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Soweit die Klägerin darauf verweist, dass weder ihr noch den Beiratsmitgliedern Pflichtverletzungen zur Last fielen, kommt es darauf nicht an; unabhängig von Pflichtverletzungen können auch andere Gründe wie insbesondere Interessenkonflikte zu einem Stimmrechtsausschluss führen (vgl. z. B. BGH – II ZR 230/08 -,  Urteil vom 21. Juni 2010, zit. nach juris). Der Regelung des § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG liegt gerade der Gedanke zugrunde, dass von einem selbst am Geschäft Beteiligten nicht zu erwarten ist, er werde bei seiner Stimmabgabe seine Belange gegenüber denen der Gesellschaft zurückstellen.
Dieser zum Stimmrechtsausschluss führende Interessenkonflikt setzt nicht zwingend eine gesellschaftsrechtliche Verflechtung voraus. Maßgebend ist, dass das Gesetz verbandsfremde Sonderinteressen von der Einwirkung auf Verbandsentscheidungen fernhalten will (vgl. Senat, 9 U 196/98, Urteil vom 24. März 1999, NZG 1999, 1161).
Die Beiratsmitglieder waren ferner deshalb vom Stimmrecht (auch für Dritte) ausgeschlossen, weil sie im Streitfall nicht besser stehen als ihre Ehefrauen. Zwar waren in den (verlorenen) Vorprozessen, um deren Kosten hier gestritten wird, nach außen hin ihre Ehefrauen als Klägerinnen aufgetreten und hätten theoretisch die Kostenlast tragen müssen, was zu deren Stimmverbot führt.
Im Streitfall hatten jedoch für jene Prozesse – wie die Klägerin im Schriftsatz vom 23. September 2016 (Blatt 169 der Akten) einräumt – im Innenverhältnis tatsächlich die Ehemänner die Klageaufträge für ihre Frauen erteilt. Auch wegen dieser unmittelbaren  eigenen Betroffenheit hinsichtlich der verlorenen Prozesse, die die Beiratsmitglieder nicht anders stehen lässt als ihre Ehefrauen, ergibt sich der Stimmrechtsausschluss direkt.
Wenn damit die Beiratsmitglieder von der Abstimmung ausgeschlossen sind, können sie ungeachtet erteilter Vollmachten, die hier mehr als 50 % der Stimmen ausmachen, auch nicht als (organschaftliche) Vertreter anderer Gesellschafter abstimmen (vgl. BGH – II ZR 167/07 -, Urteil vom 27. April 2009, zit. nach juris). Das ergibt sich bereits aus § 47 Abs. 4 Satz 1 GmbHG a. E.

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2. Die Zahlungsklage ist schon deshalb unbegründet, weil der Erstattungsbeschluss nach obigen Ausführungen nicht wirksam gefasst wurde.
Bestätigt wird dieses Ergebnis zudem durch § 110 HGB. Macht der Gesellschafter in den Gesellschaftsangelegenheiten Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, oder erleidet er unmittelbar durch seine Geschäftsführung oder aus Gefahren, die mit ihr untrennbar verbunden sind, Verluste, so ist ihm die Gesellschaft zum Ersatz verpflichtet.
Von einer Erforderlichkeit kann aber jedenfalls so lange keine Rede sein, wie nicht ein wichtiger Grund zur Ablösung der bisherigen Geschäftsführung dargetan ist. Selbst ex ante durften die – hohen – Kosten der seinerzeitigen Prozesse nicht für erforderlich gehalten werden, solange die alte Geschäftsführung in Ermangelung eines wichtigen Grundes ohnehin nicht abgelöst werden konnte.
Über den Umweg der Kostentragung durch die R. GmbH, die die an die Klägerin gezahlten Gelder von der Gesellschaft wiedererlangen möchte und nach erfolgter Beschlussfassung auch erhalten soll, würde § 110 HGB umgangen.
3. Der Schriftsatz der Klägerin vom 27. Oktober 2016 gibt dem Senat keinen Anlass zum Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung.
C.
Die Kostenentscheidung folgt § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vor-läufige Vollstreckbarkeit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Anlass, gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Revision zuzulassen, besteht nicht.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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